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In Ungarn inhaftierte Ak­ti­vis­t*inVater von Maja T. beginnt Hunger-Protestmarsch nach Budapest

Gerade erst beendete Maja T. in Ungarn einen Hungerstreik, nun läuft Vater Wolfram Jarosch mit einem Hunger-Protestmarsch von Dresden nach Budapest.

Zuletzt protestierte Wolfram Jarosch (vorne links) noch in Berlin für sein Kind Maja. Nun macht er sich auf den Weg nach Budapest Foto: Jens Kalaene, dpa

BERLIN taz | Erst am Montag beendete die Thüringer An­ti­fa­schis­t*in Maja T. ihren Hungerstreik in ungarischer Haft, nach 40 Tagen. Nun setzt T.s Vater Wolfram Jarosch diesen Protest fort: Am Mittwochmorgen begann er einen Protestmarsch von Dresden nach Budapest, 800 Kilometer lang – auf dem er ebenfalls keine feste Nahrung zu sich nehmen will.

Jarosch startete seinen Marsch am frühen Morgen an der JVA Dresden, wo Maja T. bis zur Auslieferung nach Ungarn im Juni 2024 in Haft saß. Zielpunkt ist das Stadtgefängnis von Budapest, in dem Maja T. zuletzt inhaftiert war – bis die nonbinäre Ak­ti­vis­t*in wegen des Hungerstreiks in ein Haftkrankenhaus nahe der ungarisch-rumänischen Grenze verlegt wurde.

„Ich fordere den deutschen Außenminister Herrn Wadephuhl und Ungarns Präsidenten Sulyok Tamás auf, Majas Isolationshaft zu beenden und eine sofortige Rücküberstellung nach Deutschland zu ermöglichen“, erklärte Jarosch seinen Protest. „Mein Kind Maja ist vor gut einem Jahr rechtswidrig von Dresden nach Budapest ausgeliefert worden.“ Seitdem sitze Maja „unter entwürdigenden Bedingungen in Isolationshaft und ist einer Art politischem Schauprozess mit völlig unverhältnismäßiger Strafandrohung bis zu 24 Jahren ausgesetzt“.

Jarosch kündigte an, auf dem Weg täglich nur je 250 Milliliter Gemüsesaft und Gemüsebrühe zu sich nehmen zu werden sowie 250 Milliliter Milch und 30 Gramm Honig, um die Vitamin- und Mineralstoffversorgung sicherzustellen. Seine Frau Tatjana Jarosch werde ihn auf dem Fahrrad begleiten.

Auf dem Weg: Wolfram Jarosch am Mittwochmorgen Foto: privat

Wadephul schickt Delegation nach Ungarn

Erst vor anderthalb Wochen hatte Jarosch einen Protestmarsch beendet: von Jena, der Heimatstadt von Maja T., nach Berlin zum Auswärtigen Amt. Dem Ministerium hatte der 54-Jährige eine Petition mit gut 100.000 Unterschriften übergeben, die ebenso eine Rückholung von Maja T. nach Deutschland einfordert.

Auch Maja T. hatte den eigenen Hungerstreik begonnen, um bessere Haftbedingungen und eine Rückführung nach Deutschland zu erreichen. Am Montag hatte T. den Protest dann beendet, nachdem der Gesundheitszustand immer kritischer wurde und ungarische Ärzte eine Zwangsernährung und Implantation eines Herzschrittmachers in Aussicht stellten.

Jarosch sagte der taz, Maja habe inzwischen langsam wieder angefangen zu essen und dies auch vertragen. Nach längerem Hungern oder Fasten kann es durchaus zu Komplikationen kommen. Maja T. befindet sich vorerst weiter im Haftkrankenhaus.

Auch ein Grund für das Ende des Hungerstreiks war die Ankündigung von Außenminister Johann Wadephul (CDU), dass eine Delegation des Auswärtigen Amts nach Ungarn reisen werde, um sich für bessere Haftbedingungen für Maja T. einzusetzen. Zu Details und möglichen Ergebnissen der Reise äußerte sich das Auswärtige Amt bisher nicht. Wadephul hatte zuletzt aber auch betont, dass Ungarn ein Interesse an einer eigenen Strafverfolgung bekräftigt habe. Zudem gehe es um „schwerste Vorwürfe“, die für Maja T. auch in Deutschland zu einem Strafverfahren führen würden.

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Jarosch begrüßte die Ungarn-Reise des Auswärtigen Amts, betonte aber auch, dass sich an der Situation von Maja auch nach Ende des Hungerstreiks bisher nichts verändert habe.

Maja T. wird vorgeworfen, mit anderen Linken im Februar 2023 in Budapest mehrere Rechtsextreme schwer angegriffen zu haben, am Rande des europaweiten Szeneaufmarschs „Tag der Ehre“. Die Auslieferung von T. nach Ungarn hatte das Bundesverfassungsgericht nachträglich für rechtswidrig erklärt. Seit Februar läuft nun in Budapest ein Prozess gegen Maja T., es drohen dort bis zu 24 Jahre Haft. Derzeit befindet sich der Prozess in einer Sommerpause und wird erst Mitte September fortgesetzt.

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11 Kommentare

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  • 24 Jahre Haft für schwerste Körperverletzung finde ich jetzt kein zu hohes Strafmaß. Egal wie der Prozess ausgeht.

  • In dem Fall werden ein paar Dinge ungüstig miteinander vermischt, was wenig zur Aufklärung beiträgt. Ich bemühe mich mal...



