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Horrende Zinsen bei StudienkreditenHäus­le­baue­r*in muss man sein

Simon Poelchau
Kommentar von Simon Poelchau

Zumindest müsste man nur einen halb so hohen KfW-Kredit zahlen wie Studierende. Warum die Ampel-Koalition hier falsche Prioritäten setzt.

Studieren muss man sich leisten können. Hohe Zinsen für Studienkredite machen das nicht leicht

W enn das Geld knapp ist, muss man bekanntlich jeden Cent zweimal umdrehen. Studierende aus weniger begüterten Elternhäusern wissen das häufig besonders gut. Mal am Wochenende mit Freun­d*in­nen Party machen oder sich die Woche darauf mehr leisten zu können als Kartoffeln mit Quark, gehört da schon zu den angenehmeren Entscheidungen. Die staatliche Förderbank KfW hat die Situation von vielen Studierenden dabei noch verschärft. Sie zog die Zinsen für Studienkredite innerhalb von wenigen Monaten von 0,00 auf effektiv 9,01 Prozent an.

Natürlich steigen gerade überall die Zinsen. Das ist geldpolitisch auch gewollt. Mit der Anhebung der Leitzinsen versucht die Europäische Zentralbank die Inflation zu bekämpfen. Die Konsequenz ist notwendigerweise, dass auch die KfW ihre Zinsen anhebt. Doch 9,01 Prozent für einen Studienkredit ist weit davon entfernt, verhältnismäßig zu sein.

Zum Vergleich: Für Häus­le­baue­r*in­nen sind die Zinsen derzeit im Schnitt nur halb so hoch. Und besonders kritisch für Studierende ist, dass der Zinssatz nicht fest, sondern variabel sein kann. Das heißt, er kann sich jederzeit ändern, theoretisch sogar noch steigen, die Betroffenen haben keine Sicherheit bei den Kosten.

Folglich ist es richtig, wenn Po­li­ti­ke­r*in­nen wie der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Oliver Kaczmarek, die KfW auffordern, die Zinserhöhung rückgängig zu machen. Schließlich sind auf diese Kredite vornehmlich Studierende angewiesen, die nicht aus einem reichen Elternhaus kommen. Mit steigenden Zinsen steigt für sie das Risiko, in eine Schuldenfalle zu geraten. Die Höhe der Zinsen ist damit eine Frage der sozialen Gerechtigkeit.

Letztlich liegt die Verantwortung bei der Ampelkoalition. Die KfW als staatliche Förderbank untersteht letztlich der Weisungsbefugnis der Politik, genauer: des Bundesfinanzministeriums. Wenn die Ampelkoalition also zulässt, dass die KfW von Studierenden horrende Zinsen verlangt und gleichzeitig über sie großzügig Häus­le­baue­r*in­nen fördert, dann setzt sie die falschen Prioritäten.

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Simon Poelchau
Redakteur
ist für Ökonomie im taz-Ressort Wirtschaft und Umwelt zuständig.
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12 Kommentare

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  • @RUDOLF FISSNER

    Aber hier geht es um die KfW. Und die ist nun mal unter FDP-Schirm.

  • KFW folgt offensichtlich bei Vergabe unbesicherter Studentenkredite unselige Philosophier globaler Mikrokreditszene, bei hohen Suizid Raten unter Kreditnehmern, wenn dabei ganze Dorfgemeinschaften kollektiv in Haftung stehen, je niedriger die Darlehnssumme Nominale desto höher der variable Zinssatz/anno über das Niveau von Dispo-Kreditzinsen hinaus?



    RUDOLF FISSNER

    • @Joachim Petrick:

      Weshalb wird die Zinshöhe bei der Kreditvergabe nicht an den Zukunftsperspektiven des Studienfachs gekoppelt ? Mint-Studiengänge inklusive Lehramt und Medizin bekommen eine 0% Finanzierung und bei Abschluss einen Erlass von 50 % (Bachelor) und 100% (Master). Der Rest wird einer Staffelung unterworfen. Wer meint in die Arbeitslosigkeit reinstudieren zu müssen soll dementsprechend auch mit den damit verbundenen Risiken leben.

      Schon ist das Problem gelöst und alle Parteien sind zufrieden.

  • Was sagt die KfW selber dazu!

    "Darum sind die Zinsen beim KfW-Studienkredit höher als bei anderen KfW-Krediten:

    Der KfW-Studienkredit ist kein klassischer Förder­kredit. Das bedeutet, dass die KfW den Kredit ohne die Einbindung von Haushalts­geldern des Bundes aus eigenen Mitteln bereitstellt. Die KfW muss daher über den Zins­satz die Kosten für die ordnungs­gemäße Abwicklung des Kredites sowie zur Über­nahme der Ausfall­risiken decken.

