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Habecks Aussage zur SchuldenbremseFür den sozialen Frieden

Simon Poelchau
Kommentar von Simon Poelchau

Bei der Schuldenbremse wird es 2025 etwas Bewegung geben, sagt der Wirtschaftsminister. Anders geht es auch nicht, denn mit einem dumpfen Sparkurs droht eine Deindustrialisierung.

Robert Habeck Foto: Maurizio Gambarini/imago

B undeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sprach eigentlich nur aus, wovon ohnehin schon jeder ausgeht: Bei der Schuldenbremse wird sich nächstes Jahr etwas tun – entweder mit Ausnahmen für bestimmte Investitionen oder allgemein mehr Flexibilität innerhalb des im Grundgesetz verankerten Regelwerks, das die Ausgaben des Staates begrenzen soll. Schließlich ist es angesichts der wirtschaftlichen und politischen Lage das Beste, was die Politik machen kann.

Bis auf wenige Ausnahmen raten dies auch alle wichtigen Öko­no­m*in­nen des Landes. SPD und Grüne sind sowieso schon für eine Aufweichung der Schuldenbremse. Nur die Spitzen von Union und FDP sind teils aus ideologischen, teils aus wahltaktischen Gründen dagegen. Sie hoffen, sich damit bei den Wäh­le­r*in­nen gegenüber der linken Konkurrenz abgrenzen zu können. Dabei gibt es auch in der Union bereits genügend Stimmen, die mehr finanziellen Spielraum fordern.

Schließlich sind die Herausforderungen, vor dem das Land steht, enorm. Auf 600 Milliarden Euro beziffern das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft und das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung den öffentlichen Investitionsbedarf in den nächsten zehn Jahren.

Deindustrialisierung droht

Will die Politik an der Schuldenbremse festhalten, dann hat sie angesichts dieser gigantischen Summe nur zwei Möglichkeiten: Sie kann es sein lassen und sich die Investitionen in Transformation und Infrastruktur sparen. Dann aber droht wirklich eine Deindustralisierung. Die Bahn wird sich dann über Verspätungen nicht mehr den Kopf zerbrechen können, weil es gar keine brauchbaren Schienen mehr geben wird, auf denen Züge fahren könnten.

Die zweite Möglichkeit wäre, die Mittel durch Umverteilung zusammenzubekommen. Eine Vermögensabgabe etwa wäre zwar wünschenswert, ist aber angesichts der Kräfteverhältnisse weniger realistisch.

Die Mittel durch Ausgabenkürzungen an anderer Stelle zusammentreiben, birgt sozialen Sprengstoff, der die Gesellschaft auseinanderbrechen lassen könnte. Insofern dient die Reform der Schuldenbremse vor allem einer Sache: dem sozialen Frieden.

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Simon Poelchau
Redakteur
ist für Ökonomie im taz-Ressort Wirtschaft und Umwelt zuständig.
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11 Kommentare

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  • Neben der Tatsache, dass die Schulden nie zurückgezahlt werden können, wird bei der Diskussion gern vergessen, dass schon heute die Zinsausgaben mit knapp 40 Mrd € nach den Ministerien Arbeit/Soziales, Verteidigung und Verkehr an vierter Stelle des Bundeshaushalts stehen. Die genannten 60 Mrd. € pro Jahr für den öffentlichen Investitionsbedarf könnten also zu zwei Dritteln finanziert werden, wenn es keine Schulden gäbe. Selbst bei weiter bestehender Schuldenbremse wachsen die Kredite jedes Jahr um mindestens 15 Mrd. € und erzeugen neue Zinsausgaben von 400-500 Mio. €. Das ist etwa soviel wie 2023 zur Förderung der Inklusion von Menschen mit Behinderungen ausgegeben wurde oder 2,5 mal soviel wie die gesamte Gesundheitsforschung. Schade, dass auch die taz unkritisch das aktuelle "Narrativ" bedient, die Lockerung der Schuldenbremse sei der einzige Weg, die (auch finanziellen) Herausforderungen der Zukunft erfolgreich zu meistern. Die Alternative, die Steuereinnahmen zu erhöhen (Vermögens- oder Reichensteuer, Verhinderung von Steuerhinterziehung), werden gleich als "weniger realistisch" abgetan - als ob die zur Novellierung der Schuldenbremse nötige Grundgesetzänderung einfacher wäre.

  • "Deindustrialisierung droht"

    Für ökologisch-verantwortungsbewusst denkende Menschen ist eine Deindustrialisierung doch kein Schreckensszenario. Wenn man den Planeten erhalten will, ist eine Rückabwicklung der letzten 200 Jahre unumgänglich...oder nicht?

