Handelsstreit zwischen EU und USA: Fracking und Soja statt Eskalation
Beim Treffen mit Trump hat EU-Kommissionspräsident Juncker wenig Konkretes erreicht. Doch neue Strafzölle soll es vorerst nicht geben.
Bei der Pressekonferenz im Rosengarten hinter dem Weißen Haus, bei der aber keine Journalisten-Fragen zugelassen waren, erklärten die beiden Männer, dass sie vorerst keine weiteren Zölle einführen wollten. Die von Trump angedrohten 25 Prozent für importierte Autos, die vor allem deutsche Unternehmen getroffen hätten, sollen während der anstehenden Verhandlungen vorerst nicht erhoben werden. Trump kündigte Gespräche an, deren Ziel es sei, Zölle und Handelshemmnisse auf beiden Seiten abzuschaffen und gegen globale unfaire Handelspraktiken vorzugehen. Damit meint Trump vor allem China.
Ein großer Streitpunkt im Handelskonflikt sind die bereits seit Wochen existierenden hohen Zölle auf Stahl und Aluminium aus der EU sowie die gegen die USA gerichteten Gegenmaßnahmen. In dem Abschlusskommuniqué heißt es hierzu lediglich vage: „Wir wollen diese Dinge lösen“.
Das Kommuniqué listet zwar Ziele für die Handelskooperation auf. Unklar bleibt aber, wie weit die angekündigten Gespräche gehen werden. Mehrere Produkte für den Abbau der Handelshemmnisse sind in dem Papier genannt: Dienstleistungen, Chemikalien, Arzneimittel, medizinische Produkte und Sojabohnen. Erwähnt ist auch eine sogenannte strategische Kooperation im Energiebereich: „Die EU will mehr Flüssiggas (LNG) aus den USA importieren, um ihre Energieversorgung zu diversifizieren“.
Geradezu euphorisch reagierte Trump auf Angebote von Juncker, mit denen er nun bei seiner Wählerbasis punkten kann: „Die Vertreter der EU haben mir gesagt, dass sie ab sofort Sojabohnen von unseren großen Farmern kaufen werden“, twitterte er direkt nach dem Treffen. „Außerdem werden sie riesige Mengen Flüssiggas LNG kaufen“, so der US-Präsident.
Sojabohnen exportieren die USA bislang hauptsächlich als Viehfutter nach China. Doch Trumps Handelskonflikt mit China hat die US-Sojafarmer zu Opfern von Pekings Vergeltungszöllen gemacht. Um die Farmer im Mittleren Westen, eine seiner Kernwählergruppen, nicht zu verlieren, hat Trump in dieser Woche bereits zwölf Milliarden US-Dollar hohe Subventionen aus Steuergeldern für Soja-Farmer in Aussicht gestellt. Doch einige Farmer reagierten mit dem Einwand, sie wollten freien Handel und keine Regierungshilfen.
Sojabohnen aus den USA sind ernährungstechnisch nicht unproblematisch: Sie stammen zu 90 Prozent von genmanipulierten Pflanzen, deren Anbau in der EU verboten ist. Auch das Flüssiggas aus den USA ist wegen den mit seiner Förderung einhergehenden Umweltschäden umstritten. Es stammt aus den Fracking-Bohrungen, die in verschiedenen Regionen der USA boomen und dort unter anderem zu Vergiftungen des Grundwassers und der Häufung von Erdbeben führen.
Fracking-Betreiber können sich freuen
Trump hat den Fracking-Betreibern seine Unterstützung und die Ausdehnung des Bohrlandes versprochen. Zugleich betreibt er im Ausland die Vermarktung der US-Frackingproduktion. Das tat er auch, als er Angela Merkel vor dem Nato-Gipfel wegen des Baus der „Nord Stream 2“-Gaspipeline aus Russland kritisierte. Bislang verfügt die EU zwar nicht über genügend Terminals, um Flüssiggas in größerem Umfang zu importieren. Doch mehrere Terminals sind im Gespräch – darunter auch in der Nord- und Ostsee.
Die Eskalation der letzten Wochen in dem transatlantischen Handelskonflikt folgt einem typischen Muster von Trump. Dabei schafft der US-Präsident mit verbalen Attacken und Drohungen Konflikte und tritt anschließend als Retter auf, der diese mit großen Gesten löst. Die erste Phase dieser Trump'schen Dramen richtet sich in der Regel an seine eigene, radikale Basis. Die zweite geht an die Adresse des Establishments seiner Partei sowie an große Unternehmen und ihre Lobbies in den USA.
Diesmal war es Juncker, der gute Miene zu Trumps Spiel machte. Kurz zuvor hatte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström, die ebenfalls an dem Treffen teilnahm, den USA mit weiteren Vergeltungszöllen in Höhe von 20 Milliarden US-Dollar gedroht. Doch dann half Juncker Trump nicht nur mit Sojabohnen und Flüssiggas, sondern wiederholte bei der gemeinsamen Pressekonferenz auch Punkt für Punkt dessen Vorwürfe gegen China.
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hat die Vereinbarungen zwischen Trump und Juncker begrüßt. Es sei „gut, dass nicht nur die Autozölle vom Tisch sind, sondern dass wir auch verabredet haben, gemeinsam gegen unfaire Handelspraktiken und für eine Reform der WTO zu arbeiten“, erklärte Maas am Donnerstag während eines Besuchs in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul.
Europa hat Geschlossenheit signalisiert
Maas unterstrich die Geschlossenheit, die die EU mit dem Besuch Junckers in Washington gezeigt habe: Europa habe „bewiesen, dass es sich nicht spalten lässt“, hob Maas hervor. „Wenn Europa geeint auftritt, hat unser Wort Gewicht“.
Juncker habe gezeigt, das es am Ende darum gehe, „reale Lösungen“ anzubieten statt lediglich starke Sprüche. Maas erklärte, auch die Wähler Trumps spürten bereits, „dass auch amerikanische Farmer und Industriearbeiter nur verlieren können, wenn wir uns gegenseitig mit immer irreren Strafzöllen überziehen“.
Dagegen hält der EU-Handelspolitiker Bernd Lange den europäisch-amerikanischen Handelskompromiss für substanzlos. „Das war kein Erfolg, was Herr Juncker dort erreicht hat“, sagte der SPD-Politiker am Donnerstag. Er warf Juncker vor, Trump einseitig entgegengekommen zu sein. Zudem beklagte er, dass die angedrohten US-Autozölle immer noch nicht vom Tisch seien. „Die Drohkulisse bleibt bestehen“, sagte Lange dem Deutschlandfunk.
(Mit afp und reuters)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?