Hartz IV in Coronazeiten: In anderer Verpackung
Hartz IV wird derzeit als „Bürgerrecht“ für Corona-Geschädigte politisch beworben. Das ändert wenig an den Bedingungen.
Für Hartz-IV-EmpfängerInnen, die auf der Suche nach Jobcenter-Kontakt am Telefon entweder in endlosen Warteschleifen oder bei gefühllosen Callcenter-MitarbeiterInnen landeten, klingt das wie Musik – etwas süßlich und etwas fremd.
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Die „Grundsicherung für Arbeitssuchende“, im Volksmund Hartz IV genannt, wird derzeit als Rettungsanker für Coronageschädigte politisch beworben, als sei es ein staatliches Grundeinkommen, das in Anspruch zu nehmen sich man doch bitte nicht schämen solle. Die Aufforderung richtet sich insbesondere an Soloselbstständige und Freiberufler, die durch die Coronabeschränkungen in Not geraten sind und bei denen weder die Überbrückungshilfe II noch die neuen Novemberhilfen greifen.
Einiges wurde dabei erleichtert: Wer im Zeitraum bis zum März 2021 einen Antrag auf Hartz-IV-Leistungen stellt, dem oder der werden vom Jobcenter für ein halbes Jahr die Wohnkosten erstattet, egal wie hoch. Alleinstehende dürfen bis zu 60.000 Euro an Vermögen besitzen. Wer selbstständig und nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ist, darf für jedes Jahr an Selbstständigkeit nochmal 8.000 Euro Vermögensfreibetrag draufschlagen. Selbstständige Versicherte über die KSK (Künstlersozialkasse) haben diesen Freibetrag übrigens nicht, weil sie ja in die Rentenkasse einzahlen.
Angst vorm „doppelten System“
Der werbende Sound für neue Antragssteller hat einen politischen Grund: Berufsverbände fordern einen staatlichen „Unternehmerlohn“ für Selbstständige, etwa für Berater, Seminardozenten, ReiseleiterInnen, die wegen der Coronabeschränkungen quasi nicht arbeiten dürfen oder Aufträge einbüßen und daher kaum oder keine Einnahmen haben. Sozialpolitiker, auch aus der SPD, wollen aber kein „doppeltes System“ neben Hartz IV, sondern verweisen daher lieber auf die erleichterte Grundsicherung.
Die neue PR für Hartz IV klingt anders als die harschen Worte des damaligen Wirtschaftsministers Wolfgang Clement (SPD), der kurz nach der Einführung der Grundsicherung im Jahre 2005 vor einer „Mitnahme-Mentalität“ warnte, davor, dass die „Hemmschwelle für Sozialbetrug“ gesunken sei, dass man „Fehlentwicklungen“ dringend unterbinden müsse.
Der Run der SolounternehmerInnen auf Hartz IV hält sich allerdings in Grenzen: Im Oktober verzeichnete die Bundesarbeitsagentur nur rund 52.000 sogenannte nichtarbeitslose Selbstständige im Hartz-IV-Bezug, selbst im Juni waren es nur 69.000 gewesen.
Das ist wenig angesichts von über vier Millionen Selbstständigen in Deutschland. Der Regelsatz von 432 Euro im Monat plus Wohnkosten ist wohl zu mager. Das Partnereinkommen und jedes kleine Erwerbseinkommen werden zudem penibel mit dem Regelsatz verrechnet.
Für Selbstständige unattraktiv
„Hartz IV passt nicht zur Selbstständigkeit“, sagt Max Hilgarth, Geschäftsführer des Verbandes der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD). Viele Selbstständige hätten auch in Coronazeiten kleine Einkommen, von dem Geld müsste man auch immer etwas beiseitelegen für Investitionen, etwa in neue Computer, in Weiterbildung. Wenn dieser Verdienst sofort wieder vom ohnehin niedrigen Regelsatz weitgehend abgezogen werde, mache dies die Sozialleistung für Selbstständige unattraktiv.
Im November herrscht nun erst mal Ruhe bei vielen Betroffenen – viele profitierten ja von den neuen „Novemberhilfen“, mit denen Selbstständige in einigen Branchen ihre Umsatzeinbrüche kompensieren können. Die Frage lautet: Was kommt danach? Dann, wenn die „Novemberhilfen“ beendet sind, Corona aber immer noch da ist. Und das Stichwort „Unternehmerlohn“ wieder auftaucht auf der politischen Agenda.
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