piwik no script img

Habecks EnergiewendepläneDokument der Hilflosigkeit

Bernward Janzing
Kommentar von Bernward Janzing

Der grüne Wirtschaftsminister will noch mehr Staat bei der Energiewende. Das setzt eine problematische Entwicklung der Vergangenheit fort.

Robert Habeck im Energiepark in Klettwitz am 22. Februar Foto: Frank Ossenbrink/imago

D er grüne Bundeswirtschaftsminister will Handlungsstärke zeigen, denn es gibt ein Problem: Die Energiewende in Deutschland kommt nicht so voran, wie es die Bundesregierung vorhat. Offenbar reichen die bestehenden Marktmechanismen und der aktuelle Rechtsrahmen nicht aus, um ausreichend Investoren für Energiewendeprojekte zu gewinnen.

Deswegen will Robert Habeck nun zum großen Wurf ausholen. Doch was als starkes Signal herüberkommen soll, ist vor allem eines: ein Dokument der Hilflosigkeit, der politischen Verzweiflung. Die Pläne des Ministers sind das Eingeständnis, dass die Wirtschaft aus freien Stücken bei der Energiewende kaum mehr bereit ist mitzuziehen. Längst hat sich in der Branche eine Mentalität von Phlegma breitgemacht – ohne Staatshilfe ist kaum noch jemand gewillt, sich zu bewegen.

Denn die energiewirtschaftlichen Kapriolen haben viel Vertrauen zerstört. Als Solar- und Windkraftanlagen, die man seit zwei Jahrzehnten durch das EEG mit Milliardenbeträgen fördert, aufgrund der gestiegenen Börsenstrompreise plötzlich ohne staatliche Stütze rentabel wurden, hatte die Bundesregierung nichts Eiligeres zu tun, als Gewinne abzugreifen. Was den fatalen Eindruck hinterließ: In der Energiewirtschaft sollte man sich nie auf eigene Markterwartungen stützen, sondern nur dort investieren, wo es langfristige Staatsgarantien gibt.

Inzwischen kommt der Staat, der die Energiewirtschaft durch immer kleinteiligere Steuerung zunehmend unter seine Fuchtel brachte, aus dieser Nummer nicht mehr heraus. Mit seinen neuen Ideen setzt Habeck daher notgedrungen die Flucht nach vorne an: noch mehr Staat für die Energiewende.

Natürlich sind manche der Ansätze erwägenswert – gezielte Bürgschaften für Energiewendeprojekte etwa. Schließlich gibt es keinen Grund, einerseits Auslandsinvestitionen durch Hermesbürgschaften abzusichern, andererseits aber Investitionen im Inland, wenn sie den Interessen das Landes dienen, außen vor zu lassen.

Zwei verschiedene Strompreise?

An anderer Stelle werden Habecks Pläne dann aber bizarr. Weil man die Solarindustrie – grundsätzlich sinnvoll – nach Deutschland zurückholen will, die hohen Stromkosten aufgrund der energieintensiven Prozesse der Branche aber ein Problem sind, will der Staat einen subventionierten „Dekarbonisierungsstrompreis“ festlegen. Das wäre das Ende des bisherigen Strommarkts. Zumal diffus bleibt, welches Fass Habeck hier möglicherweise aufmachen will.

