"Heimathafen" entschuldigt sich: Entgleiste Gestik

Ein als rassistisch interpretiertes Foto hat dem Heimathafen Neukölln heftige Vorwürfe eingebracht. Dafür haben sich die Macherinnen nun öffentlich entschuldigt. Reicht das?

Den Konflikt einfach weglachen? Geht gar nicht, finden die Kritiker des Heimathafens Bild: dpa

Rassismus ist nicht immer einfach zu erkennen. Zwar sympathisiert die große Masse der Deutschen nicht mit prügelnden Neonazis und plattestem „Ausländerhass“. Aber im Alltag wird es schwierig: Viele „Biodeutsche“ kaufen zwar gern „beim Türken“, möchten aber doch lieber nicht so viele „Migrantenkinder“ in der Klasse ihrer Sprösslinge. So manche gut gekleidete Dame nimmt im Bus ihre Handtasche fest vor die Brust, sobald ein als „Zigeuner“ identifizierter Mensch zusteigt. Selbst der wohlmeinende Satz „Sie sprechen aber gut Deutsch“ wird von Adressaten bisweilen als rassistisch verstanden. Schließlich schwingt in dem Lob die Unterstellung mit, ein schwarzer – oder asiatischer oder arabischer – Mensch könne der deutschen Sprache grundsätzlich weniger gut mächtig sein.

Mangelnde Sensibilität

Dass es Angehörigen der hiesigen Mehrheitsgesellschaft in Sachen Alltagsrassismus bisweilen an Sensibilität fehlt, zeigt ein Vorfall im Heimathafen Neukölln. Auf einer Pinnwand war dort als Teil der Aktion „I love NK – Neukölln wird in die Welt getragen“ bis Anfang Februar ein Foto zu sehen, das in der migrantischen Community Berlins Wellen geschlagen hat. Das Bild zeigt eine blonde Frau vor asiatischer Kulisse, die ihre Augen mit den Fingern zu Schlitzen verzieht.

Diese Geste kann auf „migrantische“ Menschen höchst verletzend wirken – ist doch das „Schlitzauge“ eine abwertend gemeinte Bezeichnung, die eine kolonial-rassistische Tradition hat. So schrieb eine Hamburgerin in einer Mail an das Theater: „Als eine aus Asien stammende Mitbürgerin trifft mich das Foto sehr. Sowohl in meiner Schulzeit als auch später als junge Erwachsene wurde ich in Deutschland – auf dem Schulhof, auf der Straße, in öffentlichen Verkehrsmitteln, am Arbeitsplatz – aufgrund meines asiatischen Aussehens nicht selten gehänselt und schikaniert.“

Auf Beschwerden dieser Art reagierte die Heimathafen-Geschäftsführerin Stefanie Aehnelt zunächst flapsig. „Wir legen Wert auf inhaltlichen Idealismus und wollen uns nicht an oberflächlicher political correctness oder Dogmen aufhalten“, schrieb sie in einer Antwortmail. „Wir begegnen allen Kulturen mit Respekt und Humor – einschließlich unserer eigenen. Das ist Volkstheater im besten Sinne. Und das ist Neukölln“, schrieb sie per Mail an eine weitere Beschwerdeführerin. Zwar wurde das Foto, als sich die Beschwerden häuften, nach gut einer Woche abgehängt – und Aehnelt entschuldigte sich bei Betroffenen, „wenn Sie sich durch das Foto persönlich verletzt gefühlt haben“. Was sie verschwieg: Sie selbst ist die Frau auf dem Foto.

Erst als die taz diesbezüglich nachfragte, entschloss sich das aus fünf Frauen bestehende Leitungskollektiv des Volkstheaters am Mittwoch, sich öffentlich zu entschuldigen. „Wir haben erkannt, dass die dargestellte Geste eine Form von Alltagsrassismus ist und verletzend wirken kann. Gerade als Theater, das sich inhaltlich viel mit Multikulturalität beschäftigt, hätten wir die Sensibilität haben sollen, dies zu erkennen. Wir glauben, dass es wichtig ist, Sprache und Gestik immer wieder auf ihre denunzierende Wirkung zu hinterfragen“, heißt es in einer Stellungnahme.

Gegenüber der taz bedauerten zwei der Mitglieder des künstlerischen Leitungsteams – Aehnelt selbst sei zurzeit im Urlaub – den ganzen Vorgang: „Es tut uns leid, dass wir erst von außen darauf aufmerksam gemacht werden mussten“, sagte Julia von Schacky. Auch Aehnelt habe nach den ersten Beschwerden sofort eingesehen, dass das Foto ein Fehler war. „Wir haben das jetzt vielleicht etwas klarer formuliert.“ Sie alle habe das Thema Alltagsrassismus in den vergangenen Wochen sehr beschäftigt, „und wir überlegen auch, ob wir es künstlerisch aufgreifen“, so Schacky. Darüber hinaus sei es durchaus denkbar, im Heimathafen eine Diskussionsveranstaltung dazu zu veranstalten, ergänzte ihre Kollegin Nicole Oder.

Die Idee zu Letzterem hatten Migrantenorganisationen ins Spiel gebracht – in einem offenen Brief an den Heimathafen, den inzwischen rund 40 Organisationen und mehr als 50 Einzelpersonen unterschrieben haben. Die Unterzeichner beschweren sich darin über die „zynisch wirkenden Antworten“ von Aehnelt zu Beginn der Debatte.

Die nun erfolgte Entschuldigung der Theatermacherinnen begrüßt Kien Nghi Ha, Mitglied des Vereins Korientation und einer der Initiatoren des Offenen Briefs, als „gut und wichtig“. Allerdings, fragt Ha: „Warum erst jetzt?“

Die Theaterfrauen sagen, ihnen sei erst im Verlaufe der Debatte in den letzten Wochen klar geworden, „dass es nicht reicht, sich direkt bei den Kritikern zu entschuldigen“, wie Sprecherin Lucia Seldeneck erklärt. Daher gehe man erst jetzt damit an die Öffentlichkeit. „Das war ein Erfahrungsprozess in der Kommunikation mit unseren Kritikern“, ergänzt Julia von Schacky.

Weitere Aufklärung

Ausgestanden ist die Affäre noch nicht: Eine „Aktionsgruppe Heimathafen“ rund um die Vereine Korientation, Bühnenwatch und Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland will trotz des Mea Culpa am Samstag im Heimathafen auflaufen. „Sie haben ja gesagt, dass sie das Gespräch wollen. Darum werden wir kommen, um die weitere Aufklärung zu unterstützen“, so Ha.

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