    Darüber hinaus ist die Beantragung des KfW-Studienkredits unabhängig vom Vermögen oder Einkommen (vom eigenen wie auch dem der Eltern) und es müssen keine Sicherheiten gestellt werden. Der Studienkredit bietet viele Wahlmöglichkeiten bei der Ausgestaltung der Auszahlungen und Tilgungszahlungen, d.h. sowohl in der Auszahlungs- als auch in der Rückzahlungsphase können die monatlichen Beträge flexibel angepasst werden. Ein pauschaler Vergleich mit anderen Kreditformen (wie Baudarlehen oder Dispokrediten) ist deshalb nicht ohne Weiteres möglich."

    www.kfw.de/inlands...)/?redirect=649475

  • Die KfW orientiert sich am Leitzins EURIBOR der Europäischen Zentralbank. Und sie muss beim Studienkredit zusätzlich Ausfallszenarien einpreisen. Beim Bildungskredit übernimmt der Staat die Ausfallgarantien, deswegen sind die Zinsen dort deutlich geringer.

    www.kfw.de/%C3%9Cb...Studienkredit.html

    Wir leben halt in turbulenten Zeiten.

  • Auch wenn das Finanzministerium die Rechtsaufsicht über die KfW ausübt, werden die Finanzierungs-Aufgaben der



    KfW durch die Bundesregierung zugewiesen, dh. mit Ausgestaltung u.



    Kreditbedingungen hat das Finanzministerium wohl eher weniger



    zu tun als das verantwortliche Bildungs-



    ministerium. Gern lass ich mich von



    Insidern eines Besseren belehren.

  • Bildung unerwünscht. Danke, FDP!

    • @tomás zerolo:

      Sie haben also den Rest der Ampel auch schon völlig abgeschrieben bei der Gestaltung der Politik und sehen nur noch die GDP als gestaltend an? 🤪

      Abe ich glaube Sie täuschen sich, auch die Forderungen der FDP, einen stärkeren Fokus auf die Bildung zu legen, finden kein Gehör.

  • "Häus­le­baue­r*in muss man sein"

    So ein Fazit ist zynisch. Warten wir mal fünf Jahre bei hohen Zinsen ab. Dann gehen alle Hauskredite mit Baukindergeld in die Verlängerung. Da kommt noch ein böses Erwachen mit einer ganzen Reihe von Zwangsversteigerungen und persönlichen Schicksalen. Es wird dabei vor allem Familien treffen.

    Und die Tatsache, dass ein unbesicherter Kredit höher verzinst wird als ein besicherter macht noch lange keinen Skandal.

  • Ja, die Zinsen sind zu hoch, aber Mittel zur Reduktion müssten wohl vom Bildungsministerium kommen, denn darum gehts, Leute beim Studium zu unterstützen.

    Ehrlicherweise muss man auch sagen, dass im Gegensatz zu einem Baudarlehen keine Sicherheiten gefordert werden und das Risiko kostet natürlich. Bei Zahlungsausfall gibt es nichts zur Zwangsversteigerung.

  • "Wenn die Ampelkoalition also zulässt, dass die KfW von Studierenden horrende Zinsen verlangt und gleichzeitig über sie großzügig Häus­le­baue­r*in­nen fördert, dann setzt sie die falschen Prioritäten."



    Sie setzt genau die richtigen Prioritäten. Zuständig in der Ampelkoalition ist Herr Lindner von der FDP, der ist bislang nicht bekannt für eine soziale Politik, sondern der braucht das Geld für die Unterstützung der Großkonzerne. Seit wann sollen denn die studierenden Kinder armer Eltern gefördert werden? Das war mal kurzfristig in den sechziger und siebziger Jahren ein Bestreben der Politik. Lang ist es her. Die Armen sollen arbeiten gehen, allenfalls eine gewerbliche Lehre absolvieren. Wo kämen wir denn da hin, wenn Hinz und Kunz studieren könnten! Das würde ja das gesamte soziale Gefüge durcheinander bringen, denn da gab es immer schon arm und reich, oben und unten, und das soll gefälligst so bleiben.

  • "Die KfW als staatliche Förderbank untersteht letztlich der Weisungsbefugnis der Politik, genauer: des Bundesfinanzministeriums."

    Und wer ist der oberste Chef der Finanzen? Warum passiert das so? Damit die Kinder der Reichen leichter an einen Studienplatz kommen, mehr Platz im Vorlesungssaal!

    Die schlaue Konkurrenz aus der Unterschicht ist bei 9 Prozent Studienkreditverzinsung und dem aktuell sehr mickrigem Bafög ganz leicht vom Studieren abzubringen. Bei 20 -30.000 Euro Studienkreditschulden bezahlen die examinierte Hebamme/der diplomierte Ingenieur aus der Unterschicht locker 20 Jahre ihren Kredit inklusive Zinsen ab.

    Allein die Zinsen betragen bei 30.000 Euro Studienkredit zu 9 Prozent 2700 Euro pro Jahr! Ohne einen einzigen Euro Tilgung. Bei Arbeitslosigkeit/Kinderpause verdoppeln sich also nach 10 Jahren die Studienschulden auf 60.000 Euro.

    Die perfekte Schuldenfalle für die schlauen Kinder aus der Unterschicht.

    Da freut sich das Bundesfinanzministerium, soo viele schlaue Schuldgeldsklaven produzieren zu können.







    Man könnte meinen, das Bundesfinanzministerium trägt zur Sozialen Ungleichheit, zur strukturellen Verarmung breiter Bevölkerungskreise ganz bewußt bei.