Rückzug von Energiekonzern Vattenfall: Berlins private Wärmewende

Der Senat will bei der Gasag einsteigen und das Fernwärmenetz in Landeshand holen – allerdings mit privaten Partnern. Die Konkurrenz ist dabei groß.

Das Bild zeigt Röhren des Berliner Fernwärmenetzes.

Das Fernwärmenetz versorgt rund zwei Drittel aller zwei Millionen Haushalte Berlins Foto: Jürgen Ritter/imago

BERLIN taz | Nach dem Rückkauf der Wasserbetriebe 2013 und der Übernahme des Stromnetzes 2021 steuert Berlin auf einen weiteren Kauf von in private Hände geratener Infrastruktur zu. „Wir wollen die Fernwärme wieder zurück nach Hause holen“, kündigte Regierungschefin Franziska Giffey (SPD) nach der Senatssitzung am Dienstag an. Anders als beim Wasser und beim Stromnetz würde Berlin nicht alleiniger Eigentümer, sondern Mitgesellschafter von zwei privaten Unternehmen. Ziel soll aber sein, dass Berlin das Sagen hat. Der bisherige Eigentümer, der schwedische Konzern Vattenfall, hatte 2022 angekündigt, sich von dem Fernwärmenetz trennen zu wollen.

Mit Fernwärme heizen nach Senatsangaben aktuell 1,3 Millionen Haushalte und damit rund zwei Drittel aller Berliner Haushalte. Dort einzusteigen ist für Giffey „ein riesiger Hebel“, um für Versorgungssicherheit zu sorgen und die Klimaziele zu erreichen. Bis 2045 will das Land klimaneutral sein.

Der Weg zur Fernwärme ist komplizierter als bei den Wasserbetrieben, wo das Land als Mehrheitsgesellschafter die anderen Anteile kaufte. Er soll über den Einstieg bei der mal landeseigenen, seit 1998 aber komplett privaten Gasag führen. Das geht, weil Vattenfall daran zu knapp einem Drittel beteiligt und verkaufswillig ist. Nach Senatsangaben ist die Bewerbung um die Fernwärme mit den beiden weiteren Gasag-Eignern verabredet, den Konzernen Eon und Engie. Am Freitag habe es eine „unverbindliche Interessenbekundung“ bei Vattenfall gegeben.

Wie viel das Land Berlin dafür genau ausgeben müsste, blieb am Dienstag offen. Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos) erwartet einen harten Wettbewerb – „wir gehen von einer mittleren zweistelligen Zahl von Unternehmen aus, die sich um das Netz bemühen“. Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) zeigte dabei die Grenzen auf: Das Haushaltsrecht gibt demnach vor, dass das Land „nur bei nachgewiesener Wirtschaftlichkeit“ kaufen dürfe.

Weiterer Anlauf Ein internationaler Konzeptwettbewerb soll das seit 2014 kaum genutzte Internationale Congress Centrum (ICC) beleben. Der Senat will dort „Kunst, Kultur und Kreativität“.

Paris als Vorbild Regierungschefin Franziska Giffey (SPD) nannte als Vorbild das 1977 zwei Jahre vor dem ICC eröffnete Centre Pompidou in Paris. Dessen Konzeption habe man sich angeschaut. Die Entscheidung soll 2026 fallen. (sta)

Regierungschefin Giffey sieht in der rot-grün-roten Koalition durchweg Bereitschaft für den Kauf und auch für den Einstieg in eine gemischte, privat-öffentliche Besitzstruktur: „Wir sind uns einig, dass wir nicht anderen privaten Bietern aus Australien das Feld überlassen wollen.“ Denn die angestrebte Wende bei der Energieversorgung funktioniere nicht ohne das Fernwärmenetz, das sich zu zwei Drittel aus fossilen Quellen speist.

Die Linksfraktion bestätigte, offen für private Partner zu sein. Allerdings dürfe es für die keine Nebenabsprachen und Gewinnzusicherungen geben. Solch eine Konstruktion führte bei den Wasserbetrieben vor dem Rückkauf 2013 zu höheren Preisen.

Intern hofft der Senat offenbar darauf, dass es sich Vattenfall nicht leisten kann, sein angestrebtes Klima-Image durch einen Verkauf an einen mehr zahlenden, aber an Klimaschutz weniger interessierten Bieter zu ramponieren.

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