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„Hofnarr“-Äußerung über Joe ChialoOlaf Scholz ist kein Rassist

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die „Hofnarr“-Affäre ist kein Skandal, sondern erzählt viel über Kampagnenjournalismus. Das Image von Kanzler Scholz hat trotzdem Kratzer bekommen.

Mitten in der Hochphase des Wahlkampfs muss sich Kanzler Olaf Scholz mit Rassismus-Vorwürfen auseinandersetzen

K anzler Olaf Scholz hat den Berliner CDU-Kultursenator Joe Chialo auf einer privaten Party am 2. Februar als „Hofnarr“ der CDU bezeichnet. Der Focus versucht dies als rassistische Beleidigung zu skandalisieren. Scholz, so insinuiert das Medium, habe Chialo als schwarzem Politiker vorgeworfen, der Union als Feigenblatt für die Annäherung der Merz-Union an die AfD zu dienen.

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Der Kanzler – ein Rassist? Das ist ein gravierender Vorwurf. Er stimmt nicht. Rassistisch wäre es gewesen, Chialo persönlich wegen seiner Hautfarbe anzugreifen und eine Rolle zuzuweisen. So war es offenbar nicht. Der Kanzler hat Chialo als Vertreter des liberalen Flügels der Christdemokraten kritisiert, die Merz' Schwenk Richtung AfD stumm verfolgten. Das ist ein wesentlicher Unterschied. Chialo betont nun in einer Erklärung, „Scholz nicht für einen Rassisten zu halten“, gleichwohl sei seine Kritik „herabwürdigend und verletzend“ gewesen.

Und jetzt? Offenbar hat Kampagenjournalismus Konjunktur. Focus-Chefredakteur Georg Meck, der bei dem Gespräch am 2. Februar dabei war, musste offenbar 10 Tage lang grübeln, ob das publizierbar war. Oder hat er gewartet, um näher am Wahltermin zu sein? Misstrauisch macht, dass der Focus eine Neigung zu laxem Umgang mit der Wahrheit hat, wenn es um die SPD geht.

Die Merz-Union hat im Bundestag die AfD und deren offenen Rassismus salonfähig gemacht. Dieses Tor ist offen – egal, wie oft Friedrich Merz beteuert, dass da nie ein Tor war. Scholz war Anfang Februar fassungslos entsetzt, dass die Union aus purem Wahlkampfkalkül mit Rechtsextremen paktierte. Er hat sich aus Empörung zu ein paar harten Worten hinreißen lassen. Inhaltlich war die Kritik an dem liberalen CDUler richtig. Für einen Bundeskanzler war die Wortwahl gleichwohl zu hart.

Wer hat den Schaden? Die Union wirkt skrupellos, weil sie den vermeintlichen Skandal gierig ausnutzen wollte. Scholz will ruhig, nervenstark und besonnen wirken – wie das Gegenbild des wankelmütigen Merz. Dieses Image hat Kratzer.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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12 Kommentare

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  • Kampagnenjournalismus beklagen und in dem Artikel schreiben:

    taz.de/Kritik-an-S...3905&s=s%C3%B6der/

    • @Strolch:

      Mein Kommentar ging etwas zu schnell raus: Ja, die Presse macht zuviel Kampagnen. Im Ergebnis ist der Autor aber mehr sauer, dass diese Kampagne verfangen hat und andere (wie die verlinkte) nicht verfangen haben, da sie zu weit weg waren. Auch die Kommentare zeigen es hier. Da wird Merz ganz zwanglos als Nazi bezeichnet (Frank R.) und das ist alles ok. Scholz = Rassist, sicher nein. Ich stelle einfach nochmal die Frage, hätte die taz keine Kampagne daraus gemacht, wenn Merz derjenige gewesen wäre, der einen schwarzen SPD-Politiker so beleidigt hätte? Nein, man hätte sich drauf gestürzt.

      Es wäre einfach gut, die Empörung mal stecken zu lassen - aber auch beim politischen Gegner. Aber der Zug ist abgefahren.

