piwik no script img

Habeck geht auf Protest einLNG-Terminal vor Rügen wird kleiner

Das Wirtschaftsministerium reagiert auf Kritik gegen das fossile Großprojekt vor Deutschlands größter Insel - und verlegt das Projekt.

LNG-Tanker vor der Insel Rügen Foto: Stefan Sauer/dpa

Berlin taz | Nach dem Winter ist vor dem Winter. Um die Versorgung mit Erdgas auch in der kalten Jahreszeit 2023/24 zu sichern, ließ Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Montag ein neues Gesetzesvorhaben auf den Weg schicken. Darin enthalten sind zwei Schiffe für den Import von Flüssiggas (LNG), die im Hafen von Mukran auf der Ostseeinsel Rügen liegen sollen. In dieser Form werde das umstrittene Projekt auf der Insel Rügen wohl kommen, ist man im Wirtschaftsministerium optimistisch.

Die beiden Spezialschiffe sollen verflüssigtes Erdgas von Tankschiffen übernehmen und es wieder in gasförmigen Zustand umwandeln. Über eine neue Pipeline würde das Gas dann nach Lubmin an der Ostseeküste strömen, dort in das Netz eingespeist, schließlich Wohnungen und Unternehmen erreichen. Das und mehr steht in der dritten Novelle des LNG-Beschleunigungsgesetzes (LNG: Liquid Natural Gas, flüssiges Erdgas).

Im Wirtschaftsministerium geht man davon aus, damit dem Protest auf Rügen entgegengekommen zu sein. Erst am vergangenen Freitag war Habeck wieder zu Gesprächen auf die Insel gereist. Ursprünglich war geplant, drei Erdgasschiffe in Sichtweite des Touristenortes Sellin auf dem Meer zu verankern. Das hatte Proteste und Demonstrationen ausgelöst.

Nun könnten die beiden Schiffe im Industriehafen von Mukran liegen, wo sie weniger auffallen. Außerdem sollen keine umweltschädlichen Chemikalien eingesetzt werden, versprach das Wirtschaftsministerium. So hofft man dort, dass das Land Mecklenburg-Vorpommern die nötige Genehmigung für das Projekt erteilen werde.

Gasversorgung im kommenden Winter

Nach dem Gespräch am Freitag hatte Landeswirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) den grundsätzlichen Bedarf für die Gasanlandung anerkannt. Allerdings verwies er auf mögliche Konflikte mit dem Tourismus und Naturschutz. Die Landesregierung will die offenen Fragen entscheiden, wenn sie die nötigen Unterlagen der Bundesregierung erhalten hat. Wie lange die Entscheidungsfindung dauert, ist bislang offen. Im Bundeswirtschaftsministerium hieß es, man müsse bald mit den Bauarbeiten beginnen.

Diese Lösung, wenn auch in einer kleineren Variante als vorher geplant, sei nötig, um die Gasversorgung im kommenden Winter zu gewährleisten, sagte das Wirtschaftsministerium (BMWK). Umstritten ist aber, ob so viel neue LNG-Infrastruktur nötig ist, wie Habecks Leute es planen. Eine Vorlage des BMWK für den Haushaltsausschuss des Bundestages im vergangenen März verzeichnete die Planung für sechs schwimmende und drei stationäre LNG-Terminals. Diese könnten im kommenden Jahr eine Überkapazität von bis zu 37 Milliarden Kubikmetern aufweisen – angesichts der Tatsache, dass mittlerweile große Mengen Erdgas durch Pipelines etwa aus Norwegen und Belgien geliefert werden.

Dagegen argumentiert das BMWK, man brauche eine beträchtliche Reserve. Es sei nötig, für Notfälle vorzusorgen. Etwa könne die Norwegen-Pipeline durch Anschläge zerstört werden oder die verbliebenen russischen Importe nach Ost- und Südeuropa ganz versiegen. Dann müsse Deutschland mit seinen Kapazitäten in der Lage sein, die europäischen Nachbarn mitzuversorgen, heißt es in Habecks Haus.

Kri­ti­ke­r:in­nen wie Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), die grüne Bundestagsabgeordnete Lisa Badum und die Deutsche Umwelthilfe halten die geplante LNG-Infrastruktur jedoch für übertrieben. Die Organisation New Climate Institute veröffentlichte eine Untersuchung, derzufolge Deutschland einschließlich der geplanten LNG-Terminals ab 2026 rund 140 Milliarden Kubikmeter importieren könnte, während nur rund 80 Milliarden gebraucht würden. Die Kri­ti­ke­r:in­nen befürchten, dass die LNG-Terminals den nötigen Klimaschutz weiter hinauszögern könnten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
  • Dass, wer den fragwürdigen Titel "Großfinanziererin und Unterstützerin russischer Expansionsfantasien, geschickte Umgeherin europäischer Sanktionen und uneinsichtigste Ministerpräsidentin des Jahres" trägt, auch in seinem Bundesland dazu beitragen könnte, die ausgelöste Misere zu lindern, und zwar zügig und aus Gründen der Verantwortung - da ist noch keiner drauf gekommen, oder?

  • Das LNG Terminal ist ein schönes Beispiel für die verlogene Politik in der Berliner Blase, für die die Bevölkerung auf dem Land leiden immer wieder muss.

