Illegale Partys sorgen für Unmut: Gebt den Ravern endlich einen Acker!
Dem unbändigen Willen zur Party müssen geordnete Wege geebnet werden. Die Raver brauchen eine Freifläche in Marzahn, Oberschöneweide oder sonst wo.
D iesen Sonntag lädt der Friedrichshainer Club Kater Blau im seinem Garten zum „Acid Bingo“ und richtet sich dabei in dieser „Rentner Edition“ ausdrücklich an die etwas ältere Generation. Omas und Opas seien herzlich willkommen, heißt es. Vielleicht ist das auch ein Versuch, den Alten zu zeigen: Hey, so schlimm sind wir juvenilen Hedonisten doch gar nicht.
So eine Veranstaltung müsste eigentlich irgendeinen Friedenspreis verliehen bekommen, denn der Zoff zwischen jungen Partypeople und Leuten, die zuletzt im vorherigen Jahrtausend feiern waren, artet ja langsam gehörig aus. Die Kommentare zu den diversen Artikeln zum letzten illegalen Rave in der Hasenheide zeigten, dass Jugendliche auf der Suche nach ein bisschen Spaß nicht mehr mit Verständnis rechnen sollten.
Vor allem im Tagesspiegel entlud sich die Wut empörter LeserInnen. Die Jugendlichen haben nur poppen und chillen im Sinn, las ich dort. Sie verwüsten unsere schönen Parks und pinkeln alles voll. Die Musikanlagen sollten nicht nur konfisziert, sondern gleich zerstört werden. Einmal illegal raven: 5.000 Euro Strafe, mindestens. Mit dem Wasserwerfer rein in die Party, dann ist schnell Schluss mit dem Treiben … So ein Zeug wurde da geschrieben. Und: Bei Trump und Putin würde es so etwas nicht geben. Fehlte nur noch die Bemerkung: Unter Adolf Hitler hätten die sich so etwas nicht getraut. Vielleicht habe ich die aber auch einfach nur überlesen.
Jedenfalls muss sich jetzt schleunigst etwas tun. Dem ganz offensichtlich unbändigen Willen zur Party müssen geordnete Wege geebnet werden, sonst bilden die Parkschützer bald Bürgerwehren oder prügeln die Feiernden eigenhändig aus den Parks. Die Raver brauchen endlich irgendeinen abgelegenen Acker in Marzahn, Oberschöneweide oder sonst wo, auf dem sie chillen, poppen und alles zumüllen können, wie sie wollen!
Ein Bezirk nach dem anderen winkt ab
Aber langsam glaube ich, dass wir die Einrichtung einer temporären autonomen Partyzone diesen Sommer nicht mehr erleben werden. Scheint niemand haben zu wollen, die Raver. Ein Bezirk nach dem anderen winkt dankend ab. Und bald schon rollt wahrscheinlich die zweite Coronawelle auf uns zu und dann kommt der Herbst und dann der Winter – und Open-Air-Raves, bei denen man Daunenjacken benötigt, will wahrscheinlich auch niemand besuchen.
Ich denke, es wäre jetzt aber auch an der Zeit, die Clubs in die Verantwortung zu nehmen. Ihre Klientel lässt in den Parks die Sau raus, die Berliner Wutbürger drehen deshalb schier durch – und in den Clubs servieren sie in ihren Gärten Pizza und deren Betreiber drehen ansonsten Däumchen oder starten die nächste Crowdfunding-Kampagne zur eigenen Rettung. Partys zu veranstalten lohnt sich nicht finanziell und dann noch diese nervigen Hygienevorschriften …
Clubs, ihr habt jetzt die Aufgabe zur Befriedung der Bevölkerung zu übernehmen, nehmt das bitte mal ernst! Die Lage ist so ernst, dass es inzwischen gar von öffentlichem Interesse sein sollte, dass endlich wieder dort getanzt werden kann, wo das niemanden zum Ruf nach einem Wasserwerfer verleitet: nämlich in den Clubs.
Die Politik steigt dann eben mit ein in die Partybranche und subventioniert die Raves, das fände ich einmal eine sinnvolle Maßnahme. Meinetwegen könnte man sich dann ja sogar darauf einigen, dass Kultursenator Klaus Lederer bei der Auswahl der DJs ein Wörtchen mitreden dürfte. Der kennt sich ja anscheinend ein wenig aus als angeblich regelmäßiger Berghain-Gänger. Ein paar Euro Zuschuss beim Eintrittspreis und schön hätten wenigstens ein paar Feierwillige weniger das Bedürfnis, nachts die Hasenheide zu verwüsten, weil sie sonst nirgendwo tanzen können. Und Bingo spielen könnte man Sonntagabend im Clubgarten ja trotzdem auch weiterhin.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren