Impfung gegen Corona: Boostere sich, wer kann!
Deutschland frischt seine Impfungen auf. Warum ist der dritte Piks wichtig? Welcher Impfstoff ist der beste? Die taz beantwortet die wichtigsten Fragen.
Warum ist eine dritte Impfdosis gegen Corona nötig?
Die Wirkung der zweifachen Impfung beginnt etwa vier Monate nach der zweiten Dosis nachzulassen. Das ist durch Studien inzwischen gut belegt – und es war damit zu rechnen, denn viele Impfungen brauchen mehr als eine oder zwei Dosen. Das bedeutet, dass sehr viele Geimpfte sich inzwischen wieder leichter anstecken und zu einem geringeren Anteil auch wieder schwer erkranken.
Bei älteren und kranken Menschen ist der Schutz von vornherein oft nicht so gut, bei ihnen lässt der Schutz nach zwei Dosen noch schneller nach. Eine dritte Dosis bringt das Immunsystem gegen Corona aber wieder auf Zack, in dem es die zuvor gebildeten Gedächtniszellen erneut stimuliert. Studien haben gezeigt, dass vor allem die Antikörperantwort nach der dritten Dosis extrem hoch ist. Dadurch werden auch Ansteckungen effektiv verhindert.
Braucht man dann irgendwann noch eine vierte Dosis?
Das ist möglich, aber bislang nicht klar. Zwar gehen Experten davon aus, dass der sehr hohe Schutz nach dem Boostern länger hält als nach der zweiten Dosis, weil er ein noch höheres Niveau erreicht. Aber wie bei vielen anderen Impfungen auch muss das Immunsystem von Zeit zu Zeit noch mal an den Erreger erinnert werden.
Hinzu kommt die Möglichkeit weiterer Virusmutationen, die eine Auffrischung nötig machen könnten. Bislang sind die Impfstoffe nicht an die Varianten von Sars-CoV-2 angepasst worden, je stärker sich der Erreger noch verändert, desto eher entkommt er auch dem Impfschutz. So weit wie bei der Grippe, gegen die jedes Jahr neu geimpft werden muss, wird es mit Corona aber eher nicht kommen, denn Coronaviren verändern sich nicht so stark wie Grippeviren.
Mit welchem Impfstoff sollte man sich boostern lassen, Moderna oder Biontech?
Das ist egal und hängt auch nicht davon ab, womit ein Impfling vorher immunisiert wurde. Die Vakzine von Moderna und Biontech sind das Beste, was die Impfstoffforschung nach 300 Jahren hervorgebracht hat. Sie schützen als homologe, also in Reinform verabreichte Impfung hervorragend vor schweren Erkrankungen. Sie wirken genauso aber auch in Kombination mit dem jeweils anderen mRNA-Impfstoff oder den Präparaten von Astrazeneca und Johnson und Johnson. Solche heterologen Impfungen könnten sogar noch etwas stärker vor dem Virus schützen.
Nach drei Dosen eines Impfstoffs oder verschiedener Präparate beträgt der Schutz vor schwerer Erkrankung 95 Prozent und mehr – und auch eine Ansteckung wird in mindestens neun von zehn Fällen verhindert. Der Impfstoff Spikevax von Moderna könnte aufgrund seiner höheren Dosierung sogar noch einen winzigen statistischen Vorteil gegenüber Comirnaty von Biontech haben, also etwas wirksamer sein. Darauf weisen Daten von zweifach Immunisierten hin.
Aber im Einzelfall und fürs Boostern spielt das keine Rolle: Moderna ist sehr gut. Biontech ist sehr gut.
Ist nach dem Boostern mit Nebenwirkungen zu rechnen?
Es gilt das Gleiche wie für die vorangegangenen Impfungen: Es kann zu völlig normalen Impfreaktionen kommen, also Rötungen und Schmerzen an der Einstichstelle, Kopfschmerzen, bei einigen auch leichtes Fieber und Gliederschmerzen. Bei Drittimpfungen treten diese Reaktionen nicht häufiger auf als nach der zweiten Dosis. In sehr seltenen Fällen können die mRNA-Impfstoffe bei jungen Männern eine Herzmuskelentzündung auslösen, deshalb wird eine Auffrischung mit dem höher dosierten mRNA-Imfpstoff von Moderna erst ab 30 Jahren empfohlen. Davon abgesehen sind die Impfstoffe extrem sicher.
