piwik no script img

Gutschein-Idee der GrünenBesser als Steuersenkungen

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Die Grünen wollen kleine Betriebe fördern. Am besten wäre, das Geld direkt an die Mini-Firmen zu verteilen.

Einkaufsgutscheine für alle Bundesbürger sollen Kleinstgeschäfte vor dem Aufgeben retten Foto: Rick Bowmer/ap

D ie Idee der Grünen klingt charmant: Alle Bundesbürger sollen einen staatlichen Einkaufsgutschein von 250 Euro erhalten, mit dem sie dann ihre Lieblingsläden und -kneipen aufsuchen können. Gedacht ist also an eine Art öffentliche Nachbarschaftshilfe. Die Grünen wollen die kleinen Betriebe vor Ort stützen, die durch die Corona-Krise am meisten gelitten haben. Supermärkte und Online-Handel sind ausdrücklich ausgenommen.

20 Milliarden Euro soll das Projekt kosten. Doch so bodenständig die Gutschein-Idee klingt – diese staatlichen Milliarden würden weitgehend verschwendet. Ein gutes Beispiel sind die Kneipen: Sie dürften kein Problem haben, ihr Stammpublikum anzulocken, sobald die Corona-Krise vorbei ist. Auf nichts warten die Deutschen sehnlicher, als endlich ihre Freunde auf ein Bier zu treffen.

Normalerweise würden sie dafür ihr eigenes Geld ausgeben, aber wenn es einen staatlichen Gutschein gibt, dann zahlen sie natürlich damit. Im Ergebnis würden die Kneipen also gar nicht mehr Umsatz machen. Stattdessen würde das staatliche Geld letztlich auf den Sparbüchern der Bürger landen. Natürlich gibt es arme Familien, die sich ohne den Gutschein einen Gang ins Restaurant nicht leisten könnten.

Und natürlich ist vorstellbar, dass es zu indirekten Effekten kommt – dass also die Kneipengänger das Geld, das sie durch den Gutschein sparen, hinterher in einem Kleiderladen oder im örtlichen Buchhandel ausgeben. Aber diese indirekten Geld-Kaskaden sind unkalkulierbar und erinnern stark an den Spruch „Hätte, hätte, Fahrradkette“. Die Idee der Grünen krankt daran, dass sie sich auf einem Umweg ans Ziel pirschen wollen.

Der schlauste aller dummen Vorschläge

Ihr Anliegen ist, völlig richtig, die kleinen Betriebe zu unterstützen, die durch die Corona-Krise an den Rand des Bankrotts geraten. Aber der effektivste Weg wäre, die 20 Milliarden Euro direkt an diese Mini-Firmen zu verteilen. Dann wäre den Kneipen und Läden tatsächlich geholfen: Sie hätten das staatliche Geld und zusätzlich den Umsatz, der sowieso anfällt. Auch den Grünen dürfte klar sein, dass ihr Plan suboptimal ist. Aber sie befinden sich gerade in einer politischen Abwehrschlacht.

Mit ihrer Gutschein-Idee wollen sie nämlich einen noch dümmeren Plan verhindern: Viele Politiker aus CDU und CSU trommeln inzwischen für Steuersenkungen, die sehr teuer wären, von denen nur die Reichen profitieren würden, die den Kleinstbetrieben gar nicht helfen würden – und die in alle Ewigkeit gelten würden. Insofern ist der grüne Plan doch ganz pfiffig. Er ist gerecht, billig, zeitlich begrenzt, hilft auch den Armen und sicher auch ein paar Kleinstbetrieben. Im Wettstreit der dummen Vorschläge ist die Gutschein-Idee die schlauste.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
  • Warum von Steuersenkungen nur Reiche profitieren, bleibt eines von Frau Herrmanns vielen Geheimnissen.



