piwik no script img

Haftstrafe für Letzte GenerationKlimaschützer in den Knast

Das Amtsgericht Heilbronn verhängt Haftstrafen gegen zwei Ak­ti­vis­t:in­nen der Letzten Generation. Kurz darauf kleben die wieder auf der Straße.

Polizisten versuchen, den Sekundenkleber mit Speiseöl zu lösen Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Freiburg im Breisgau taz | Der Plan von Amtsrichterin Julia Schmidt ging nicht auf. Mit einer Gefängnisstrafe wollte sie zwei Aktivisten der Letzten Generation beeindrucken. Doch kurz nach dem Urteil klebten diese sich schon wieder auf einer Straße fest. Bundesweit erstmals hatte das Amtsgericht Heilbronn eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung für Klimaschutzblockaden verhängt.

Ingesamt standen am Montag fünf Ak­ti­vis­t:in­nen der Letzten Generation vor Gericht. In der Heilbronner Innenstadt hatten sie einen Monat zuvor, am 6. Februar, eine Straße blockiert, um zivilen Widerstand gegen die Klimapolitik der Bundesregierung zu leisten. Alle fünf wurden nun wegen Nötigung der Au­to­fah­re­r:in­nen verurteilt. Zwei von ihnen – Rüdiger Eichholz und Daniel Eckert – erhielten sogar Freiheitsstrafen von zwei respektive drei Monaten. Die anderen drei Ak­ti­vis­t:in­nen kamen mit Geldstrafen von jeweils 60 Tagessätzen davon. Die Höhe der Tagessätze ergibt sich aus dem jeweiligen Einkommen.

Eigentlich sieht das Strafgesetzbuch so kurze Freiheitsstrafen nur in Ausnahmefällen vor. Dies muss gemäß Paragraf 47 zur „Einwirkung auf die Täter“ unerlässlich sein. Bei kleineren Straftaten sind normalerweise Geldstrafen vorgesehen. Den Ausnahmefall sah Richterin Schmidt, weil Eichholz und Eckert schon einmal wegen einer Klimablockade verurteilt worden waren und vor Gericht dennoch erklärten, an dieser Aktionsform festhalten zu wollen. Letzteres erklärten zwar auch die anderen drei Angeklagten, doch diese standen erstmals vor Gericht.

Die positive Kriminalprognose fehlt

Im Fall von Eichholz und Eckert kam laut Gericht auch eine Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung nicht in Betracht. Es fehlte eine positive Kriminalprognose, da sie ja im Prozess schon die nächste Straßenblockade ankündigt hatten.

Das Heilbronner Urteil fiel im beschleunigten Verfahren. Solche Eilverfahren sind in der Strafprozessordnung schon seit Jahrzehnten vorgesehen. Wenn der Täter auf frischer Tat ertappt wird und der Fall rechtlich einfach ist, soll die Strafe der Tat „auf dem Fuße folgen“.

Solche Schnellverfahren sind für die langfristig planende Justiz allerdings aufwendig und deshalb unbeliebt. In einem Modellversuch haben daher mehrere Amtsgerichte in Baden-Württemberg zusätzliches Personal erhalten, um mehr beschleunigte Verfahren durchführen zu können. Seit dem 1. Januar 2023 gehört auch das Amtsgericht Heilbronn dazu. Dass im konkreten Fall zwischen Blockade und Verurteilung vier Wochen lagen, ist allerdings eher mittelschnell.

Direkt nach der Gerichtsverhandlung klebten sich drei der fünf Verurteilten, darunter Eichholz und Eckert, erneut auf einer Heilbronner Straße fest. Nachdem die Polizei die Personalien aufnahm, konnten alle Ak­ti­vis­t:in­nen wieder nach Hause gehen. Diesmal hatten sie keine sofortigen neuen Blockaden angekündigt. Sonst wäre ein Präventivgewahrsam auf Grundlage des Polizeigesetzes von Baden-Württemberg möglich gewesen.

