piwik no script img

Kolumne Fremd und befremdlichTatort Schrebergarten

Kolumne
von Katrin Seddig

In Schrebergärten gibt es Regeln zum Umgang mit Abwasser. Die Stadt Hamburg will das Einhalten dieser Regeln kontrollieren – und das gibt Ärger.

Ein El Dorado der Toilettentäter. Wie will die Stadt die Missstände aufdecken? Foto: dpa

D ie Arbeit im Grünen diene der körperlichen Ertüchtigung und der gesunden Triebabfuhr der Stadtjugend, davon war der Orthopäde Moritz Schreber überzeugt. Insbesondere die Bekämpfung des Triebes war ihm ein ernstes Anliegen, wozu er bei ernsten Fällen abendlich kalte Sitzbäder und Kaltwasserklistiere empfahl. Erst nach seinem Tod aber, im Jahre 1864, wurde der erste nach ihm benannte Schreberverein gegründet, der noch gar kein Garten war, sondern ein Erziehungsverein.

Heute gibt es jede Menge von Schrebergartenvereinen, die teilweise sogar etwas Erzieherisches in ihrem Wirken auf die Gesellschaft beibehalten haben. Der Schrebergarten ist das Grundstück des kleinen Mannes, der Freude am Gärtnern und der Natur innerhalb seines eigenen Zaunes hat. Die Schrebergartenbewegung hat heute mit anderen Dingen zu kämpfen als der Triebabfuhr, zum Beispiel mit der Hamburger Umweltbehörde, die den Schreber neuerdings ausspäht.

Ich habe selber zwei sehr gute Freunde mit Schrebergarten und deshalb kenne ich einige der Probleme der Schreber. Es ist doch immer viel zu tun, es muss jede Menge Natur beseitigt und beschnitten werden, es muss ein Häuschen erhalten werden, und es gibt, wie es in der Natur nun mal so ist, immer eine gewisse Nähe zu den eigenen Ausscheidungen. Denn auch der Schreber muss.

Aber anders als in der eigenen Wohnung, kann er diese Produkte nicht in der Toilette hinunterspülen, er muss sie kompostieren oder mit nach Hause nehmen. Toiletten mit Wasseranschluss sind nämlich in Schrebergärten verboten, auch das Spülwasser darf nicht abgelassen werden, es darf überhaupt nichts in den Boden gelangen, was nicht reines Wasser ist. Und das ist schon schwierig, denn nach dem Grillen muss doch abgewaschen werden. Nun ja, da kippt man das halt im Dunkeln auf den Rasen. Das darf man nicht, aber das bisschen Spüli, das bringt die Umwelt doch nicht um.

Das darf man nicht, aber das bisschen Spüli, das bringt die Umwelt doch nicht um
Lou Probsthayn
Katrin Seddig

ist Schriftstellerin in Hamburg mit einem besonderen Interesse am Fremden im Eigenen. Ihr jüngster Roman „Das Dorf“ ist bei Rowohlt Berlin erschienen.

Meine Oma hat in ihrem Leben nie Abwasser gehabt, die hat ihr Spülwasser immer auf den Hof gekippt, die konnte das gar nicht anders. Früher war das halt so, heute ist es immer noch ein bisschen so, im Schrebergarten, denn im Schrebergarten ist es ein bisschen so wie es früher war, deshalb ist es in ihm auch so gemütlich. Aber, wird gemunkelt, manche haben eben doch ein Wasserklosett und andere sogar eine Waschmaschine oder eine Spülmaschine in der Gartenlaube und haben es sich darin eingerichtet wie in einem Zuhause, weil sie es doch lieber bequem und gemütlich haben wollen.

Es ist bei ihnen ja dann auch wie in ihrem richtigen Zuhause oder sogar schöner, weil sie in der Natur sind. Das ist nun mal gar nicht erlaubt oder sogar verboten. Und diese Missstände will die Behörde aufdecken, durch Ausspähung, wie es genannt wird.

Wie funktioniert nun diese Ausspähung? Vorerst durch einen Fragebogen. Darin sollen die Schreber, danach befragt, erklären, ob sie ein Wasserklosett in ihrer Laube betreiben. Zum Beispiel. Und diese Fragebogen wollen manche Schreber einfach nicht ausfüllen. Sie fühlen sich unter Generalverdacht und fühlen sich durch die Fragebögen ausgespäht. Das kann ich irgendwie verstehen. Ich bin intuitiv auf der Seite der Rebellen, und so nennen sie sich auch, die Aufständischen, „Die Schreberrebellen“.

Bedarf es einer Gruppe von Schreberdenunzianten?

Das Rebellische finde ich erst einmal grundsätzlich gut, weil man dem Staat einfach nicht zu viel durchgehen lassen darf und es wichtig ist, dass die Gärten des kleinen Mannes zu seiner eigenen Erholung, wenn auch nicht mehr zur gesunden Triebabfuhr, erhalten bleiben.

