Humanitäre Lage im Gazastreifen: Neue Straßen für Gaza – aber kaum humanitäre Güter
Die USA stellten Israel eine Frist von einem Monat, um die humanitäre Lage in Gaza zu verbessern. Nun läuft die Zeit ab. Was hat sich seitdem getan?
In einem Brief vom 13. Oktober hatte die US-Regierung mehr als ein Dutzend konkrete Maßnahmen aufgelistet, um die „sich verschlechternde humanitäre Situation in Gaza“ zu verbessern. Ein Nichterfüllen könnte eine temporäre Aussetzung von Waffen- und Munitionslieferungen aus den USA nach sich ziehen.
Besonders im Norden des Küstenstreifens beschreiben UN-Organisationen und humanitäre Hilfswerke die Lage seit Wochen als „apokalyptisch“. Seit Anfang Oktober geht die Armee in den Orten Beit Hanun, Beit Lahia und Dschabalia massiv militärisch vor. Das Gebiet ist weitgehend von der Außenwelt abgeschnitten.
Experten warnen vor Hungersnot
Am Freitag warnte eine Gruppe unabhängiger Experten der sogenannten IPC-Initiative, die sich mit Ernährungssicherheit befasst: „Mit hoher Wahrscheinlichkeit steht eine Hungersnot kurz bevor.“ In der Erklärung der Hilfsorganisationen von Dienstag hieß es, dass sich noch immer zwischen 75.000 und 95.000 Menschen ohne Nahrungsmittel oder Medikamente in den abgeriegelten Gebieten aufhielten.
In der vergangenen Woche sagte Matthew Miller, Sprecher des US-Außenministeriums, Israel habe mit der Eröffnung eines neuen Grenzübergangs ins Zentrum des Gazastreifens Fortschritte gezeigt. Es reiche aber nicht, neue Straßen zu eröffnen, wenn auf ihnen keine Hilfslieferungen transportiert würden.
Die Menge der humanitären Hilfe, die in den Gazastreifen gelangte, fiel trotz des Ultimatums zuletzt auf einen neuen Tiefststand. Im gesamten Oktober erreichten laut israelischen Angaben lediglich 25.155 Tonnen Nahrungsmittel den Küstenstreifen, verglichen mit mehr als 117.000 Tonnen im Mai. Während mehrerer israelischer Feiertage im Oktober blieben die Übergänge geschlossen.
Israel bestreitet, humanitäre Hilfe zurückzuhalten, und beschuldigt die Hilfsorganisationen, diese nicht schnell genug zu verteilen. Israls UN-Botschafter Danny Danon sagte der Jerusalem Post, es gebe eine Lücke zwischen der Realität und den Erklärungen einiger Hilfsorganisationen.
Fehlende Genehmigungen für Fahrer von Hilfs-Lkws
UN-Vertreter hingegen beklagen, dass Hilfstransporte innerhalb des Gazastreifens von israelischer Seite behindert würden: Häufig würden Koordinierungsanträge für humanitäre Missionen abgelehnt oder bereits genehmigte Missionen behindert.
Und es fehle an Fahrern, denn die für die Koordinierung von humanitärer Hilfe zuständige Cogat-Behörde habe seit Mai nur rund 10 Prozent der beantragten Genehmigungen für Fahrer bestätigt, berichtet der britische Guardian. Innerhalb des Küstenstreifens würden die Lieferungen zudem häufig von kriminellen Banden geplündert, berichtet unter anderem die israelische Zeitung Haaretz unter Berufung auf UN-Vertreter.
Am Sonntagabend beschloss Israels Sicherheitskabinett kurz vor dem Ende der US-Frist mehrere Maßnahmen, darunter eine nicht näher spezifizierte Steigerung der Hilfslieferungen. Ein israelischer Vertreter sagte dem US-Nachrichtenportal Axios, Israel werde die von den USA geforderten 350 Lkws pro Tag nicht erreichen. Mehrere Minister hatten während des Treffens laut dem TV-Sender Kanal 13 gefordert, vor der Amtsübernahme Donald Trumps als US-Präsident im Januar nichts mehr zu unternehmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga