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Günstiger ÖPNV nach dem 9-Euro-TicketMöglichkeitsfenster nutzen!

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Plötzlich fordert sogar Markus Söder günstigen Nahverkehr nach dem 9-Euro-Ticket. Gut so.Nur leider bremst FDP-Verkehrsminister Volker Wissing.

Jetzt ist sogar Markus Söder für günstigen Nahverkehr (Archivbild) Foto: Sven Hoppe / dpa

W as für ein Möglichkeitsfenster: Noch nie ist in Deutschland so breit und ernsthaft über die Preise im ÖPNV diskutiert worden wie rund um das 9-Euro-Ticket. Verbände, Nichtregierungsorganisationen und jetzt sogar CSU-Chef Markus Söder legen Vorschläge vor, wie es weitergehen könnte, wenn die bundesweite Flatrate im September ausläuft. Der bayerische Ministerpräsident übernimmt mit dem bundesweit geltenden 365-Euro-Jahresticket einen Vorschlag von Deutscher Umwelthilfe und Linkspartei. Wow! Was für eine Verschiebung der Diskussionsachse.

Bis vor Kurzem kannten die Preise für den ÖPNV nur eine Richtung: nach oben. Das 365-Euro-Ticket war ein Nischenthema, um das sich einige Spe­zia­lis­t:in­nen gekümmert haben. Ihre Forderungen galten als utopisch. Mit dem 9-Euro-Ticket ist eine ganz neue Dynamik in die Diskussion gekommen. Das ist gut – wenn den Worten Taten folgen. Bayern könnte ja den Anfang machen und als ersten Schritt für das Bundesland das 365-Euro-Ticket ab September einführen. Söder hat eine feine Nase für Stimmungen.

Er weiß, dass sehr viele Menschen das 9-Euro-Ticket schätzen. Sein Vorschlag spiegelt die Stimmungslage wider. Die Gesellschaft ist bereit, viel Geld in den ÖPNV zu investieren, auch wegen des Klimas. Aber die FDP und ihr Verkehrsminister sind es offenbar nicht. Deshalb zeigt Verkehrsminister Volker Wissing keinen Ehrgeiz, einen eigenen Vorschlag für eine Anschlusslösung vorzulegen.

Er will erst einmal verschiedene Modelle prüfen, also abwarten. Die Gefahr – oder aus Sicht der FDP: die Chance – ist groß, dass sich das Möglichkeitsfenster dann schließt. Dann bliebe das 9-Euro-Ticket eine Episode ohne Folgen. Das wäre schade.

Am besten wäre eine Lösung, die sich alle leisten können – wie das 9-Euro-Ticket. Aber ein bundesweit gültiges 365-Euro-Jahresticket wäre immerhin ein Anfang, und zwar ein notwendiger. Hauptsache, im September bricht das Projekt günstigerer ÖPNV nicht einfach ab.

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Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
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9 Kommentare

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  • Die ketzten Verkehrsminister waren von der CSU.



    Leider forderte keiner von diesen Herren günstigen Nahverkehr.



    Die Tatsache, dass Herr Söder dies nun tut, bringt Ihn in der Sommerpause in die Schlagzeilen.



    Natürlich ist es wieder eine Gelegenheit die Ampel von Bayern aus zu kritisieren.



    Für eine Idee, die die Ampel hatte und Erfolg hat.



    Herr Söder hat momentan keinen Erfolg, außer in den Medien.



    Er hat schon seit Jahren keinen Erfolg beim Windkraftausbau und auch keinen Erfolg bei der weiteren Finanzierung der Coronatests.



    Die scheiterte an den Ländern.



    Hier steht Herr Lauterbach in der Kritik, da die Länder nicht einmal cofinanzieren wollen.



    Die Länder wünschen sich also eine Weiterfinanzierungdes 9 Euro Tickets vom Bund und wenn der das nicht macht, blockiert er die "tolle Idee" Söders.



    Günstiger Nahverkehr ist gut.