    Das BVerfG hat die Auslieferung für rechtwidrig erklärt, weil das KG Berlin seiner Auffassung nach die Umstände der ungarischen Haft nicht aureichend geprüft hatte. Das ist ein wichtiger, allerdings formaler Einwand. Mitnichten hat das BVerfG das Ergebnis dieser Prüfung vorweggenommen und etwa behauptet, die Haftumstände seien gesichert untragbar. Das BVerfG hat eine Gefahr gesehen, mit der sich das KG hätte umfassender beschäftigen sollen. Ob sich die Gefahr(en) tatsächlich bestanden, ob sie sich realisieren, steht auf einem anderen Blatt. Das hätte man zwischenstaatlich regeln können und sollen. Damals, als Wadephul noch gar nichts mit der Geschichte zu tun hatte.



    Aber selbtverständlich gilt für das gesamte europäische Hohheitsgebiet das Tatortprinzip in Strafsachen. Bei aller Gewissheit des "man weiß ja, dass..." (in dem Fall: Ungarn ein Unrechtsstaat ist) erwarte ich jedoch allmählich ein paar Beweise dafür. Fadenscheinig begründet abgelehnte Beweisanträge z.B. Dass die Verteidigung sich so gar nicht zum Verfahren selbst äußert, finde ich etwas merkwürdig.

  • Ich habe Hochachtung vor dem Vater, der sich für sein Kind mit all seiner Energie einsetzt. Für seine Forderungen habe ich volles Verständnis.

    Grundsätzlich sollte eine andere Frage im Fokus stehen: wie kann man EU-weit menschliche Haftbedingungen durchsetzen?

    Außerdem sollte man sich mit der Frage beschäftigen, wie Häftlinge untergebracht werden sollen, die trans oder binär sind. Insbesondere wenn man bedenkt, dass Trans/Binäre Menschen nicht überall anerkannt werden und die nationale Gesetzgebung dementsprechend unterschiedlich ist. Ich finde es erstaunlich, dass über diesen Aspekt so wenig berichtet wird. In Ungarn wäre z.B. die Alternativen nur Männerknast oder Einzelhaft. Evtl. könnte sogar die Einzelhaft die humanere Lösung sein. Diese Frage der Unterbringung ist auch in anderen Ländern umstritten.

  • Unabhängig der möglichen/un+wahrscheinlichen grauenhaften Taten von Maja T. war die Auslieferung in nach Ungarn unzulässig und bedarf deshalb einer Rückholung durch den Staat. Ein Prozess und mögliche Inhaftierung kann auch in Deutschland nach deutschen Recht stattfinden.



    Ich verabscheue die Tat, falls diese so stattgefunden hat. Trotzdem hat Maja T. das Recht auf einen fairen Prozess, bzw. ein Rückholung.

  • Nichts neues von der Delegation?



    Oder kommt da nix mehr, da H.-Streik abgebrochen?



    "Werteorientierte Aussenpolitik".



    "Verantwortung"

  • [i]mutmaßliche[/i] Rechtsextreme.



    Oder findet ihr Vorverurteilung voll okay, wenn es den politischen Gegner betrifft?

    • @DenkeDran:

      Es ist ziemlich sicher ausgeschlossen, dass sich Teilnehmer des "Tag der Ehre" vorverurteilt fühlen, wenn sie als Rechtsextreme bezeichnet werden. Das ist ein ganz offenes Nazitreffen, da gibts gar nichts dran zu deuteln. Und Rechtsextremist zu sein, ist auch kein Straftatbestand. So gesehen ist die Einlassung doch ziemlich absurd.



      Mir ist der Umgang mit (mutmaßlich) linken Gewaltätern hier prinzipiell auch ne ganze Ecke zu unkritisch und ich habe große Zweifel, dass man sich bei Beschuldigten solcher Taten ähnlich stark für deren Rechte engagieren würde, wenn sie aus einem anderen Background gehandelt hätten.



      Rechtsextremisten darf man aber natürlich als das bezeichnen was sie sind, auch wenn sie Opfer von Gewalt geworden sind. Das sind genauso wenig arme, arglose Demokraten, wie es Menschen sind, die in der Gruppe losziehen, um ihre politischen Gegner zusammenzuschlagen.

  • Maja T. hat mit einem Hammer Menschen angegriffen und schwerst verletzt. Auch Nazis haben eine Menschenwürde. Ich verstehe einfach nicht, warum er/Sie jetzt dafür keine Konsequenzen tragen soll. Die Zeiten, wo Gesetze nur für Menschen mit einer bestimmten Gesinnung gelten sind ja gottseidank vorbei.

    • @Sybille Bergi:

      Kein Grund Menschen mit Isolationshaft zu Foltern.

    • @Sybille Bergi:

      Ungarn ist kein Rechtsstaat mehr und Maja wurde rechtswidrig nach Ungarn ausgeliefert. Gegen einen Prozess in Deutschland oder einem anderen Rechtsstaat hat ja niemand etwas. In Ungarn ist kein faires Verfahren zu erwarten und das Deutschland da überhaupt noch mit Ungarn zusammen arbeitet, ist ein Skandal.

    • @Sybille Bergi:

      Vorverurteilungen sind hier nicht angebracht. Sollte Sie durch Beweise verurteilt werden, dann ist dies ja die Strafe für die Tatvorwürfe.



      Gewalt als Ausdruck von politischen Forderungen ist das gleiche Niveau, wie das von Nazis.