Bundesweit wurden schon Dutzende Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen für ihre Beteiligung an Straßenblockaden zu – milden oder deftigen – Geldstrafen verurteilt. Nur in wenigen Einzelfällen sprachen Gerichte die Blockierenden frei, weil die Nötigung von Au­to­fah­re­r:in­nen zum Ziel des Klimaschutzes passe und nicht verwerflich sei.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Wer Klimaschutz für ein unbedeutendes Motiv hält, ist sich nicht darüber im klaren, dass es um den Schutz des lebendigen Netzes geht, welches uns Menschen überhaupt erst das Leben ermöglicht.



    Gegen den Klimaschutz zu handeln ist also, gegen Menschenleben zu handeln, eine indirekte Form des Mordes.



    Der Hersteller des Giftgases, mit dem Sinti und Juden und Kommunisten und andere unliebsame Mitbürger zu Tode gebracht wurden kann sich die Hände nicht in Umschuld waschen.



    Der Autohersteller kann nicht sagen, mit den tausenden Todesopfern jedes Jahr hätte er nichts zu tun, es war ja nur menschliches Versagen von seinen lieben Kunden.

  • Unfassbar lächerlich, wegen Klima-Blockaden Haftstrafen zu verteilen.

    Wenn die Schnellverfahren doch mal gegen die wirklich gefährlichen Fälle angewendet würde.

  • "Nur in wenigen Einzelfällen sprachen Gerichte die Blockierenden frei, weil die Nötigung von Au­to­fah­re­r:in­nen zum Ziel des Klimaschutzes passe und nicht verwerflich sei."

    Hmm. Die Darstellung finde ich etwas zu suggestiv. Ich bin zwar kein Jurist, aber die Verwerflichkeit ist hier wohl im juristischen Sinne zu verstehen. Ich bin geneigt, dem Autor zu unterstellen, dass er bei seiner Formulierung bewusst die mögliche Interpretation in Kauf genommen hat, die Gerichte hätten moralisch (richtig?) geurteilt.

    de.wikipedia.org/wiki/Verwerflichkeit

    Ich vermute, dass die Begründungen der Freisprüche etwas komplexer waren und auch nähere Umstände des jeweiligen Protests in Betracht gezogen haben (z.B. welche Straße zu welcher Tageszeit blockiert wurde, wie viele Umgehungsmöglichkeiten es ggf. gab, zu welchen Einrichtungen die Zufahrt ggf. blockiert oder beschwert wurde, ...).

  • Wenn Staat und Justiz weiter in dieser reaktionären Praxis verfahren und damit nicht nur die Untätigkeit des Staates in Sachen Klimagerechter Verkehrspolitik kaschieren, sondern sich auch gleichzeitig noch für die Freie Fahrt für Klimaschurken stark machen...die sich auch weiter immer überdimensioniertere PKW kaufen oder wie Mercedes jetzt auf eine "Luxusstrategie" setzt...

    ...dann ist das eine gefährliche.!! Eskalation..

    Es gab schon mal eine Zeit da wurde der Staat für solches Vorgehen als "Schweinesystem" bezeichnet.

    Und vor diesem Hintergrund ist es geradezu beeindruckend mit welcher Friedfertigkeit die LG noch mit den Repressionen umgeht.!!

    Bitte liebe LG...bleibt stark und mutig und tappt nicht in die Falle die SELBSTGERECHTIGKEIT der etablierten Wohlstandsbürger und deren Lobbyverbänden zu übernehmen..

    Die Zeit wird Euch in jedem Fall Recht geben...noch klarer kann man gar nicht auf der richtigen Seite der Geschichte stehen...

  • Die Staatsanwaltschaft wird eine weitere Anklage bei dem Amtsgericht erheben und die Aktivisten werden wieder verurteilt. Ich glaube nicht, dass die Justiz sich auf der Nase herumtanzen lässt. Die Wiederholungstat wird schärfer geahndet und irgendwann sitzen die 6 Monate und länger ein. Ein Knastaufenthalt ist keine angenehme Angelegenheit.

    • @tcb262:

      Heilbronn gehört da aber eher zum konservativen Rustbelt in Südwestdeutschland. Das hat also nicht unbedingt damit etwas zu tun, dass sich "die Jusitz" nicht auf das Nase 'rumtanzen lassen will. Das will da die Mehrheit nicht -- und definiert" auf der Nase rumtanzen" generell so, dass es alles umfasst, was dem konservativen Mainstream nicht passt.