    Wenn man die Freibeträge



    (es gibt so viele - neben Grundfreibetrag und Kinderfreibetrag z.B. Arbeitnehmer-Pauschalenan für Werbungskosten... Ausgaben für Fitness/vorbeugenden Gesundheitsmaßnahmen ähnlich der haushaltnahem DL zu 20% abzugsfähig machen - oder wie Ärzte und Bildungsträger von der Ust. befreien... alleine eine Ausweitung der Kleinunternehmerregelung wäre auch mit einem positiven Effekt verbunden...)



    heben würde und zugleich den Wirkungsbereich der "Reichensteuer" etwas ausweiten würde (z.B. ab 200t€ p.a. statt bisher 250t€), dann wäre das vermutlich fiskalisch immer noch ein Minus, aber eines, das eher "unten" als ganz oben ankommen würde.

  • Die Menschen, denen gerade das eigene Einkommen zum großen Teil oder ganz weggebrochen sind, können die 250 Euro gut gebrauchen und ihnen seien die auch gegönnt. Aber die werden das Geld für die normalen Haushaltsausgaben, hauptsächlich Lebensmittel, ausgeben und damit landet das Geld dann im wesentlichen bei den Big Four (Aldi, Schwarz-Gruppe, Rewe, Edeka) und nicht bei kleinen Läden.



    Alle anderen werden das Geld für irgendetwas ausgeben, dass sie sich sonst nicht gekauft hätten also für zusätzlichen Konsum und ob der dann beim kleinen Laden oder beim großen Filialisten oder Frachisenehmer landet kann keiner beeinflussen, denn auf dem Gutschein werden natürlich nicht die Namen der einlösenden Läden aufgeführt sein. Hinzu kommen noch wie in einem Kommentar weiter unten beschrieben unschöne Mitnahme Effekte.



    Wenn man kleinen Läden und der kleinen Gastronomie helfen soll, dann soll man das direkt tun. Der Umweg mit dem Gutschein über den Verbraucher dient doch nur dazu Wählerstimmen einzusammeln. Außerdem ist dieser Weg viel kostenintensiver als direkt Hilfen, denn die direkten Hilfen kommen zu 100% dem Adressaten zu gute, von einem Gutschein nur ein Bruchteil, denn davon geht die Umsatzsteuer ab und natürlich die Kosten für den Einkauf der Waren die der Kunde mit dem Gutschein gekauft hat. Es bleiben dem eigentlichen Adressaten von den 250 Euro dann vielleicht noch 100 Euro!



    Das Geld für die eingekauften Produkte fließt dagegen zu teilen an Unternehmen die absolut keine Hilfe brauchen oder schon Hilfen aus andere Töpfen erhalten haben!

    • @Ressourci:

      Ich sehe das ähnlich, will mir aber einen kleinen Hinweis erlauben: "Kostenintensiver" ist der Gutschein nicht, der Verwaltungsaufwand ist bei einer Direktzuteilung höher. Gutscheine muß man nur drucken, verschicken und bezahlen, das ist alles automatisierbar. Das andere wäre wohl wieder ein Prozess mit Anträgen - die weitestgehend manuell gestellt, geprüft, bewilligt werden müssen...

  • Boah Leute, "Konsumrausch", "Neokapitalismus"? Weil man kleine lokale Läden fördert, die ums Überleben kämpfen? Mit 250 Euro Gutscheinen? Ernsthaft?

    Die Leute werden auch so Dinge kaufen. Und weils billiger ist dann eben meist bei den Großmärkten, den internationalen Ketten oder bei Amazon, die grad der größte Krisenprofiteur sind.

    Ich wüßte ganz genau, wen ich damit unterstütze. Und dort angelegt, wäre es das komplette Gegenteil von neoliberalem Konsumterror.

  • "Normalerweise würden sie dafür ihr eigenes Geld ausgeben"

    Das hängt stark von der Klientel ab. Mitarbeiter im Homeoffice ohne Einkommeseinbußen können Geld ausgeben. Diejenigen, die 40-100% Einkommensverluste hinnehmen müssen (Angestellte, Minijobber, Soloselbstständige...) haben effektiv kein Geld, um es in die Eckkneipe zu tragen. Da ist die Idee der Grünen ganz richtig.

    Natürlich muß man Kleinbetriebe zusätzlich noch direkt unterstützen. Die Steuerlösung dagegen ist nur für diejenige interessant, die trotz Verlusten noch reichlich Einnahmen hatten, und deshalb überhaupt noch Steuern zahlen.

