piwik no script img

Impfungen für Kinder und JugendlichePiks nur für besonders Gefährdete

Sollen auch junge Menschen bald gegen Corona geimpft werden? Die Ständige Impfkommission wird wohl auf eine solche Empfehlung verzichten.

Die Stiko wird wohl keine rasche allgemeine Empfehlung einer Impfung ab 12 Jahren empfehlen Foto: Elva Etienne/getty images

Berlin taz | Es gibt eine Gruppe, die die Zulassung des Biontech-Impfstoffs für ab 12-Jährige wohl am sehnlichsten erwartet: Kinder und Jugendliche mit schweren Vorerkrankungen und ihre Eltern. Für ein Kind mit Mukoviszidose oder geschwächtem Immunsystem ist Covid-19 eine ernsthafte Bedrohung, die Risiko-Nutzen-Abwägung einer Impfung fällt leichter. Für alle anderen Kinder und Jugendlichen ist es komplizierter.

So gibt es eine Vielzahl von Aspekten, die bei einer Impfung von Kindern zu berücksichtigen sind. Einige seien hier genannt: die Wahrscheinlichkeit, schwer zu erkranken, und die Sterblichkeit bei Kindern und Jugendlichen, die Häufigkeit von Folgeschäden wie dem Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome (Pims) oder Long-Covid, mögliche Nebenwirkungen der Impfungen, der Einfluss der Impfungen beziehungsweise ungeimpften Alterskohorten auf die Entstehung von Mutationen, die Rolle der Kinder bei der Verbreitung des Virus und das daraus entstehende Risiko für gefährdete Bevölkerungsgruppen sowie die Bedeutung der Impfung für die Herdenimmunität und nicht zuletzt für die gesellschaftliche Teilhabe der Kinder und Jugendlichen.

Bis Ende dieser Woche wird die Entscheidung der Europäischen Arneimittelbehörde (EMA) über die Zulassung des Biontech-Impfstoffs für ab 12-Jährige erwartet. Danach warten Ärz­t*in­nen üblicherweise auf die Empfehlung durch die natio­nal zuständige Ständige Impfkommission (Stiko). In dieser Woche verdichten sich nun aber die Hinweise, dass die Stiko die Impfung nicht allgemein für alle, sondern nur für besonders gefährdete Kinder und Ju­gendliche empfehlen wird. Stiko-Mitglieder berufen sich dabei in Medienberichten vor allem auf eine unzureichende Datenlage zur Sicherheit der Impfung.

„Eigentlich benötigen wir zurzeit kein allgemeines Impfprogramm, um Kinder und Jugendliche selbst vor einer ­Covid-19-Erkrankung zu schützen“, sagt auch Stiko-Mitglied Fred Zepp, bis vor Kurzem ­Direktor des Mainzer Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin, gegenüber der taz. Weil nämlich das Risiko, schwer zu erkranken, bei Kindern und Jugendlichen nachweislich deutlich geringer ist als bei Älteren, sind die Anforderungen an die Sicherheit einer Impfung hier besonders hoch.

Die Datenlage lässt noch keine Beurteilung zu

Tatsächlich umfasste die Studie, mit der Biontech die Zulassung in Europa und zuvor schon in den USA und Kanada beantragt hat, nur 2.260 Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 15 Jahren. Die Hälfte von ihnen erhielt den Impfstoff, die andere ein Placebo.

„Das reicht aus, um von einer ausreichenden Wirksamkeit des Impfstoffs auszugehen“, sagt Zepp. Aber der durchschnittliche Nachbeobachtungszeitraum von 2 bis 3 Monaten sei zu kurz, um die Risiken einer neuen Impfstofftechnologie für den heranwachsenden Organismus zuverlässig zu beurteilen. Außerdem ließen sich Daten zur Krankheitslast von Kindern und Jugendlichen aus den USA nicht ohne Weiteres auf Deutschland übertragen, weil in den USA Risikofaktoren wie etwa Adipositas in den jungen Altersgruppen verbreiteter sein.

Ein politisches Ziel für rasche Impfungen, wie die angestrebten Schulöffnungen, sind laut Zepp aus pädiatrischer Sicht kein starkes Argument. „Wir sehen nur wenige Cluster in Schulen, die meisten Infektionen von Kindern und Jugendlichen kommen eher aus dem öffentlichen Raum und den Elternhäusern“, so Zepp. Und für die seltenen Folgeerkrankungen wie Pims und Long-Covid habe sich bisher nicht gezeigt, dass eine Impfung tatsächlich davor schützt.

Eine Erklärung der Stiko ist wenige Tage nach der EMA-Zulassung zu erwarten, sagt Zepp. „Man kann sich durchaus vorstellen, dass eine Impfempfehlung für chronisch kranke Kinder gerechtfertigt ist“, bestätigt auch Zepp. Aber für eine allgemeine Impfempfehlung reichen die Daten aus seiner Sicht noch nicht aus.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Naja, mein Verständnis für die Begründung der Priorisierung ist, dass Menschen, die ein hohes Risiko haben, bei einer Infektion schlecht zu bestehen, zuerst geimpft werden sollten. Ein Faktor ist das Alter. Ein ebenso wichtiger Faktor sind verschiedene Krankheitsbilder. Entsprechend erscheint es mir logisch, dass auch diejenigen der jungen Menschen vorrangig geimpft werden sollten, die krankheitsbedingt ein höheres Risiko haben.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    "Piks nur für besonders Gefährdete

    Sollen auch junge Menschen bald gegen Corona geimpft werden? "

    Das stimmt was nicht - Gefährdete sind nicht vornehmlich unter junge Menschen zu suchen, im Gegenteil.