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Haushaltsüberschuss in DeutschlandFinanzielle Schizophrenie

Hannes Koch
Kommentar von Hannes Koch

Klimaschutz, Energiewende, In­fra­struktur – dafür braucht der Staat Geld. Steuersenkungen sind da nicht angesagt.

Es geht um Zukunftsfähigkeit: U-Bahn-Station Savignystraße in Essen Foto: Rupert Oberhäuser/imago-images

W er politische Forderungen aufstellt, tut gut daran, die großen Debatten zu berücksichtigen. Worüber redet diese Gesellschaft augenblicklich? Klima, Energiewende, schlechtes Internet auf dem Land, abgehängte Gebiete, Differenzen zwischen West- und Ostdeutschland. Vermeintlich zu hohe Steuern für Bürger*innen und Unternehmen stehen nicht im Fokus. Dieser Befund kann helfen bei der Frage, was mit dem neuerlichen Überschuss im Bundeshaushalt anzufangen wäre.

Mit 13,5 Milliarden Euro hat der Bund 2019 den höchsten Haushaltsüberschuss seit der Wiedervereinigung verbucht. Trotz weltwirtschaftlicher Probleme lief die deutsche Ökonomie unter dem Strich gut. In einer solchen Situation kann man Steuersenkungen fordern, wie es FDP und Teile der Union tun. Dem wohnt zwar eine gewisse Plausibilität inne. Die USA haben ihre Gewinnsteuern für Unternehmen gesenkt, andere reiche Länder ebenso. Wer will, mag darin einen wachsenden Nachteil deutscher Firmen in der internationalen Konkurrenz sehen. Die eigentlichen Probleme der hiesigen Exportwirtschaft liegen jedoch nicht auf der Kostenseite, sondern in strukturellen Umbrüchen: So muss die Autoindustrie ihre Modellpalette elektrifizieren.

Wie die großen politischen Diskussionen nahelegen, geht es jetzt vornehmlich um Zukunftsfähigkeit. In­fra­struktur, Energieversorgung und öffentliche Dienstleistungen sind nicht auf der Höhe der Zeit. Für diese Herausforderungen braucht der Staat Geld, das er nicht leichtfertig für Steuersenkungen ausgeben sollte. Dabei ist es kein Gegenargument, dass derzeit etliche Milliarden Euro vor allem in Bundesländern und Kommunen wegen der immer noch schlechten personellen Ausstattung der Planungsabteilungen nicht ausgegeben werden.

Dieser Zustand ändert sich nur, wenn die begonnene Investitionsoffensive anhält. Nur dann hat es für Länder und Gemeinden Sinn, neue Planerinnen und Planer einzustellen. Diesen Bedarf zu kennen, das staatliche Geld aber in Steuersenkungen zu stecken, wäre eine Art finan­zieller Schizophrenie.

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Hannes Koch
Freier Autor
Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.
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10 Kommentare

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  • Die Naivität und gleichzeitige Pfründesicherung der Edelmenschen mit taz-Abo ist nur noch lächerlich.

    Steuersenkungen sind Symbolpolitik um eben solche ehemaligen Salonrevolutionäre bei Laune zu halten. Warum sollte ein frommer neoliberal Glaubender denn überhaupt Steuern zahlen? Das tun sie doch jetzt auch nicht. Solange in der BRD nur Steuerverkürzer und -flüchtlinge sozial anerkannt werden als "Leistungsträger", ist doch jegliche Debatte um Steuersenkungen absurd.

    Aber wahrscheinlich schlummert in diesen Bessermenschen noch ein wenig der alte christliche Glaube an das Fegefeuer und die Hölle. So denken sie, dass sie sich mit ein bisschen Steuerzahlen einen kühleren Platz im Jenseits erkaufen können.

    Der Staat ist zum Ausnehmen da - das sieht man ja an den Meinungen im Diskussionsforum. Schließlich hat man ja mit seinem Beruf "Sohn" oder "Prinzessin" als urban-vegan lebender dreißigjähriger Hipster die Bundesrepublik seit 1948 selbst aufgebaut mit dem "Kopfgeld", was ja nur Jeder zur Verfügung hatte.

    Wer sich da an kleinlichen Rechenfehlern bei der Altersbestimmung stört, sollte an die Curricula in Mathematik für Gymnasien in NRW denken. So lernt man Mathematik eben heute - wie die Räschtsschreibunnk.

  • .. . der begriff "schizophren" wird hier falsch verwendet. gemeint ist die "dissoziative identitätsstörung", gemeinhin als "gespaltene persönlichkeit" bezeichnet.

    von schizophrenie betroffene hätten weniger mit der stigmatisierung als "unberechenbar gestörte" zu kämpfen, würde der begriff nicht ständig im falschen kontext gebraucht.

    arte hatte zum thema schizophrenie & stimmenhören vor kurzem eine sehr schöne doku online. eventuell ist die noch abrufbar.. .

  • Der Staat - das ist der, der den BER baut. Er sollte das Investieren der Privatwirtschaft überlassen. Das wäre auch beim BER besser gewesen...

    • 7G
      75064 (Profil gelöscht)
      @Der Erwin:

      Ja, dass die das besser können, konnte man sehr gut am Investment des Daimler-Konzernes bei Chrysler sehen: Nur knapp 35 Milliarden Euro Verlust!



      Mit dem Aufzählen einzelner Beispiele von Fehlinvestitionen kommt man nicht weiter.



      Den Tenor des Artikel, dass wir dringend in Infrastruktur investieren müssen, bestreitet derweil kaum noch jemand, nicht mal aus der "Wirtschaft".

      • @75064 (Profil gelöscht):

        Leider werden Investitionen in die Infrastruktur von Bürgerinitiativen und NGOs oftmals behindert. Seien es nun Hochspannungstrassen, ICE-Trassen, Autobahnen, Pumpspeicherwerke, Müllverbrennungsanlagen, Staudämme, Kraftwerke, Deponien, Kieswerke oder was auch immer. Schlimm.

  • „Schizophrenie“ wäre es, das zusätzliche Steuergeld wie immer in Form sozialer Wohltaten zu verkonsumieren während die Mittelschicht unter der Abgabenlast leidet. Die Mittelschicht könnte gut selbst in Umwelt investieren: mit E-Autos, sparsamen Heizungen usw.

    • @TazTiz:

      Die Mittelschicht profitiert am meisten von den " sozialen Wohltaten".

    • @TazTiz:

      So ist es. Aber es wird -je nach Mehrheit- entweder eine grüne Bevormundung oder ein rotes Umverteilen durch die ehemals Schwarzen geben.

    • @TazTiz:

      Ach, die arme Mittelschicht, die.

      • @tomás zerolo:

        Ach, welch arme Unterschicht, welche.



        Ach, diese arme Oberschicht, jene.