  • Es gibt vier Kriterien, die eine sinnvolle Schuldenaufnahme erfüllen müsste:



    1. Sie müsste für Investitionen erfolgen, also für die Erweiterung des Anlagevermögens (möglichst netto, also abzüglich Abschreibungen).



    2. Der Finanzbedarf müsste so groß sein, dass er nicht aus laufenden Erträgen zu finanzieren wäre.



    3. Die schuldenfinanzierte Investition müsste "sich rechnen", also einen Ertrag gegenüber dem Status Quo erbringen, der Zins und Tilgung abdeckt, oder anders gesagt: die Kredite müssten tragfähig sein, über die gesamte Laufzeit.

    Alle drei Kriterien ließen sich durchaus einhalten, also eine (qualifizierte, also zielgebundene) Schuldenaufnahme begründen. Allerdings bräuchte es zunächst eine andere staatliche Rechnungslegung, da derzeit gar nicht bekannt ist, wie es kaufmännisch genau um den "Konzern Deutschland" steht.

    • @bestrosi75:

      Sorry, das 4. (formale) Kriterium ist, dass dem Staat überhaupt Kredit gewährt wird.

  • Es ist schon lustig, wie einige Parteien die Religion des Kapitalismus preisen, aber anscheinend nicht im Ansatz verstehen, dass eine fehlende Binnennachfrage und verfall als Industriestandort (Infrastruktur, digitales, soziales für die Belegschaft etc.) wirtschaftliches Wachstum, ein Kernelement des kapitalistischen Systems, verhindert. Man sieht zu was Jahrzehnte an schwachem Bildungssystem und ein verkrustetes Parteiensystem geführt haben.

  • Schön ist, dass gerade die FDP hier ganz vorne dabei ist beim zu Tode sparen.

    Angeblich ist die FDP doch so unternehmensnah…

  • Es gibt in Deutschland ein Medium welches nahezu krankhaft auf die Auflösung der Schuldenbremse fixiert zu sein scheint: Die TAZ.



    Woher kommt das?



    Die Fakten geben das nicht her. Es gibt mindestens genauso viele gute Argumente für die strikte Beibehaltung der Schuldenbremse wie für eine moderate Anpassung dieser.

    • @Andere Meinung:

      Aha. Welche wirklich guten Argumente für die zwingende Einhaltung der Schuldenbremse gibt's denn?

    • @Andere Meinung:

      Die meisten Wirtschaftsexperten und -institute sprechen sich für eine Aufweichung oder Abschaffung aus. Sogar Industrienahe Experten wie Hüther (www.iwkoeln.de/pre...kungs-bremse.html), aber klar, es ist nur die taz....

      Artikel im Handelsblatt, der Zeit, und anderen namhaften Zeitungen scheinen Sie wohl nicht zu lesen.

  • Die Androhung Deindustrialisierung ist der Schrecken aller Vermögenden, wohl mit Recht, denn dann können sie nicht mehr ausbeuten, arbeiten lassen und ihren Dreck in die Umwelt blasen. Anders herum: Was brauchen wir, die einfachen Leute denn: Mehr als Arbeit und Auskommen in Gemeinschaft, besser geht es doch gar nicht! So toll die eine Seite des Kapitalismus war, mit den vielen Erfindungen und Bequemlichkeiten, die aber auch erwirtschaftet werden können müssen. Wenn Technik dazu führt, dass Menschen ihre Arbeit, ihre Lebensberechtigung verlieren und an den Errungenschaften nicht mehr teilhaben können, ist der Kapitalismus am Ende, weil letztlich die 'Kunden' ausgehen. Wie wir das hinbekommen und -vor Allem,das verstehen!- das wird eine Aufgabe nicht nur von Ökonomen, die die Gemeinwohlwirtschaft entwickeln und fördern Bevor Trump, Höcke oder Lindner den Leuten Angst machen, was ihnen alles weggenommen wird (es stimmt ja, wenn Inflation und Mieten alles auffressen und für die Sozialkasse nichts mehr übrig bleibt...). Habeck muss sich fragen lassen, wer den ganzen technischen Schnickschnack überhaupt braucht und wie wir Wasserstoff überhaupt bezahlen wollen.

    • @Dietmar Rauter:

      Ein Leben auf vorindustriellen Niveau ist kein Schrecken für "die einfachen Leute"?

      Bäuerliches Leben (ohne Industriedünger und Maschinen natürlich) ist für Sie das non plus ultra?

      "Technischer Schnickschnack" das sind auch Medikamente und Hilfsmittel.