Hamburger Kleingärtner vor Gericht: Vorständin auf Egotrip

In einem Kleingartenverein in Hamburg gibt es Streit, weil der Vorstand es nicht mit demokratischen Grundsätzen hält. Das beklagen gekündigte Pächter.

Ein vergoldeter Gartenzwerg zeigt den Mittelfinger

Friedlich geht es in einer Hamburger Kleingartensiedlung derzeit nicht zu Foto: David Ebener/dpa

HAMBURG taz | Zahllose Vorwürfe stehen gegen eine Hamburger Vereinsvorständin im Raum, doch das alles nützte vor Gericht wenig: Zu einem Spektakel streitender Klein­gärt­ne­r*in­nen kam es am Dienstagmittag im Hamburger Amtsgericht Wandsbek. Nach Kündigungen von mehreren langjährigen Mitgliedern des Kleingartenvereins „Gartenfreunde in Marienthal“ versuchten diese sich nun auf dem Rechtsweg gegen die Frau zu stellen, der sie vorwerfen, persönliche Interessen durchzusetzen, wo sie eigentlich doch das Wohl des gesamten Vereins im Blick haben müsse.

Sechs Kündigungen habe es seit dem Amtsantritt des neuen Vorstands im Oktober 2021 mindestens schon gegeben, berichten Christian Gruber und Cord Crasselt. Auch ihre beiden Mitgliedschaften wurden fristlos gekündigt. Seit mehreren Monaten gäbe es nun schon Unmut innerhalb des Vereins aufgrund „unverständlicher Maßnahmen“ des Vorstandes, berichtet Crasselt. Es seien unter anderem Grundstücke unangekündigt durch den Vorstand besichtigt oder willkürliche Abmahnungen ausgesprochen worden.

Darum hätten sich einige Klein­gärt­ne­r*in­nen des Vereins zusammengeschlossen und ein Minderheitsbegehren für eine Vorstandsneuwahl eingereicht. Dieses wurde für die im Juni angesetzte Mitgliederversammlung jedoch nicht genehmigt. Es sei „nicht fristgerecht und mit teilweise fälschlichen Unterschriften eingereicht“ worden, beteuert die Vereinsvorsitzende Marita Dinn vor Gericht.

Crasselt behauptet das Gegenteil, die 42 Unterzeichnungen seien gültig und auch fristgerecht eine Woche vor der Versammlung eingereicht worden.

Wahl einfach für ungültig erklärt

Bei der Mitgliederversammlung mussten ohnehin zwei weitere Vorstandsmitglieder gewählt werden. Auch Crasselt stellte sich zur Wahl. „Mit überwältigender Mehrheit“, so schildert es Crasselt, sei er zum Schriftführer gewählt worden. Doch der Vorstand um Dinn habe diese Wahl für ungültig erklärt. Demnach habe die Vorsitzende den Schriftführer Crasselt nach der durchgeführten Wahl von seinen Vorstandspflichten wieder entbunden.

Für Crasselt ist diese Entscheidung nicht nachvollziehbar. Er vermutet einen persönlichen Hintergrund: Er ist seit 2018 Schrebergartenpächter des Vereins. Auf seinem Grundstück hält er unter anderem einige Bienenvölker. Aufgrund der Bienenhaltung habe es seit Mai dieses Jahres immer wieder Abmahnungen durch den Vorstand gegeben. Die steigende Zahl der Bienen beeinträchtige die Besitzer der Nachbargärten, beklagt die Vorsitzende des Vereins vor Gericht. Die „nicht genehmigten Bienenvölker“ seien auch Grund der Kündigung.

Nachbargärtnerin ist jedoch die Vorsitzende persönlich und sie hatte mit dem Vorstand kürzlich eine Satzungsänderung vorgenommen: Mindestens zwei Nachbarparzellen zu beiden Seiten müssen der Bienenhaltung zustimmen. Vorher war nur die Zustimmung der jeweils direkten Nachbarn nötig – die Vorsitzende, deren Parzelle sich in zweiter Nachbarschaft zu Crasselt befindet, darf nun auch mit­entscheiden.

Das sorgte vor Gericht für hitzige Debatten: Während der Anhörung lieferten sich die beiden immer wieder Wortgefechte. Selten konnten sie einen Satz ohne Unterbrechung zu Ende führen, ohne dass es zu Widerspruch kam. Auch einige Un­ter­stüt­ze­r*in­nen von Crasselt und Gruber im Zuschauerraum riefen empört dazwischen. Deutlich wurde: Sie beklagen Willkür und Machtmissbrauch durch die Vorsitzende des Vereins.

Niederlage vor Gericht

Durch seine fristlose Kündigung ruhen nun Crasselts Mitgliederrechte, deshalb kam es überhaupt zur Verhandlung vor dem Amtsgericht. Denn bei der nun anstehenden außerordentlichen Mitgliederversammlung hätte er teilnehmen und sich erneut zur Wahl stellen wollen, was durch die ausgesprochene Kündigung nicht möglich ist. Vom Gericht wollte er sich bestätigen lassen, dass er an der Versammlung teilnehmen darf.

Doch das zuständige Amtsgericht sieht das anders: Die Aussetzung der Mitgliedschaft ist satzungskonform. Allerdings machte das Gericht deutlich, dass es die Absetzung Crasselts von seinem Vorstandsposten für rechtswidrig hält. Da dieser Aspekt allerdings nicht Teil des Verfahrens vor dem Amtsgericht war, könne das Gericht folglich auch nicht ein Urteil darüber fällen.

So bleibt Crasselt auf den Verfahrenskosten sitzen und die umstrittene Vorsitzende auf ihrem Posten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.