    Volkswirtschaftlich betrachtet schlagen wir uns gerade mit Corona, einer Gaskrise, einem Krieg den wir mitfinanzieren , einem Ausbau der Bundeswehr, und so diversen Kleinigkeiten wie dem Versuch des Umbaus unserer Volkswirtschaft zu einer klimaneutralen, rum.



    Der Zeitpunkt für "freie Fahrt für Alle" ist eher ungünstig.

  • Es gibt da kein „Möglichkeitsfenster“. Der ÖPNV ist in großen Teilen vollkommen überlastet, der Ausbau wird Jahrzehnte dauern.

    Es droht der „Corona-Effekt“, also die Überlastung des Personals die zu Kündigungswellen führt und alles nur noch schlimmer macht.

    Es ist da nicht mit irgendeinem „Ticket“ getan, das ist eine Debatte auf einem absurden Niveau. Man kann nichts verteilen was man nicht hat, weder Gas, noch ÖPNV, noch Wohnraum, etc…

    Der deutschen Linken ist der Mangelbegriff vollkommen abhanden gekommen. Es ist nur noch grotesk.

  • Das ist nun wirklich populistische Söder Augenwischerei: damit werden die Ursachen der DB Misere überhaupt nicht behoben. Jahrzehnte lang kaputt gesparte Infrastruktur (Züge, Bahnkörper, Geleise, fehlende Rampen für Gehbehinderte, Kinderwagen etc, unötig kompliziertes Tarifsystem, Fokusierung auf den Fernverkehr... Einfach 'mal über den Tellerrand 'raus schauen und z.B. bei oebb und sbb abkupfern würde schon reichen.



    .

  • "Nur leider bremst FDP-Verkehrsminister Volker Wissing."

    Bremst?

    Soweit ich das in anderen Medien wie bei Spiegel Online ( www.spiegel.de/pol...-b159-a4c9027c9bdb ) lese ist Wissing längst dabei, durchzurechnen, welches Model das finanzuell gangbare ist.

    Die taz hängt der Debatte hinterher.



    "Bezahlbar" ist ein dehnbarer Begriff.

    Es kann nicht sein, dass sich da nur Söder meldet. Mir fehlen vor allem auch SPD und Grüne, die da ihren Willen bekunden für ein neues Modell.

  • Söderla soll selber zahlen fürn Eineuroamtag-Ticket im Freistaat. Von BAYERISCHEM Geld ? So hat er das sicher nicht gemeint. Landespolitik mutiert doch zunehmend zu Is-wie-Weihnachten: Wünsch dir was. Der Bund soll dafür die Schulden machen ...

  • Wäre ja was, wenn es günstige Tickets für bundesweite Nutzung weiterhin gäbe.



    "Nur leider bremst FDP-Verkehrsminister Volker Wissing."



    Tja, womöglich fehlt da wieder was - wie beim Tempolimit die Schilder. Vielleicht ist Papier ... Mensch weiß es nicht. Der arme Herr Wissing!

  • Wunschdenken. Der Fern- und Nahverkehr mit der Bahn wird nicht plötzlich günstiger, wenn dies politisch postuliert wird. Der Nah- und Fernverkehr muss unterhalten werden, das gelingt wohl kaum mit 9 Euro pro Einwohner und Monat, auch 19, 29 oder 39 Euro werden nicht reichen. Zumal nicht jeder solch ein Ticket kaufen wird, wenn es mehr als 10 Euro kostet. Bereits nach 1,5 Monaten erhöhter Inanspruchnahme beklagt die Bahn ein massive Abnutzung der Züge, die nicht refinanziert sei ...

  • Es ist gut und förderlich , dass auch die CDU nun Druck macht, damit endlich ein 365€ Ticket oder etwas besseres noch kommt.

    Der gesellschaftliche Konsens ist da.



    Rot-Gelb-Grün muss nun nur noch liefern.

    • @Rudolf Fissner:

      Kann mir einer mal erklären, warum deutschlandweiter Nahverkehr für 1 € / Tag eine sozial- und verkehrspolitisch gute Idee sein soll?