  • „Zweckmäßiger wäre es, das Geld direkt an die Mini-Firmen zu verteilen“



    Etwa nach dem berüchtigten Gießkannenprinzip?!

  • Also ich bin auf jeden Fall dafür. Für 250 € was kaufen und auf Ebay vertickern. Danke.

    • @Motz Christian:

      Wäre es nicht einfacher, gleich etwas zu kaufen, was Sie benötigen?

  • Für mich als Grünen-Wähler ein geradezu infantil-peinlicher Vorschlag. Die Grünen sollten eher mal ihre Position zum Neokapitalismus bzw. "-liberalismus" klären, denn ohne das werden sie keines ihrer Ziele erreichen können.

  • 9G
    97760 (Profil gelöscht)

    Wie ist " Kleinbetrieb" definiert? Viele Millionäre leisten sich als Hobby Innenstadtkneipen oder gar Kneipenketten

  • Prinzipiell finde ich die Idee gut Gutscheine für kleine stationäre Geschäfte/Läden zu verteilen. Eine etwas freiere Variante der Abwrackprämie.

    Besser fände ich es die MwSt. für die Gewinner der Krise dem Online zu erhöhen: Zugunsten des stationären Handels. Sozusagen als Ausgleich für die derzeitige Wettbewerbsverzerrung.

    So eine Art Soli-Steuer für Läden Geschäfte Kneipen etc. - finanziert von Amazon & Co.

  • "Auf nichts warten die Deutschen sehnlicher, als endlich ihre Freunde auf ein Bier zu treffen."

    Bitte keine Stereotype. Nicht jeder Mensch in D hat dieses Bedürfnis.

    Übrigens ist die Summe eher zu hoch, um sie in der Eckkneipe auszugeben. Oder wo gehen Sie Ihr Bier trinken?

  • 9G
    97287 (Profil gelöscht)

    Brot und Spiele. — funktioniert immer noch.

  • Die Grünen fühlen sich für den Konsumrausch zuständig. Sieh an. Da werden einige wegen dem Absacken der Umfragewerte scheinbar nervös. Eine nachhaltige Zukunftsstrategie ist das aber nicht.

    • @APO Pluto:

      Doch nachhaltig. Bei Einkommenseinbußen durch Kurzarbeit oder Wegfall eines Minijobs ist das Haushaltsgeld so knapp, dass selbst bei Öffnung von Geschäften und Restaurants nicht genug Umsatz möglich ist. Von "Konsumrausch" bei 250€ zu sprechen ist auch gewagt. Dass kann nur jemandem Einfallen, der bei gutem Gehalt die Krise gemütlich im luuriösen Homeoffice erleben durfte, Weniger die alleinerziehende Mutter, oder der Alleinunterhalter.

      • @Martin_25:

        Wer arbeitslos wird muss auch mit weniger auskommen. Da kräht dann kein Hahn nach ob das Geld reicht. Und wer nach einem Jahr Hartz-IV bekommt, der wird auch "im Regen stehen gelassen".



        Wenn wir uns noch nicht einmal für 2-3 Monate bescheiden können, werden wir die Klima- und Umweltkrise nie bewältigt bekommen.

        Mehr Konsum kann nicht nachhaltig sein.



        Und mit dem luxuriösen Homeoffice und gutem Gehalt liegen sie bei mir total daneben.

  • Da gab es doch auch noch was wie Klimawandel, Artenschutz und Überkonsum. Aber von Konsumkritik und Suffizienz haben sich die Grünen ja schon vor langem verabschiedet, heute trägt man unterm eingeschrumpften grünen Mantel schwarzes oder gelbes Hemd und zeigt dies auch gerne mit vor Stolz geschwellter Brust.



    Bei Brecht heißt es 'Erst kommt das fressen dann die Moral' und bei den Grünen heißt es 'Erst kommt die Wirtschaft und dann die Umwelt noch lange nicht', es ist an der Zeit das Grün aus dem Namen der Partei zu streichen.