  • Kampagne hin oder her. Wie kann man sich in Anwesenheit von Bildzeitung oder Fokus nicht zurückhalten und emotional so exponieren?



    Ist der denn bescheuert? Ich befürchte!

  • Fakten-Fakten ... kennste Focus?

    Brauchen wir das oder kann das weg? kann weg!

  • In diesem Wahlkampf liegen die Nerven ja wirklich blank.

    An diesem Beispiel, das für vieles steht, wird daneben deutlich, dass an der Entwicklung in der Gesellschaft Medien eine erhebliche Verantwortung mittragen.

    Traurig.

  • wär auch fast auffällig, wenn Scholz keine Kampagne abbekommen hätte.



    sympathisch, dass ihn ein Journalist mal einen emotional unaufgeladenen Kommentar widmet.

  • Natürlich ist Olaf Scholz kein Rassist.



    Genauso wenig wie Friedrich Merz kein Nazi ist.

  • Danke für diese Richtigstellung.



    Frage mich zwar warum alle meine Kommentare die das selbe sagen in der Schleife hängen aber ist evtl viel zu tun.



    Ich kann immer noch und immer wieder nicht fassen warum normal denkende (also nicht allzu Nazinah) Menschen sich so schwer damit tun was Rassismus ist.



    Da wird sich am Begriff und allen hochgezogen und von Cancel Culture gelabert.



    Fakt ist: es spielt für den (moralischen) Tatbestand "Rassismus" keine Rolle was man über eine Person sagt. Es ist rassistisch sobald man es aufgrund ihrer Hautfarbe sagt.



    Das ist persönlicher Rassismus wie er mir von Betroffenen beschrieben wurde.

    Was Scholz gemacht hat war nicht rassistisch (ob und wie sehr er das ist - keine Ahnung), es war schlicht schlechter Stil und undiplomatisch.



    Das ist es was daran unwürdig für einen Kanzler ist - aber er hat die Vertrauensfrage ja schon gestellt.



    Er hätte seine Kritik nie auf die Person Joe Chialo beziehen sollen sondern auf die CDU.



    Auch Leute die (falls es denn so war) aus Quotengründen an ein Amt kommen, können dort hervorragende Arbeit leisten.



    Und diese Arbeit zu bewerten ist das Äußerste was man dazu sagen sollte.

  • Ich glaube auch nicht dass Scholz ein Rassist ist, trotzdem sollte er sich überlegen was er sagt. Allerdings, hätte Merz genau das gleiche gesagt,wäre hier wohl ein Shitstorm wegen Rassismus über ihn hereingebrochen.

  • Natürlich ist Scholz kein Rassist und das ein typisch deutscher Wahlkampf. Lügen und Hetze seitens der Rechtsradikalen mit und ohne Anzug. Die Folgen sieht man auch jetzt wieder in München und es wird leider zunehmend diese Meldungen geben. Medialer Hass und Gewalt erzeugen Hass und Gewalt.

  • Wenn Scholz nach Bekanntwerden gesagt hätte "Sorry, missverständlich ausgedrückt" wäre alles ruhig geblieben. Seine Reaktion inkl. sein Staranwalt machen die Sache nur schlimmer. Chialo hat klargestellt, dass er Scholz nicht für einen Rassisten hält, sich aber persönlich verletzt und herabgesetzt fühlt. Nachvollziehbar.



    Seit Monaten arbeitet sich Scholz an Merz und die CDU ab. Ähnlich hat es Harris in den USA mit den Republikanern und Trump gemacht. Ging fürchterlich schief.

  • Welches Image von Scholz soll denn bitte einen Kratzer abbekommen?



    Das Merkel-Stillstand-Fortsetzungs-Image? Das Ukraine-Unterstützungs-Verzögerer-Image? Oder das Banken-Korruptions-Erinnerungslücken-Image?



    Wer außer Stammwählern ohne Internetanschluss noch eine Scholz-SPD wählen soll, ist mir schleierhaft.