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Habecks KlimapläneDas ganz große grüne Rad

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

Habecks Vorhaben für den Klimaschutz klingen radikal. Doch zur Energiewende geht es nicht im Schlafwagen: Wir müssen unsere Komfortzone verlassen.

Der grüne Klimaschutzminister will das Tempo zum Ausbau erneuerbarer Energien verdreifachen Foto: Foto [Montage]: Michele Tantussi/reuters, Westend61/getty images

E in Slogan von Bündnis 90/die Grünen lautet: „Radikal ist das neue Realistisch“. Zwischen Wahlkampf, Koalitionsverhandlungen und Regierungsbildung ist das ein wenig untergegangen. Aber was Wirtschaftsminister Robert Habeck jetzt als Klima-Sofortprogramm vorlegt, erfüllt diese Doppelfunktion: Es ist radikal. Und hoffentlich auch realistisch.

Allen, die ein bisschen etwas von Energiepolitik verstehen, sträuben sich bei den Ansagen die Nackenhaare: Den Ausbau von Wind- und Sonnenstrom mal eben zu verdreifachen, Verfahren zu entrümpeln, Behörden zu digitalisieren, Energieeffizienz endlich umzusetzen, doppelt so viel Wasserstoff herzustellen wie geplant, Millionen von Elektroautos und Wärmepumpen auf die Straßen und in die Keller zu bekommen … An jedem einzelnen dieser Vorhaben kann sich die Ampelkoalition verschlucken, und Habeck will alles gleichzeitig. Dazu noch: Wachstum, Jobs, Wohlstand schaffen, die Menschen mitnehmen und überzeugen. Und ein „Wir machen das alle zusammen“-Gefühl im Land und in der Koalition erzeugen. Sonst noch was?

Die Komfortzone verlassen

Aber all das muss Realität werden, will die Regierung ihre Ziele und das Gesetz erfüllen. Ohne eine große Kraftanstrengung von allen Seiten wird es nicht gehen. Ein Deutschland, das mit der Klimaneutralität Ernst macht, wird anders aussehen, als wir es gewohnt sind, wir werden unsere Komfortzone verlassen müssen. Das Programm des Vizekanzlers ist die grüne Version einer Ruck-Rede, nur industriepolitisch unterlegt und ökonomisch wie ökologisch bitter nötig. Es tut gut, von der Regierung endlich mal eine ehrliche Bilanz des deutschen Klimaversagens zu hören – auch wenn es so zutreffend wie einfach ist, der Vorgängerregierung die Schuld zu geben.

Habeck weiß aber auch: Ab sofort ist jede Tonne CO2 zu viel sein persönliches Versagen. Ihn erwarten jede Menge Gegenwind, Debatten und Ärger, aber hoffentlich auch endlich Bewegung. Denn zur Energiewende, die eine Transformation der gesamten Gesellschaft bedeutet, geht es nicht im Schlafwagen.

Da hilft es, dass die schlimmsten Klimaversager unter den Ministerien zuletzt von der Union geführt wurden: Wirtschaft, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft, Kanzleramt. Sonst müsste Habeck des Koalitionsfriedens halber vorsichtiger sein. Aber genau diese Verwaltungen braucht er jetzt für seine Pläne. Und da zeigt sich, wie groß das Rad wirklich ist, das Habeck drehen muss: Ohne die aktive Mitarbeit der anderen Ressorts, des Parlaments, der Bundesländer, von Industrie, Verbänden und Lobbygruppen wird es nichts mit diesem radikalen Plan. So realistisch muss man bleiben.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).