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Genau diese Details hätte man von der Regierung, die eine Impfpflicht fordert,
erwartet, dafür ist sie gewählt.
Ich fand die Debattenbeiträge teilweise sehr eloquent vorgetragen. KeineArgumente haben mich für eine Pflicht oder für eine Entpflichtung überzeugt.
Es waren viele Schilderungen der eigenen Betroffenheit (und Ohnmacht) dabei, die sich mit den Schäden befassten, die einschränkende Maßnahmen im Alltagsleben bewirken, eine Infektionsdynamik, die das Gesundheitssystem überlastet, die kritische Infrastruktur stört, die Langzeitschäden, die nicht erforscht sind, DIE Wissenschaft, die ins Feld geführt wurde.
Selten wurde ein Argument mit einer bestimmten Zahl oder Studie unterlegt, so dass man sich aussuchen konnte, was der einzelne Abgeordnete wohl weiß oder nicht weiß.
Und leider ließen sich einige Redner dazu hinreißen, Falschinformationen oder schiefe Darstellungen der Wirklichkeit zu verbreiten.
Was fehlte?
Die Rechtslage wurde nur schwach formuliert: *das geht aber nicht, *das haben wir noch nie gemacht, *so geht und wollen wir es nicht führungslos. *Es ginge doch.
Wann ist etwas erforderlich, darf nicht unterlassen werden?
Die ethische Dimension bezog sich allein auf das Impfen als Verantwortung.
Aber es wurde nicht die Frage diskutiert, ob und unter welchen Bedingungen wir
OHNE andere Maßnahmen im nächsten Winter
- vulnerable Gruppen - zu Pflegende und Hochbetagte - besser schützen, ohne sie in Isolierhaft zu zwingen, wie man gegen Vereinzelung handeln möchte,
- wie Bildungseinrichtungen funktionieren könnten,
- wie Kultur- und Erwerbsleben gegen weitere Virus-Wellen gewappnet werden können,
- wie das gesellschaftliche Zusammenleben unter einander, in Vereinen, Chören, Sport, Gastronomie, Clubs störungsfrei funktionieren kann,
all das mit der zur Disposition gestellten Übersterblichkeit Ü80 und gesundheitlichen Langzeitschäden U50.
Es nützt nichts, einen Antrag gegen eine Impfpflicht zu formulieren, ohne darauf Antworten bereitzustellen.
Es nützt nichts, eine Pflicht zu fordern, ohne das ethische oder strukturelle Ziel genauer zu benennen.
Schluß mit dem ganzen Zirkus
Die FAZ bringt es auf den Punkt: „Die Impfpflicht soll eine Ordnung wiederherstellen, die durch Verwirrung, Unübersichtlichkeit und Widersprüchlichkeit zerstört wurde. Das ist eine Illusion. Die allgemeine Impfpflicht ist eine klapprige Behelfsbrücke der Corona-Bekämpfung. .. Hier beginnen die Unwägbarkeiten. Gleichzeitig ist ein Maß an Verwirrung, Unübersichtlichkeit und Widersprüchlichkeit entstanden, das selbst den willigsten Bürger den Kopf schütteln lässt. Es sollte niemanden wundern, daß in einer so verhedderten Lage das radikale Verlangen laut wird, doch Schluß zu machen mit diesem ganzen Zirkus. Es wäre eine Illusion zu glauben, dass die allgemeine Impfpflicht die Ordnung wiederherstellen könnte, die so zerstört wurde." (FAZ v. Heute)
Ergo: Schluß mit dem ganzen Zirkus!
"Ein wirklicher Austausch, bei dem die Redner:innen auch auf Gegenargumente reagieren, kam so nicht zustande. "
Eifrig tippten viele Abgeordnete auf ihren Smartphones. Argumente schienen bekannt zu sein. Reine Showveranstaltung ohne Tiefe. Wenn die Teilnahme an einer solchen Veranstaltung größtenteils darin besteht, irgendwelche Tweets abzusetzen und Zuhören kaum angesagt war, dann soll man lieber eine Volksabstimmung machen.
Handyverbot in Bundestagssitzungen wäre jetzt die richtige Antwort.
Man kann sich diese Debatte auch schenken. Und zwar nicht weil sich irgendwer nicht "genug angestrengt" hat, sondern weil alle Argumente längst ausdiskutiert sind. Es gibt auch wahrscheinlich kaum noch Unentschiedene, egal aus welchen Gründen. Die Frage wird ohnehin reichlich hoch gehängt und das ist leider Teil der Argumentation der Impfpflichtgegner und Mutlosen. Dieses Gesetz ist nicht für die Ewigkeit gemacht und wenn zum Beispiel der Justizminister sich keine "abschließende Meinung zutraut", dann darf man das als bestenfalls Drückebergerei einordnen, eher noch als möglichst weiche Verhinderung oder Vertagung. Niemand verlangt von irgendwem eine abschließende Meinung, die kann es eigentlich auch gar nicht geben, das wäre nur blanke dumme Vorfestlegung in einer sehr veränderlichen Lage. Nein, was Buschmann spielt und Kubicki inszeniert, sind für mich nicht glaubhafte Bedenken, sondern nur Bedenkenträgerei, motiviert von einem gänzlich falschen Freiheitsbegriff und ganz sicher auch von Profilierungsabsichten.