Werden die „guten“ Industriebranchen plötzlich andere – günstigere – Stromverträge bekommen als die „bösen“? Man muss kein Oberliberaler sein, um bei solcher staatlicher Einflussnahme ein ungutes Bauchgefühl zu bekommen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Bernward Janzing
Fachjournalist mit Schwerpunkt Energie und Umwelt seit 30 Jahren. Naturwissenschaftler - daher ein Freund sachlicher Analysen.
Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • Das Wirtschaftsministerium legt mal wieder einen alten Zopf aus der Schublade auf den Tisch. Schon Altmaier hat seine Freunde mit den hohen Stromverbäuchen mit Sonderkonditionen gepampert. Und nun die Grünen! Da sollte bei den Waferproduzenten oder den Herstellern regenerativer Energiekomponenten generell keine Ausnahme gelten. Denn wenn Sie ihre Fabriken selbst mit entsprechender Energieerzeugern ausstatten haben sie den günstigeren Strom, zumal sich Hr. Habeck besser um ein Ende der Strompreisbildung kümmern sollte, bei der die Fossilen noch immer zum Wohle der Energie-Konzernen den Preis diktieren, damit der dezentrale Einzelanwender und seine 80 Millionen Freunde nur nicht auf die Idee kommen sollen selbst den günstigsten Strom erzeugen zu können.



    "Bürgschaften für Energiewendeprojekte" auch diese werden an den kleinen Unternehmen vorübergehen, oder diese jahrelang mit Bürokratiearbeit beschäftigen; Siehe Coronaunterstützung.



    "Ich bin nicht Minister für die Grünen" zeigt die "Schere" in Habecks Mindset. Er ist Wirtschaftsminister unseres Landes uns sollte seine Arbeit endlich zum Wohle aller Bürger ausrichten und damit nicht die Bürokratie aufblasen und den notwendig rasanten Umbau der Energieversorgung mit altem Wein in neuen Flaschen als grünen Umstieg verkaufen wollen. Wer fossiles Erdgas zu LNG (liquefied natural gas) grünwäscht, hierzu Umweltzerstörendes Fraking akzeptiert und das mit einer langfristigen Option für Wasserstoff verkauft hält nur das Niveau von Christian Lindner, einem "Versicherungspolicenverkäufer", der in die Politik ging, um noch mehr Geld zu verdienen, mit nicht haltbaren Versprechungen.

  • Wenn es die Grünen nicht mehr sein sollen, dann hätte ich gerne eine Alternative benannt.

    Die SPD hat die letzten Legislaturperioden mit begleitet und die aktuelle Situation folgerichtig mit zu verantworten. Da hilft es nicht unbedingt, das in der weiteren Regierungsbeteiligung die CDU zu einer FDP geschrumpft ist.

  • Nunja, es braucht offensichtlich oberlehrerhafte Einmischung, da die bösen Industriebranchen sonst weiterhin unsere Lebensgrundlagen vernichten, was tatsächlich sehr böse ist. Während die guten Branchen die diese Zerstörung nicht oder zumindest weniger betreiben, chancenlos bleiben, denn es ist immer teurer wenn man nicht einfach ausbeutet ohne sich um die Folgen zu kümmern.

  • Alleine schon das Reizwort "mehr Staat" hat bei mir die Alarmglocken schrillen lassen.

    Es geht hier nicht um "mehr Staat" oder "weniger Staat". "Die Wirtschaft" hat uns in diese furchtbare Lage gebracht, weil "die Wirtschaft" der Wille derer ist, die mehr haben als ihnen zusteht.

    Die "freie Wirtschaft", die alles in Ordnung bringt hat Unsummen in die Verbreitung der "Klimaleugnung" [1] versenkt. "Die Wirtschaft" soll's richten?

    Nicht, dass ich da "dem Staat" uneingeschränkt vertraute. Aber "der Wirtschaft" erst recht nicht.

    [1] www.nytimes.com/20...limate-change.html

  • Das Ende des bisherigen Strommarktes wäre ein Segen! Von "Markt" kann in dem Sektor gar nicht gesprochen werden, schon gar nicht von einbem freien Markt. Konzerne haben hier das Sagen - seit jeher. Und die sind perfekt mit der Politik verflochten, nicht zu ihrem Nachteil. Es ist an der Zeit hier endlich den gordischen Knoten zu zerschlagen.

  • Ich glaube nicht mehr an die Grünen.

    Sie haben das Gegenteil von dem gemacht was sie ihren Wählern versprochen haben.



