Härtere Strafen gegen Aktivist:innen: Die Eskalationsspirale geht weiter
Die Berliner Innensenatorin fordert, Klima-Aktivist:innen länger in Gewahrsam zu nehmen. Damit verunglimpft sie friedlichen Protest.
M it populistischen Forderungen heizt SPD-Innensenatorin Iris Spranger die gesellschaftliche Stimmung gegen die Aktivist:innen der Letzten Generation weiter an. So sollen Klimaaktivist:innen in Berlin länger als die derzeit gültigen 48 Stunden in Gewahrsam genommen werden können.
Sprangers Vorstoß ist in erster Linie ein Versuch, sich im kommenden Wahlkampf als harte Law-and-Order-Politikerin zu profilieren. Konkrete Folgen wird der Vorstoß vermutlich keine haben. Grüne und linke Koalitionspartner zeigten sich bereits empört; auch ist eine Neuauflage des Berliner Polizeigesetzes unwahrscheinlich, da erst vor zwei Jahren die letzte Novelle nach mühseligen Verhandlungen verabschiedet wurde – eine wesentliche Änderung war die Verringerung der Präventivhaft von vier Tagen auf 48 Stunden.
Gewaltausbrüche werden in Kauf genommen
Viel bedenklicher sind die Kollateralschäden, die dieses Wahlkampfmanöver hinterlässt. Denn mit ihrem Vorstoß treibt die Innensenatorin die Eskalationsspirale in der Debatte weiter an. Wurde bisher noch diskutiert, ob friedliche Straßenblockaden eine verhältnismäßige Protestform sind oder nicht, stellt sich Spranger nur die Frage, wie viele Tage es angemessen ist, Klimaaktivist:innen einzusperren.
Ohne Gerichtsurteile abzuwarten, stellt die Innensenatorin mit ihrem Vorstoß sämtliche Klimaaktivist:innen als Straftäter:innen dar und spricht dem gewaltfreien Protest jegliche Legitimation ab. Besonders perfide ist, dass Spranger ihre Forderung damit rechtfertigt, dass in Bayern Aktivist:innen 30 Tage lang eingesperrt werden dürfen – als würde ein Unrecht das andere rechtfertigen.
Auch wenn in Berlin keine bayerischen Verhältnisse drohen, werden die Aktivist:innen der Letzten Generation zu Unrecht vorverurteilt. Im Zuge der aufgeheizten gesellschaftlichen Stimmung wächst damit die Gefahr, dass es tatsächlich zu schweren Gewalttaten gegen die Aktivist:innen kommt. Eine Gefahr, die Spranger willentlich in Kauf nimmt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel