Impeachment gegen Trump: Schuldig freigesprochen
Die nötige Zweidrittel-Mehrheit im US-Senat für eine Verurteilung Donald Trumps kommt nicht zustande. Die Überraschung kam nach der Abstimmung.
Die große Überraschung kam direkt nach der Abstimmung. Schon am Morgen hatte der republikanische Fraktionschef Mitch McConnell per Mail wissen lassen, dass er für Freispruch stimmen werde. Das tat er dann auch – nur um nach dem Ende der Abstimmung im Senat die gesamte Argumentation der Anklage, dass nämlich Trump direkt für die Ereignisse des 6. Januar verantwortlich sei, in einer Rede zu unterstreichen.
Genau wie es zuvor über viele Stunden die Ankläger*innen getan hatten, warf McConnell Trump vor, monatelang Lügen und Verschwörungstheorien verbreitet und seine Anhänger*innen zu diesem Punkt gebracht zu haben, an dem sie gewaltsam das Kapitol stürmten. Auch dann habe Trump versagt, indem er nichts dafür getan habe, den Angriff zu beenden. Auch das hatten die Ankläger*innen mit vielen Beweisen als Argument für die Verurteilung angeführt.
Warum also hatte er gegen die Verurteilung gestimmt? McConnell ging zurück auf die Abstimmung zu Beginn des Verfahrens am Dienstag: Da war es darum gegangen, ob ein Impeachmentverfahren, das dazu gedacht sei, Präsidenten abzusetzen, noch durchführbar sei, wenn der Präsident gar nicht mehr im Amt ist.
McConnell versucht, die Partei von Trump zu trennen
Entgegen dem, was die Ankläger an Rechtsmeinungen und Präzedenzfällen aus der Geschichte der USA zusammengetragen hatten, unterstrich McConnell, dass die Verurteilung eines privaten Bürgers durch den Senat einem Amtsmissbrauch des Senats gleichkäme.
Immer wieder hatten Trumps Anwälte im Verfahren darauf hingewiesen, dass die Republikaner*innen, selbst wenn eine Mehrheit am Dienstag dafür gestimmt hatte, das Verfahren durchzuführen, auch ihre Ablehnung der Zuständigkeit des Senats als Grund für ein „unschuldig“-Votum nehmen könnten, unabhängig von allen sonstigen Erwägungen über Trumps Schuld.
Am Dienstag hatten sechs republikanische Senator*innen mit den Demokraten dafür gestimmt, das Impeachmentverfahren durchzuführen und die verfassungsrechtlichen Bedenken der Verteidigung zurückgewiesen. Das war ein deutliches Zeichen, dass es nicht gelingen würde, die 17 Abweichler*innen zusammenzubekommen, die es für eine Verurteilung gebraucht hätte. Immerhin einer mehr stimmte am Ende für die Verurteilung.
Für die Zukunft der Republikanischen Partei wird die Rede McConnells von größter Bedeutung sein. Denn während das Zuständigkeitsargument allen Republikaner*innen einen argumentierbaren Grund gab, gegen Trumps Verurteilung zu stimmen, ohne sich zu den Vorwürfen gegen Trump im einzelnen überhaupt zu positionieren, hat McConnell jetzt den Ton gesetzt, um die Partei von Trump zu verabschieden.
Republikaner vor risikoreicher Selbstdefinition
Man kann sicher davon ausgehen, dass viele jener 43 republikanischen Senator*innen, die für „unschuldig“ stimmten, McConnells Meinung über Trump teilen. Von den sieben, die für „schuldig“ votierten, sind einige, wie Lisa Murkowski, Mitt Romney oder Susan Collins, schon länger erklärte Trump-Gegner*innen. Andere haben bereits angekündigt, nach dem Ende ihrer aktuellen Amtszeit nicht erneut zu kandidieren – sie müssen Trumps Anstrengungen, ihnen bei den nächsten Vorwahlen starke Herausforder*innen entgegenzusetzen, nicht mehr fürchten.
Für alle anderen aber, mit Ausnahme jener wie Ted Cruz oder Rand Paul, die auch politisch fest in der Trumplinie stehen, beginnt mit McConnells Rede ein neues Kapitel der risikoreichen Selbstdefinition. McConnell, der einflussreichste republikanische Politiker in Washington, hat in seiner Rede dem Trumpismus, den er selbst vier Jahre lang als Mehrheitsführer des Senats gestützt und geschützt hat, eine klare Absage erteilt.
Ob das reicht, um die Republikanische Partei zu einem tatsächlichen Neustart zu bringen, ist vollkommen offen. Noch scheint es ebenso gut möglich zu sein, dass dieser Samstag einfach das Ende von McConnells Karriere bedeutet. Dabei wird es wichtig sein, wie die emotional wie politisch sehr starken Ausführungen der Anklage auf die US-Öffentlichkeit gewirkt haben.
Denn auch den Demokrat*innen war klar, dass die Chancen für eine Verurteilung denkbar gering waren – ihre Plädoyers waren mindestens auch, wenn nicht gar vor allem, an die Öffentlichkeit gerichtet. Zu Recht stellten sie die Beziehung zwischen der Lüge des „Wahlbetrugs“ und dem gewalttätigen Mob her, der das Kapitol stürmte. Ja, sie setzten letztlich beides gleich.
Trumpismus von der Verteidigerbank
Und dagegen argumentierte nicht einmal die Verteidigung. Der neu hinzugekommene Chefverteidiger Michael T. van der Veen ist ein Anwalt aus Philadelphia, der normalerweise versucht, für Klient*innen Schmerzensgeld von der Stadt herauszuschlagen, die sich durch Unfälle auf defekten Gehsteigen ein Bein brechen.
Er zeigte bisweilen Ähnlichkeiten mit Trumps persönlichem Anwalt Rudy Giuliani: Wütend, auf das Pult schlagend und immer wieder offenkundige Falschbehauptungen einstreuend, schimpfte er auf die Demokrat*innen, die einen autoritären Staat ohne Meinungsfreiheit würden einrichten wollen. In absurden Videozusammenschnitten, in denen demokratische Politiker*innen das Wort „fight“ benutzen, versuchte er nachzuweisen, dass Trumps Verhalten völlig normal gewesen sei.
Van der Veen erfand das Wort von der „Constitutional Cancel Culture“ – Trump also erneut ein armes Opfer von Medien, Liberalen und politisch-korrekter Eliten. Das war Trumpismus pur von der Bank der Verteidigung.
Trump selbst ließ nach Ende des Verfahrens lediglich verlauten, das Verfahren sei „eine neue Phase der größten Hexenjagd“ in der US-amerikanischen Geschichte gewesen. „Unsere historische, patriotische und schöne Bewegung, Amerika wieder großartig zu machen, hat jetzt erst angefangen“, fügte Trump hinzu.
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