    • @Kristina Ihle:

      Was für eine Vereinfachung 1



      Wenn es im WInter kalt wird und kein Gas in der Heizung ist geht das Geschrei wieder in die andere Richtung

      • 3G
        32051 (Profil gelöscht)
        @Opossum:

        Genau so ist es.

  • Der ganze LNG-Quatsch wäre nicht nötig gewesen, wenn die jungen, halbwissenden Protestler nicht so agiert hätten. Politiker haben sich ins Boxhorn jagen lassen. Lastenräder fahren und SUVs verdammen ist keine Lösung!

    Teures Frackinggas aus den USA ist nun eine Tatsache. Gaseinkauf aus Katar ebenso. Das ist das Resultat einer völlig verfehlten Politik, einer völlig absurden Denke in diesem Land!

    Wir sollten unsere Rohstoffe nutzen so gut es geht, also Schiefergas nutzen, Geothermie massiv ausbauen, CCS schnellstmöglich einführen - seit 10 Jahren muss man sich diesen Greenpeace-Unsinn anhören. Und natürlich jede Menge Photovoltaik auf den Dächern.

    Die völlig Verwirrten wollen wieder Atomkraftwerke bauen und trauen sich, diesen Unsinn auch noch in Talkshows großspurig zu erzählen.







    Tempo 120 auf Autobahnen - das bringt kaum was, da ja sowieso bereits viele, viele Schilder an Deutschlands Autobahnen stehen.

    Das Abbrennen des Urwaldes stoppen! Harte wirtschaftliche Konsequenzen, falls das nicht passiert. Lula hat bisher enttäuscht!

    Überhaupt muss die Regierung viel mehr agieren anstatt - wie jahrzehntelang - reagieren, meist wenn es eh schon zu spät ist.



    Wir brauchen einfach bessere Leute! Die gibt es. Gebt denen eine Chance und macht lukrative Angebote.



    Ein Beispiel ist Fabio De Masi. Ein Spitzenmann! Leider will er was anderes machen.

    • 3G
      32051 (Profil gelöscht)
      @M. Stockl:

      Der Herr De Masi ist nicht mehr im Bundestag.

  • Umweltschädlich produziertes Gas wird mit umweltschädlichen Riesentankern an umweltschädigend gebaute Terminals in empfindlichen Ökoreservaten angelandet um umweltschädlich zu strom verbrannt zu werden damit wir mit diesem Strom dann heizen oder fahren können. Hauptsache die Wirtschaft brummt und der Russ wird besiegt- vielleicht.

    • 3G
      32051 (Profil gelöscht)
      @Mohammed Wasiri:

      Das umweltschädliche Gas wird mittelfristig durch grünes Gas ersetzt.

      Und den Speicher brauchen wir.

      Jetzt und in Zukunft.

      Platzt die Leitung nach Norwegen, ist das Geschrei genauso groß, wie das "wir brauchen erstmal Speichermöglichkeiten" Geschrei

  • Wie sieht es nun aus mit den Plänen der "Grünen", vor Juist/ Norderney in einem ökologisch hochsensiblen Wattgebiet (sehr hohe globale Relevanz, was diese Rastgebiete fuer Zugvögel angeht) nun nach Erdgas gebohrt werden soll?



    Da scheint mir ein Terminal vor Rügen noch sehr harmlos dagegen, oder?

    Von besonderer Brisanz:



    Eine Gesetzesnovelle des Wattenmeergesetzes sollte noch 2021 die Öl- und



    Gasförderung im Niedersächsischen Wattenmeer ein für allemal



    auszuschließen.



    Was kehrt mich aber meine Umweltschutzpolitik von gestern?



    Und die Grünen wundern sich wirklich über ihre Wahlverluste in Bremen?



    Ernsthaft?

    Bitte einmal hier im Detail berichten! Wäre wirklich toll!

  • Stoppt LNG auf Rügen in Gänze. Das Zeug braucht niemand. Hier wird auf Druck der Industrie Überkapazität geschaffen und dabei sinnlos unsere Heimat und Natur zerstört.

    • @Sonnenhaus:

      Genau so sieht es aus

    • @Sonnenhaus:

      Aber Nord Stream war okay? Kann mich nicht an Proteste dagegen erinnern.

      • @Suryo:

        MV muss wieder herhalten. Pufferlagerung für Atommüll aus dem Westen, da man dort, wo der Atommüll produziert wird keine Wähler mit einem Endlager verprellen will.



        Jetzt noch ein LNG Terminal in der ökologisch schon arg gebeutelten Ostsee vor Rügen. Rügens einziges Pfund ist der Tourismus. Aber da die Grünen und auch Teile der SPD Vorpommern schon komplett aufgegeben haben, ist das wohl auch nicht von Relevanz. Warum treibt man die Leute sehenden Auges in die Arme der AfD?

  • Hoffe, dieser Irrsinn sorgt dafür, dass dieses grüne Personal bei den nächsten Wahlen weg vom Fenster ist.



    Hoffentlich, hoffentlich kommen kluge und wirklich grüne Köpfe nach und die Partei etneuert sich!

    • @R.A.:

      Diese Hoffnung können Sie getrost begraben- DAS würden die Lobbyisten im WiMi (Blackrock...) nie zulassen! Wirtschaft und Umwelt sind noch nie zusammengegangen. Das eine sinkt, das andere steigt- Kybernetik nennt man das glaube ich.

  • Da hat wohl die Gaslobby nachgeholfen.