    Statt weniger Kohle mehr Kohle, statt keine AKWs laufen doch noch 3, aus Erdgas wurde Frackinggas und LNG-Gas, welches Unmengen Chlor ins Meer ableitet, Deutschland zum Exportmeister an Panzern.



    Wer dies alles jetzt nur auf Putin abwälzt macht es sich zu einfach.

    Und mein Balkonkraftwerk durfte ich auch nicht "vereinfacht" in Betrieb nehmen, da ich schon eine PV-Anlage mit Eigennutzung habe und diese Balkonanlage somit nur von einem zertifizierten Solarbetrieb für ein paar hundert Euro als "Erweiterung" der bestehenden und nicht als "Balkonkraftwerk" ins Marktstammdatenregister eintragen lassen müsste.

    Tolle Energiewende, was?

    • @Rudi Hamm:

      Ihren ersten Satz kann ich gut nachvollziehen. Verliert sich doch diese Partei seit Teilnahme an der Regierungsarbeit mehr und mehr im Versuch die Ministeriumsbetriebe auf Linie zu bekommen. Versucht mit Kleinklein ihr Ziel zu erreichen, und merkt, trotz politischer Besetzungsänderungen nicht, wie sie ihre Ziele den bürokratischen Abläufen und dem Beamtendenken opfert, um es eben "richtig" zu tun. Herr Habeck ist mittlerweile da angekommen, wo sein Vorgänger aufgehört hat. Das ist bitter und treibt viel zu viele fort von dieser Partei. Balkonkraftwerke sind ein gutes Beispiel, wie eine sehr gute Idee für eine attraktive Massenanwendung von PV-Technik mit großem Potential, durch industrieelles Lobbying, ein bürokratisches Kleinklein erzeugt wird, dass diese Massenanwendung verlangsamt und verhindern wird.



      Am Beispiel Habeck wird deutlich, wie wenig Vertrauen diese Partei in ihre eigenen ihnen nahestehenden Fachspezialisten haben und noch immer den Großen, wie RWE & Co glauben und sich von deren Expertise leiten lassen; siehe auch Kohlekompromiss oder Gasversorgungskriese.



      Ihr Beispiel zeigt auch, das Balkonkraftwerke nicht gemeldet werden sollten, auch nicht wenn versucht wird mit sog. Förderzuschüssen diese dann doch noch zu erfassen. Die Sonne schickt keine Rechnung. Unsere staatlichen Organisationen nach ihren selbsterschaffenen Gesetzen und Verordnungen, sobald das Marktgeschehen für die "Großen" Versorger zu bedrohlich wird. Dabei gibt es auch gute Beispiele in unserer Nachbarschaft in den Niederlanden.

      Ob das noch etwas wird mit den CO² Zielen? Ich glaube nicht mehr daran. Die Zeit reicht nicht mehr. Und dennoch bleibe ich aktiv, um die Energieversorgung den Großen Konzernen im "Kleinklein" zu entreißen und den Menschen in die Hand zurück zu geben, damit sie Energieunabhängig werden und damit eine Selbstermächtigung erhalten. Zumal die Zeit zum Reden schon lange vorbei ist. Taten statt raten!

      • @Sonnenhaus:

        Tolle Antwort, Danke!

    • @Rudi Hamm:

      Putin hat da aber einen wesentlichen Anteil. Ohne sein Gas ist halt alles etwas schwieriger geworden….

      • @Dr. McSchreck:

        "Putin hat da aber einen wesentlichen Anteil."



        Wesentlich ja, aber es liegt nicht nur an ihm alleine.

        • @Rudi Hamm:

          Da missverständlich nochmals genauer:



          Am Krieg hat ganz alleine Putin schuld.



          Aber an unserer Energiepolitik hat diese Regierung auch ohne den Krieg vieles falsch gemacht. Es nun nur auf den Krieg zu schieben ist mir zu einfach.