AfD bei Treffen in Russland: Globale Allianz der „Antiglobalisten“
Ein Hamburger AfD-Abgeordneter war bei einem extrem rechten Vernetzungstreffen in Russland dabei. Es kamen Faschist*innen aus aller Welt zusammen.

Das häufig zur Diffamierung gebrauchte Schlagwort von „Globalisten“ soll eine geheime Elite insinuieren, welche im Hintergrund die Fäden zöge – beliebt im verschwörungsideologischen Kontext. Es ist ein rechtsextremes Dogwhistle, also ein Schlagwort, mit dem am Ende häufig stumpf antisemitisch „die Juden“ gemeint sind.
AfD-Politiker wähnen sich immer wieder im Kampf gegen vermeintlichen „Globalismus“ – aber auch der ungarische Staatspräsident Viktor Orbán und viele russische Rechtsextreme hetzen immer wieder mit dem Schlagwort. Über das Vernetzungstreffen hat zuerst das Portal Radio Liberty berichtet, Fotos vom Treffen kursierten auch in den sozialen Medien.
Gastgeber war der vermögende Unternehmer Konstantin Malofejew. Der hat kein Problem damit, gegen die als Naziregime diffamierte Ukraine Krieg zu führen und gleichzeitig zu Hause in Russland Delegierte faschistischer Organisationen zu empfangen. Das klingt nach Gedankenspagat, spiegelt aber zentrale Facetten im Weltbild von Malofejew wider, einem der bekanntesten russischen Vorkämpfer gegen die Moderne.
Für den 12. September hatte er Rechtsextreme aus aller Welt nach St. Petersburg eingeladen, der ehemaligen Hauptstadt des alten Zarenreichs. Denn Konstantin Malofejew ist nicht nur überzeugter Monarchist und Verfechter eines reaktionären christlich-orthodoxen Gesellschaftsideals. Als äußerst vermögender Unternehmer verfügt er auch über die finanziellen Mittel, den ultrakonservativen Fernsehsender Tsargrad zu betreiben und sich als einflussreicher Akteur in staatlicher Angelegenheit in Szene zu setzen.
Über 50 Rechte aus 15 Ländern
Über 50 Delegierte aus fünfzehn Ländern und drei Kontinenten hätten an der Gründungskonferenz der Internationalen Liga der Antiglobalisten „Paladine“ teilgenommen, verkündete Malofejew vergangene Woche auf seinem Telegram-Kanal. Trotz Unterschieden sei man sich im Wesentlichen einig, heißt es da: „Im Bestreben, christliche Werte zu verteidigen. Im Kampf um nationale Identität und Souveränität. Und im Widerstand gegen unseren gemeinsamen Feind – den Globalismus.“
Wohl um dem Event einen offiziellen Anstrich zu geben, hatte Malofejew für das Treffen den Marienpalast gewählt, in dem das Petersburger Parlament seinen Sitz hat. Anwesend war mit Konstantin Tschebekin außerdem ein Abgeordneter der russischen Regierungspartei Einiges Russland, während Parlamentssprecher Alexander Belskij lediglich eine Grußbotschaft verlesen ließ.
Später gab er an, er habe keine Kenntnis vom politischen Hintergrund der geladenen Gäste gehabt. Vor zwei Jahren hatte Malofejew dort bereits das weitaus größer angelegte Forum der russischen Volkssynode abgehalten, das unter Federführung der orthodoxen Kirche Personen aus Staat und Gesellschaft zusammenbringt.
Auf einem der wenigen veröffentlichten Fotos des jüngsten Treffens ist auch der rechte Philosoph und Ideologe eines russisch-eurasischen Großimperiums Alexander Dugin zu sehen. Sie sind ein eingespieltes Team: Der Geschäftsmann mit seinem Geld und politischen Kontakten und der belesene und international hervorragend vernetzte Intellektuelle.
Auf Dugins Konto dürfte die Video-Zuschaltung des französischen Vordenkers der Neuen Rechten, Alain de Benoist, gehen, dessen Ideen Dugin einst für ein russisches Publikum aufbereitet hatte. Ebenfalls mit einer Online-Botschaft trat Alexander von Bismarck in Erscheinung, vormals CDU-Mitglied, heutzutage eines der bekanntesten Sprachrohre des Kremls in Deutschland.
Unter den Angereisten finden sich zudem weitere Repräsentanten, die eindeutig extrem rechten Strukturen zuzuordnen sind: Es kamen Vertreter der „Les Nationalistes“ aus Frankreich, der Jugendbewegung „Hatvannégy Vármegye“ (64 Burgkomitate, HVIM) aus Ungarn oder der mexikanischen UNR (Unión, Nación, Revolución) mit Verbindungen zur deutschen Neonazipartei Der Dritte Weg. Auch Belgien, Südafrika und Argentinien waren vertreten.