Ich habe durchaus Sympathie dafür, dass noch keine beschlussreif ausgearbeiteten Vorschläge vorliegen. Nicht Sympathie für die Basher oder die andere-Meinung-Abqualifizierer, aber Sympathie für diejenigen, die qualifizierte Argumente/Standpunkte dafür und dagegen sammeln, werten und gegeinander gewichten. Um so eine Grundlage für eine mehrheitliche Unterstützung zu finden. Das dauert nun mal seine Zeit. Denn es geht immerhin darum, Grundrechte gegeneinander aufzuwiegen. Hier geht es nicht darum, ob die einen Recht haben, oder die anderen. Und für die, die mir antworten könnten, wir hätten diese Zeit nicht mehr: sorry, das sehe ich anders! Einige Wochen oder sogar zwei, drei Monate haben wir durchaus.
Zur Einordnung meiner Ansicht: ich bin geboostert und für eine generelle Impfpflicht.
Die einen protestieren, die anderen wollen nichts davon hören: Weil die Ampel sich nicht um Klimaschutz kümmert, driftet die Gesellschaft auseinander.
Impfpflicht-Debatte im Bundestag: Weder Ideen noch Orientierung
Ein zielführender Austausch war die Orientierungsdebatte zur Impfpflicht nicht. Die Regierungsparteien lieferten bisher keine konkreten Vorschläge.
Von der Impfdebatte im Bundestag am Mittwoch hätten sich viele mehr erhofft Foto: Kay Nietfeld/dpa
Die erste Orientierungsdebatte im Bundestag sollte etwas mehr Klarheit schaffen bei der Frage, ob eine Impfpflicht nun kommt oder nicht – und wie sie aussehen könnte. Im besten Fall hätte diese Diskussion den noch Unentschlossenen geholfen, sich fernab parteipolitischer Grenzen eine eigene Meinung zu bilden. Doch dieser Anspruch wurde nur bedingt erfüllt. Wenig überraschend war, dass sich die AfD nicht sonderlich konstruktiv zeigte; Fraktionsvorsitzende Alice Weidel sprach von „Sündenfall“, „Wählerbetrug“ und „Zivilisationsbruch“. Ein AfD-Abgeordneter jammerte auf der Tribüne über sein Dasein als Ungeimpfter. Die AfD hat es sich in der Opferrolle gemütlich gemacht, so weit, so bekannt. Pöbeln statt Argumente.
Ein besonders desolates Bild gab aber die Union ab. Statt sich mit eigenen Ideen und Argumenten hervorzutun, konzentrierten sich die meisten Abgeordneten lieber aufs Regierungsbashing. Sie warfen der Ampel vor, keinen eigenen Gesetzesentwurf vorgelegt zu haben, oder bemängelten die unzureichende Datenlage. Angesichts der Tatsache, dass die Union bis vor kurzem selbst in Regierungsverantwortung war, wirkte dieser Auftritt skurril.
Die Abgeordneten hätten viele Vorwürfe auch an sich selbst richten oder zumindest bessere Vorschläge machen können. Doch da kam nicht viel. Zwar wurde angekündigt, einen eigenen Antrag vorzubereiten – Inhalt leider unbekannt. So offenbarte sich nur, dass die Union in ihrer neuen Oppositionsrolle noch orientierungslos ist.
Differenzierter und nachdenklicher waren SPD, Grüne, FDP und Linke, aber auch dort fehlte in weiten Teilen die inhaltliche Tiefe. Das lag auch am Format selbst. Da Zwischenfragen nicht erlaubt waren, konnten sich alle Abgeordneten mehr oder weniger am eigenen Zettel abarbeiten. Ein wirklicher Austausch, bei dem die Redner:innen auch auf Gegenargumente reagieren, kam so nicht zustande. Dass eine Impfpflicht die Freiheit der Einzelnen und die der Vielen berührt, wurde in den vergangenen Wochen bereits hinreichend diskutiert. Kurz: Die Hegel- und Kantzitate sind ausgetauscht.
Worauf es jetzt ankommt, sind die Details. Natürlich ist es einfacher, gegen eine Impfpflicht zu sein. Um so mehr sollten sich die Befürworter:innen anstrengen. Wer für eine Impfpflicht argumentiert, muss sagen können, wie diese ohne Impfregister umgesetzt werden kann, wie sie rechtssicher wird, wie lange sie gelten soll und was mit Menschen passiert, die sich der Pflicht widersetzen.
Es reicht nicht, nur auf Verfassungsrechtler:innen und weitere Ausarbeitungen zu verweisen. Natürlich muss eine Orientierungsdebatte keine endgültigen Lösungsvorschläge präsentieren, aber sie muss die strittigen Punkte in den Fokus nehmen – schließlich soll bereits in wenigen Wochen über einen Gesetzentwurf abgestimmt werden.
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Schwerpunkt Coronavirus
Kommentar von
Jasmin Kalarickal
Redakteurin
Jahrgang 1984, ist Redakteurin im Parlamentsbüro der taz.
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