Wenn sich alle boostern lassen, wird die vierte Welle dann vor Weihnachten gebrochen?
Nein, jedenfalls nicht durchs Boostern allein. Dazu wäre es ohnehin zu spät. Selbst wenn das Impftempo jetzt noch einmal kräftig anzieht und in den vier Wochen vor Weihnachten doppelt so viele Menschen geboostert werden wie zuletzt, also vier Millionen pro Woche, bekäme bis Weihnachten nur ein gutes Drittel der bislang Geimpften die dritte Dosis. Das allein reicht nicht aus, um die Verbreitung des Virus in der Bevölkerung, auch der geimpften, zu stoppen.
Das zweite, größere Problem aber bleiben die rund 25 Millionen Menschen, die gar nicht geimpft sind. So lange diese Impflücke nicht geschlossen ist, können nur erhebliche Kontaktbeschränkungen die Verbreitung des Virus stoppen.
Welchen Sinn macht es dann überhaupt zu boostern?
Die Auffrischungsimpfung soll die Geimpften selbst sowie die Gesundheitsversorgung anderer schützen, Leben retten und einer fünften Welle vorbeugen. Wer sich boostern lässt, reduziert sein Infektionsrisiko erneut erheblich und wird mit hoher Sicherheit nicht krank. Geimpfte stecken zudem weniger Menschen an und können dadurch verhindern, dass andere schwer an Covid erkranken und womöglich an der Krankheit sterben.
Außerdem könnte eine mögliche nächste Welle weniger heftig ausfallen, wenn die Mehrheit der Bevölkerung durch eine dritte Dosis wieder besser vor Erkrankungen und Ansteckungen geschützt ist. Verhindern lässt sich die fünfte Welle aber nur, wenn bislang Ungeimpfte sich endlich schützen.
Wird es überhaupt genug Impfstoff für alle geben, jetzt, wo der Biontech-Impfstoff kontingentiert wird?
Bis zum Jahresende stehen in Deutschland 50 Millionen Dosen mRNA-Impfstoff für Erst-, Zweit- und Boosterimpfungen zur Verfügung. Selbst wenn vor den Feiertagen noch 16 Millionen Boosterimpfungen erfolgen, könnte mit dem übrigen Teil des Vorrats sogar noch die gesamte Impflücke der Ungeimpften geschlossen werden – wäre denn die Bereitschaft dazu da. Die Frage ist also abermals nicht, ob genug Impfstoff da ist, sondern ob es genug Impfwillige gibt.
Die Hausarztpraxen sind schon jetzt überlastet. Wo sonst wird noch geimpft?
Einen Booster erhält man überall dort, wo geimpft wird – und geimpft wird von Hausärzt:innen, von Betriebsärzt:innen, in Impfzentren oder von mobilen Teams. In einigen Teilen Deutschlands gibt es im Moment aber kaum eine andere Möglichkeit als den Gang in die hausärztliche Praxis. Brandenburg etwa hat alle Impfzentren im Spätsommer geschlossen und bislang nicht wieder geöffnet. Zwar gibt es täglich mobile Impfaktionen an verschiedensten Orten des Bundeslands. Zeit und Ort kann man im Netz nachgucken, ebenso, ob und welche Impfzentren im eigenen Bundesland geöffnet haben.
Wer sich aber jenseits der teils wieder geöffneten, teils noch geschlossenen Impfzentren mit Termin drittimpfen lassen will, muss zum Haus- oder Betriebsarzt – zumindest im Moment. Seit einer Weile wird auch über Impfmöglichkeiten in Apotheken diskutiert, außerdem haben Zahnärzt:innen zuletzt den Willen erklärt, in ihren Praxen zu impfen. Eine finale Entscheidung darüber steht allerdings noch aus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers