Habecks Energiewendepläne: Dokument der Hilflosigkeit
Der grüne Wirtschaftsminister will noch mehr Staat bei der Energiewende. Das setzt eine problematische Entwicklung der Vergangenheit fort.
D er grüne Bundeswirtschaftsminister will Handlungsstärke zeigen, denn es gibt ein Problem: Die Energiewende in Deutschland kommt nicht so voran, wie es die Bundesregierung vorhat. Offenbar reichen die bestehenden Marktmechanismen und der aktuelle Rechtsrahmen nicht aus, um ausreichend Investoren für Energiewendeprojekte zu gewinnen.
Deswegen will Robert Habeck nun zum großen Wurf ausholen. Doch was als starkes Signal herüberkommen soll, ist vor allem eines: ein Dokument der Hilflosigkeit, der politischen Verzweiflung. Die Pläne des Ministers sind das Eingeständnis, dass die Wirtschaft aus freien Stücken bei der Energiewende kaum mehr bereit ist mitzuziehen. Längst hat sich in der Branche eine Mentalität von Phlegma breitgemacht – ohne Staatshilfe ist kaum noch jemand gewillt, sich zu bewegen.
Denn die energiewirtschaftlichen Kapriolen haben viel Vertrauen zerstört. Als Solar- und Windkraftanlagen, die man seit zwei Jahrzehnten durch das EEG mit Milliardenbeträgen fördert, aufgrund der gestiegenen Börsenstrompreise plötzlich ohne staatliche Stütze rentabel wurden, hatte die Bundesregierung nichts Eiligeres zu tun, als Gewinne abzugreifen. Was den fatalen Eindruck hinterließ: In der Energiewirtschaft sollte man sich nie auf eigene Markterwartungen stützen, sondern nur dort investieren, wo es langfristige Staatsgarantien gibt.
Inzwischen kommt der Staat, der die Energiewirtschaft durch immer kleinteiligere Steuerung zunehmend unter seine Fuchtel brachte, aus dieser Nummer nicht mehr heraus. Mit seinen neuen Ideen setzt Habeck daher notgedrungen die Flucht nach vorne an: noch mehr Staat für die Energiewende.
Natürlich sind manche der Ansätze erwägenswert – gezielte Bürgschaften für Energiewendeprojekte etwa. Schließlich gibt es keinen Grund, einerseits Auslandsinvestitionen durch Hermesbürgschaften abzusichern, andererseits aber Investitionen im Inland, wenn sie den Interessen das Landes dienen, außen vor zu lassen.
Zwei verschiedene Strompreise?
An anderer Stelle werden Habecks Pläne dann aber bizarr. Weil man die Solarindustrie – grundsätzlich sinnvoll – nach Deutschland zurückholen will, die hohen Stromkosten aufgrund der energieintensiven Prozesse der Branche aber ein Problem sind, will der Staat einen subventionierten „Dekarbonisierungsstrompreis“ festlegen. Das wäre das Ende des bisherigen Strommarkts. Zumal diffus bleibt, welches Fass Habeck hier möglicherweise aufmachen will.
Werden die „guten“ Industriebranchen plötzlich andere – günstigere – Stromverträge bekommen als die „bösen“? Man muss kein Oberliberaler sein, um bei solcher staatlicher Einflussnahme ein ungutes Bauchgefühl zu bekommen.
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