Impfpflicht-Debatte im Bundestag: Weder Ideen noch Orientierung

Ein zielführender Austausch war die Orientierungsdebatte zur Impfpflicht nicht. Die Regierungsparteien lieferten bisher keine konkreten Vorschläge.

Übersicht des Bundestags während der Debatte

Von der Impfdebatte im Bundestag am Mittwoch hätten sich viele mehr erhofft Foto: Kay Nietfeld/dpa

Die erste Orientierungsdebatte im Bundestag sollte etwas mehr Klarheit schaffen bei der Frage, ob eine Impfpflicht nun kommt oder nicht – und wie sie aussehen könnte. Im besten Fall hätte diese Diskussion den noch Unentschlossenen geholfen, sich fernab parteipolitischer Grenzen eine eigene Meinung zu bilden. Doch dieser Anspruch wurde nur bedingt erfüllt. Wenig überraschend war, dass sich die AfD nicht sonderlich konstruktiv zeigte; Fraktionsvorsitzende Alice Weidel sprach von „Sündenfall“, „Wählerbetrug“ und „Zivilisationsbruch“. Ein AfD-Abgeordneter jammerte auf der Tribüne über sein Dasein als Ungeimpfter. Die AfD hat es sich in der Opferrolle gemütlich gemacht, so weit, so bekannt. Pöbeln statt Argumente.

Ein besonders desolates Bild gab aber die Union ab. Statt sich mit eigenen Ideen und Argumenten hervorzutun, konzentrierten sich die meisten Abgeordneten lieber aufs Regierungsbashing. Sie warfen der Ampel vor, keinen eigenen Gesetzesentwurf vorgelegt zu haben, oder bemängelten die unzureichende Datenlage. Angesichts der Tatsache, dass die Union bis vor kurzem selbst in Regierungsverantwortung war, wirkte dieser Auftritt skurril.

Die Abgeordneten hätten viele Vorwürfe auch an sich selbst richten oder zumindest bessere Vorschläge machen können. Doch da kam nicht viel. Zwar wurde angekündigt, einen eigenen Antrag vorzubereiten – Inhalt leider unbekannt. So offenbarte sich nur, dass die Union in ihrer neuen Oppositionsrolle noch orientierungslos ist.

Differenzierter und nachdenklicher waren SPD, Grüne, FDP und Linke, aber auch dort fehlte in weiten Teilen die inhaltliche Tiefe. Das lag auch am Format selbst. Da Zwischenfragen nicht erlaubt waren, konnten sich alle Abgeordneten mehr oder weniger am eigenen Zettel abarbeiten. Ein wirklicher Austausch, bei dem die Red­ne­r:in­nen auch auf Gegenargumente reagieren, kam so nicht zustande. Dass eine Impfpflicht die Freiheit der Einzelnen und die der Vielen berührt, wurde in den vergangenen Wochen bereits hinreichend diskutiert. Kurz: Die Hegel- und Kantzitate sind ausgetauscht.

Worauf es jetzt ankommt, sind die Details. Natürlich ist es einfacher, gegen eine Impfpflicht zu sein. Um so mehr sollten sich die Be­für­wor­te­r:in­nen anstrengen. Wer für eine Impfpflicht argumentiert, muss sagen können, wie diese ohne Impfregister umgesetzt werden kann, wie sie rechtssicher wird, wie lange sie gelten soll und was mit Menschen passiert, die sich der Pflicht widersetzen.

Es reicht nicht, nur auf Ver­fas­sungs­recht­le­r:in­nen und weitere Ausarbeitungen zu verweisen. Natürlich muss eine Orientierungsdebatte keine endgültigen Lösungsvorschläge präsentieren, aber sie muss die strittigen Punkte in den Fokus nehmen – schließlich soll bereits in wenigen Wochen über einen Gesetzentwurf abgestimmt werden.

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Jahrgang 1984, ist Redakteurin im Parlamentsbüro der taz.

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