Haushaltmisere in der Hauptstadt: Berlins Hiob und seine Botschaften
Für die Landesfinanzen mit ihrem Milliardenloch wird es durch den Zensus noch schlimmer. Damit klarkommen muss erst mal Finanzsenator Evers (CDU).
Evers wird die Geschichte von Hiob nicht bloß kennen, weil er seinen Amtseid mit dem Zusatz „so wahr mir Gott helfe“ geleistet hat. Der hatte sich nichts Erkennbares zuschulden kommen lassen und lebte ein schönes Leben als wohlhabender Mann mit zehn Kindern. Bis ihn eben vier Botschaften erreichen – aller Besitz weg und vor allem: Kinder tot, weggerafft durch Krieg und Naturkatastrophen. Hiob selbst wird elend krank.
So weit ist es in der Berliner Haushaltsmisere noch nicht gekommen. Aber welche Folgen es hat, wenn zu dem von Evers schon vor Monaten aufgezeigten Milliarden-Loch immer wieder neue mehrere hundert Millionen Euro große Lücken wie nun beim Zensus kommen, ist am Mittwoch gut im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses zu beobachten. Evers und Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) sollen dort erklären, wie es mit der Absicht steht, dem schwedischen Energiekonzern Vattenfall nach dem Fernwärmenetz auch dessen Anteile am Gasversorger Gasag abzukaufen. Das hatte Anfang 2023, damals unter Giffeys Führung, bereits der rot-grün-rote Vorgängersenat angestrebt.
Dazu muss sich schwarz-rote Senat in den nächsten Wochen durchaus Gedanken machen. Denn Ende September läuft eine erste Frist ab, bis zu der Berlin erklären muss, ob es die Absicht hat, eine Kaufoption zu nutzen. Eine endgültige Festlegung ist das laut Giffey nicht sein – die Option soll bis Juni 2025 gelten. „Wir haben Grenzen“, sagt die Senatorin zu Berlins Verhandlungsspielraum, „und die liegen natürlich in der aktuellen Haushaltslage.“
In der Bibel wird es am Ende wieder gut
Steffen Zillich von der Linksfraktion befürchtet eine Art Koppelgeschäft: Einstieg bei der Gasag und dafür im Gegenzug Privatunternehmen am gerade erst zu 100 Prozent von Vattenfall erworbenen Fernwärmenetz beteiligen. Er drängt auf Klärung – aber weder Evers noch Giffey wollen sich festlegen oder etwas ausschließen. Beide verweisen auf vertrauliche Gespräche. Giffey verspricht immerhin: „Wir werden nichts Unverantwortliches tun, was nicht im Sinne des Landes ist.“
Zum Vergleich mit den tatsächlichen Hiobsbotschaften ist unterdessen noch eines nachzutragen: In der Bibel trafen vier schlechte Nachrichten ein – in Berlin bei Evers sind es mit Sondervermögen, Steuerschätzung und Zensus erst drei. Wobei für den Finanzsenator das Ende der Geschichte hoffnungsvoll sein könnte: Weil Hiob trotz allem nicht verzweifelt und durchhält, steht er um einiges später wieder mit zehn Kindern und doppelt so großem Besitz da. Was die Bibel allerdings noch nicht kannte: dass dem Senat so viel Zeit nicht bleibt, weil in gut zwei Jahren in Berlin schon wieder Wahlen und die Hiobsbotschaften bis dahin irgendwie zu verarbeiten sind.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Donald Trump wählt seine Mannschaft
Das Kabinett des Grauens
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist