Gustl Mollath klagt auf Schadenersatz: Er will 2,1 Millionen Euro

Zahlen will man dem Justizopfer nur 170.000 Euro. Das ist ihm nicht genug für ein Leben, das er als zerstört ansieht. Jetzt will er klagen.

Gustl Mollath

Gustl Mollath am 1.3.2018 in München Foto: dpa

MÜNCHEN taz | 2.747 Tage – das sind siebeneinhalb Jahre – war Gustl Mollath in der Gefängnispsychiatrie weggesperrt – zu Unrecht, wie das Landgericht Regensburg im Sommer 2014 geurteilt hatte. Auch hatten die Richter damals festgestellt, dass der heute 61-jährige Mann aus Nürnberg Anspruch hat auf staatliche Entschädigung für das ihm widerfahrene Unrecht.

Aus dem Schadenersatz ist aber bisher, dreieinhalb Jahre nach dem Urteil, noch nicht viel geworden, wie gestern auf einer Pressekonferenz mit Mollath und seinem gegenwärtigen Anwalt Hildebrecht Braun zu erfahren war. „Nach dem Freispruch ist keiner auf ihn zugekommen“, klagt Braun. Niemand in der Justiz oder im zuständigen Ministerium habe sich gefragt: „Wovon lebt der Mann eigentlich?“ Nachdem Mollath schließlich im vergangenen Jahr beim bayerischen Justizminister Winfried Bausback (CSU) angefragt hatte, wurde ihm beschieden, dass er maximal 170.000 Euro für die siebeneinhalb Jahre erhalte, 70.000 davon wurden schon gezahlt.

Mollath sieht das als viel zu wenig an für sein weitgehend zerstörtes Leben und wird deshalb Klage beim Landgericht München einreichen: Er möchte 2,1 Millionen Euro an materiellem und immateriellem Schadenersatz. Justizminister Bausback erklärt, Mollath habe die Frist für die Beantragung von Entschädigung verstreichen lassen. Zudem habe er keine Angaben über seinen mutmaßlichen Verdienstausfall gemacht. Auch in einem Gerichtsverfahren würden ihm nicht mehr als 170.000 Euro zugesprochen werden.

Ein höheres Angebot könnte die Klage wohl abwenden

In der Klage Mollaths wiederum sind unter anderem veranschlagt: Verdienstausfall, Entzug seines Hauses, keine Chance auf Wiedereinstellung sowie ein Schmerzensgeld für Zufügung seelischer Qualen, schwere Traumatisierung und öffentliche Stigmatisierung. Der Anwalt Braun lässt aber durchblicken, dass ein deutlich höheres Angebot Bayerns die Klage noch abwenden könnte. Im Vergleich: Zu Unrecht eingesperrte Gefangene erhalten 25 Euro Haftentschädigung pro Tag plus den Verdienstausfall.

Als bekanntestes deutsches Psychiatrie-Opfer wirkt Gustl Mollath so, wie man ihn schon bei früheren Treffen erlebt hat: Gekleidet im schwarzen Anzug mit roter Krawatte, gepflegtem Oberlippenbart und akkuratem Seitenscheitel. Entschieden kritisiert er weiterhin die Zwangspsychiatrie, ist aber auch ironisch bis witzig und sagt etwas geschraubte Sätze wie: „Ich bin ihnen sehr dankbar, dass sie uns ihre Zeit gönnen und uns zuhören.“ Weiterhin wird er von einigen Freunden unterstützt, mehr will er nicht erzählen: „Ich möchte mir wieder ein privates Leben aufbauen.“

2006 war Mollath vom Landgericht Nürnberg für schuldunfähig erklärt worden, ihm wurden paranoide Wahnvorstellungen attestiert. Da er als für die Allgemeinheit gefährlich eingestuft wurde, landete er in der Forensik, der geschlossenen Psychiatrie für Straftäter. Vorangegangen war eine auch im letzten Urteil festgestellte Misshandlung seiner damaligen Frau im Jahr 2001. Mollath hatte der Vermögensberaterin der bayerischen Hypo-Vereinsbank – im Mai 2017 ist sie gestorben – und weiteren Angestellten vorgeworfen, für Kunden in großem Ausmaß Schwarzgeldgeschäfte zu tätigen. Dies wurde vom Gericht als Wahn eingestuft, 2012 gab die Bank die Vorwürfe aber im wesentlichen zu. Im Urteil 2014 wurde festgestellt, dass Mollath nicht gemeingefährlich war und ist.

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