Aber wie soll nun die Behörde die Toilettentäter entlarven, wenn sie sie nicht vorher ausspäht? Bedarf es erst einer Gruppe von Schreberdenunzianten? Und wer soll sich dafür hergeben? Andererseits, wie soll man dem tapferen Kotkompostierer gerecht werden, wenn der Nachbar es sich einfach macht und die Spülung betätigt? Wie die Spreu vom Weizen trennen? Das konnten auch die mir persönlich sehr gut bekannten Schreber nicht beantworten.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Ein Trockenklo kann sich heute ja jeder der Laubenpieper leisten. Und wer meint, auf eine Spülmaschine und sonstigen Luxus nicht verzichten zu können, der soll dies daheim tun!

    Ob der Staat in der Form der Verwaltung der Stadt das Recht für eine solche Befragung hat, das können Juristen beantworten. Fragen darf er ja sicher, aber er hat vielleicht(?) kein Recht auf Sanktionen bei Nichtbeantwortung oder gar bei falschen Antworten. (Welch rebellisches Denken! ;-) Es ist eben nur ein kleiner Prozentsatz von Privilegierten, die einen Garten um das Eigenheim beackern können.

  • Sehr geehrte Frau Seddig,



    würden Sie bitte den Begriff "Schreber" durch "Kleingärtner" ersetzen?



    Vielen Dank!

    Grund siehe hier:



    de.wikipedia.org/wiki/Moritz_Schreber



    www.mdr.de/zeitrei...artikel124906.html

    • @Rossignol:

      Danke Rossignol,



      die ältesten Kleingärten in Deutschland gehen auf die Dänen zurück. Anfang des 19. Jahrhunderts herrschte eine große Hungersnot, also auch in Schleswig-Holstein. Reiche Leute spendierten Land und ließen hungernde Menschen gärtnern. Von rund 1000 qm kann mensch eine Familie ernähren. Diese Gärten wurden Karlsgärten oder Armengärten genannt.



      Heute haben deren Nachfolger die Sicherheit: Man kann ihnen das Land nicht wegnehmen, es gehört ihren Vereinen. Anders bei den Kleingärten, die vom Staat gepachtet sind. Sie liegen auf wertvollem Baugrund, dass der Staat gerne privatisieren möchte. Dann können Baulöwen darauf gute Renditen erzielen. Deshalb benutzt der Staat jetzt eine Strategie der Kriminalisierung wie wir es vom Noske-Staat kennen. Wenn die Kleingärten erst einmal einen schlechten Ruf haben, wird keine mehr danach krähen, wenn ihnen das Land genommen wird.



      Aber solch komplexe Zusammenhänge sind für unsere Kulturbürgerinnen einfach zu komplex, das sie dagegen nur 'Verschwörungstheorie" frotzeln können.

  • Was ist deutscher als ein Schrebergarten? Denn hallo, Schrebergäten sind natürlich zielgebunden. Es geht nicht um Zeitvertreib, sondern um Gemüse und Obst. Nochmal: Gemüse und Obst. Nicht etwa Zeitvertreib, laute Mucke und Blumenbeete. Trödelst Du im Schrebergarten, bist du kein Deutscher, das ist klar.

  • Kleingärtner trackieren sich selbst auch mit Ausspähungen und Unterweisungen, Anweisungen und Befehlen - es ist eine sonderbare Welt. Die Umweltbehörde schafft nur noch mehr Ärger. Einfach Spaß Garten haben, das geht nicht, es muss immer alles mit Ordnung und Zucht verbunden werden.

    • @Andreas_2020:

      Naja, es wird wohl gute Gründe geben, warum der Schrebergärtner keine Abwässer erzeugen soll. Hauptsächlich steuerliche, meine ich... oder welche noch?

      • @Michi W...:

        Vor allem einen, der auch den Schrebergärtner*innen eigentlich am Herzen liegen sollt: Die Gärten sind nicht an das Siel angeschlossen. Das Abwasser aus Toiletten, Duschen, Spül- und Waschmaschinen und Whirlpools gelangt direkt in den Boden und dort entweder in die Salatbeete der Nachbarn oder in Gewässer und Grundwasser. Und wenn auch nur ein Teil der 43.000 Gärtner*innen auf 33.000 Parzellen (so der LGV) solche Abwässer ungereinigt entsorgt, stellt das doch eine erhebliche Menge Schiet dar, den alle anderen aushalten sollen.

        • @Heie Kettner:

          Das stimmt, zumal in einigen Kleingärten in der Vergangenheit durchaus der eine oder andere solche Sünden begangen hat. In einigen Lauben aus den 70er, 80ern war auch Asbest im Dach verarbeitet. Einige Kleingartenvereine kümmern sich ganz gut darum, andere weniger. Ob man aber mit ein paar Tropfen Bio-Spüllmittel im Abwaschwasser wirkliche den Boden vergiftet?