Aus Spanien nahmen die rechtsextreme Partei „Nationale Demokratie“ (Democracia Nacional, DA) und die Falange Española de las JONS teil, die sich inhaltlich an ihrem faschistischen historischen Vorbild aus den 1930er Jahren orientiert. In ihrer Selbstdarstellung finden sich beispielsweise Lobpreisungen für die spanische „Blaue Division“, die mit der deutschen Wehrmacht bei Leningrad gegen die Sowjetunion gekämpft hatte. Angesichts des Veranstaltungsortes besonders pikant. So betitelte die russische Zeitung Moskowskij Komsomolez einen Beitrag über Malofejews Allianz mit den Worten „Die Faschisten marschierten in Leningrad ein“.
Für den am 10. September ermordeten US-amerikanischen ultrarechten Propagandisten Charlie Kirk gab es eine Schweigeminute. Ansonsten standen auf der Tagesordnung der International Sovereigntist League – unter diesem Namen firmiert der frisch eingerichtete Telegram-Kanal – Themen wie Migration und die Verteidigung sogenannter traditioneller Werte. Vorgesehen war außerdem die Teilnahme an einer Prozession, wie sie im Zentrum von St. Petersburg schon seit über zehn Jahren stattfindet.
Safe Space für Rechtsextreme
Überhaupt wird Russland immer mehr zum Safe Space für Rechtsextreme: Analog zum Treffen in Sankt Petersburg fanden sich am 7. September in Moskau Zehntausende bei einer erstmals in dieser Form abgehaltenen Prozession ein, die weniger einer religiösen Zusammenkunft ähnelte als einem Aufmarsch einschlägiger rechtsextremer Gruppierungen. Darunter auch die mit der orthodoxen Kirche kooperierende „Russische Gemeinschaft“, bekannt durch ihre Razzien, die gegen Migrant*innen gerichtet sind.
Zweifellos genießt die russische extreme Rechte Rückhalt im Staats- und Kirchenapparat. Dennoch tun sich gelegentlich Grenzen auf. Nach Informationen der taz hat beispielsweise an der Moskauer humanistischen Universität ein 2024 eingerichtetes Bildungszentrum unter Dugins Leitung – benannt nach Wladimir Putins Lieblingsphilosophen Iwan Iljin – unter Studierenden keinerlei Zulauf.
Auch Malofejew musste in der Vergangenheit Niederlagen einstecken. So missglückte 2019 sein Versuch einer politischen Übernahme der Partei Gerechtes Russland, erst kürzlich verlor er einen Prozess gegen den Investigativjournalisten Andrej Sacharow, der Malofejew in seinem Buch „Krypta“ kriminelle Machenschaften nachweisen konnte. Wegen seiner Rolle als Drahtzieher im sogenannten „russischen Frühling“ im Jahr 2014 steht er auf EU-Sanktionslisten. Sein Vermögen schrumpfte dadurch, an Betätigungsfeldern mangelt es ihm trotzdem nicht.
Beim Treffen in Sankt Petersburg nahm auch die ehemalige Hamburger AfD-Abgeordnete Olga Petersen teil, die auch aufgrund ihrer notorischen Russlandreisen aus ihrer Fraktion geschmissen wurde. Warum nun auch der AfD-Abgeordnete Risch es für legitim hält, Russland zu besuchen, obwohl Putin einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg führt, beantwortete er auf taz-Anfrage bislang nicht. Ebenso wenig, ob die Reise mit Fraktion, Landesverband oder Bundespartei abgestimmt war.
Auch eine taz-Anfrage dazu an die AfD-Parteispitze und seine Bürgerschaftsfraktion blieb bislang unbeantwortet. Dem Portal t-online teilte die AfD-Fraktion in Hamburg dagegen mit, dass die Teilnahme weder mit der Fraktion noch mit Partei abgesprochen worden sei. Man werde „den Fall untersuchen und nötigenfalls Konsequenzen ziehen.“
Felix Krebs vom Hamburger Bündnis gegen Rechts sagte dazu: „Olga Petersen wurde im Mai 2025 endgültig von der AfD aus ihrer Bürgerschaftsfraktion ausgeschlossen. Für Robert Risch muss nun das Gleiche folgen, wenn er an einem internationalen Kongress faschistischer und extrem rechter Organisationen in Russland teilnimmt, während dessen Präsident Putin den brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine zeitgleich intensiviert.“
Hinweis, 30.9.: Der Text wurde aktualisiert, d. Red.
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