Werbekampagne des Finanzministers: Parteitaktisches Kalkül
Das FDP-geführte Finanzministerium hat kurz vor der EU-Wahl eine Kampagne zur Schuldenbremse bezahlt. Parteichef Lindner steht bekanntlich fürs Sparen.
W as ist da los in den Kommunikationsabteilungen der FDP-geführten Ministerien? Da ist Bettina Stark-Watzinger: Neben der liberalen Bildungsministerin stand auch ihr Pressestab im Fokus von Recherchen zur sogenannten Fördermittelaffäre. Nun soll auch das Kommunikationsteam im Finanzministerium einen Bock geschossen haben, indem es kurz vor der EU-Wahl Anzeigen zur Schuldenbremse schaltete und so womöglich für die FDP Kampagne machte. Neue Recherchen zeigen zudem, dass der Finanzminister und gleichzeitige FDP-Chef Christian Lindner mehr von diesen Plänen in seinem Haus wusste als ursprünglich angenommen.
Die FDP hat eine Form von edginess, also Nervosität, mit der sie klare Kante gegen ihre Koalitionspartner zeigen will, zu ihrer Regierungsmaxime erhoben. Die Liberalen hoffen im Wahlkampf so den Vorwürfen zu ihrer Beteiligung an der Ampelkoalition zu entkommen. Dass mit einer solchen Haltung die Grenzen zwischen Partei- und Regierungsamt verschwimmen können, ist die Gefahr dieses egomanischen Politikstils. Die Kampagnenarbeit im Finanzministerium ist ein gutes Beispiel dafür.
46.000 Euro verpulverte Lindners Ressort, um mit Hilfe einer externen Werbeagentur für die Schuldenbremse, also für die von ihm propagierte Haushaltsdisziplin, zu werben. Das ist schon Ironie genug für einen Minister, der ständig davon redet, Deutschland habe keine Einnahmen-, sondern Ausgabenprobleme.
Die Schuldenbremse steht massiv unter Druck: Ökonom*innen mahnen zu mehr Investitionen, um Handel und Produktion zu beleben, Schulen und Brücken wurden über Jahre kaputtgespart. Doch das Finanzministerium hält das Instrument aus dem vorvergangenen Jahrzehnt hoch. Mehr noch: Es wirbt auch noch für diesen Irrweg, auf dem sich die Instandsetzung der Infrastruktur in diesem Land jeden Tag verteuert. Kaum denkbar, dass etwas anderes hinter so einer Kampagne stehen kann als parteitaktisches Kalkül.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen