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Grundeinkommen mit ÖkofaktorRauch zu Geld

Eine Bürgerbewegung will eine Umverteilung à la Robin Hood: Wer viel CO2 emittiert, soll zahlen. Das Geld soll weniger Betuchten zugutekommen.

Einfamilienhäuser. Da könnte emissionsmäßig einiges anfallen Foto: dpa

FREIBURG taz | Klimaschutz und Grundeinkommen in einem Paket – diese Idee findet international immer mehr Unterstützer. Das Konzept ist einfach: CO2 wird besteuert, das eingesammelte Geld anschließend pro Kopf wieder ausgeschüttet.

Entsprechende Initiativen sind unter dem Namen Citizens’ Climate Lobby inzwischen in den USA, aber auch zum Beispiel in Frankreich und Großbritannien, in Australien, Brasilien, Kanada und Indien vertreten. Auch in Deutschland gibt es nun einen entsprechenden Verein, der unter dem Namen “Bürgerlobby Klimaschutz“ firmiert.

Martin Delker, ein Münchner Architekt, ist der Vorsitzende des Vereins. Den Begriff Grundeinkommen nutzt er zwar in diesem Zusammenhang nicht, spricht lieber von einer Klimadividende. Schließlich werden die Summen, die jährlich ausgeschüttet werden, zumindest vorerst noch keine Höhe erreichen, die ernsthaft als Grundeinkommen durchgeht.

Aber als einen ersten Baustein dessen kann man die Klimadividende zweifellos betrachten, weil eben jeder Bürger die Auszahlung erhält und der Betrag, so die Idee, Jahr für Jahr erhöht wird.

Zwei Drittel der Haushalte profitieren

Aktivist Martin Delker

Dass das Konzept praktizierbar ist, beweist seit Jahren die Schweiz mit ihrer Lenkungsabgabe. Auch die kanadischen Bundesstaaten British Columbia und Alberta haben eine Rückverteilung pro Kopf für einen Teil ihrer CO2-Steuereinnahmen bereits gewählt. In der Schweiz wurde die Steuer auf Brennstoffe Anfang 2016 auf 84 Schweizer Franken pro Tonne CO2 erhöht, entsprechend etwa 77 Euro.

Daraus ergibt sich zum Beispiel beim Heizöl ein Aufschlag von 22 Rappen (rund 20 Cent) je Liter. Auch Erdgas und Kohle werden entsprechend belastet. Im Gegenzug gibt es eine jährliche Rückerstattung pro Kopf in Höhe von aktuell 62,40 Franken, rund 57 Euro. Das Geld wird über die Krankenversicherer ausgeschüttet, die über das aktuellste Einwohnerregister verfügen, da die Grundversicherung in der Schweiz obligatorisch ist.

Dass die Rückerstattung pro Kopf erfolgt, ist für die Unterstützer der Idee entscheidend. Denn Untersuchungen, wie zuletzt von Forschern des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) in Berlin, zeigen, dass dadurch eine willkommene Umverteilung stattfindet: Ärmere Bürger bekommen in der Regel mehr Geld zurück, als sie eingezahlt haben, bei den Reichen ist es umgekehrt.

Anreiz für Effizienz

Darüber hinaus brauche man die Rückerstattung aus politischen Gründen, sagt Delker. Denn nur wenn klar sei, dass die Gelder den Bürgern wieder unmittelbar zugutekommen, werde man politische Mehrheiten für eine CO2-Steuer bekommen. Und wenn das Konzept langfristig angelegt und berechenbar sei, bekomme man auch die Firmen mit ins Boot, die immer auf verlässliche Rahmenbedingungen drängen.

Ein jährlich um zehn Dollar steigender Preis pro Tonne CO2, sei ein guter Weg, sagt Delker. „Industrie wie Konsumenten können sich auf die steigenden Preise einstellen, die Produkte werden sich ändern, und es gibt einen starken Anreiz, die Energieeffizienz zu erhöhen.“

Diese Idee in die Welt zu tragen hat sich die Citizens’ Climate Lobby vorgenommen: Bürger würden zu „ehrenamtlichen Lobbyisten“, die im Sinne des Klimas auf die Politik einwirken. Grundsätzlich strebe man eine globale CO2-Bepreisung an, sagt Delker, aber für den Anfang seien auch nationale Lösungen sinnvoll.

In der deutschen Politik jedenfalls, sagt Delker, stoße man mit der Klimadividende bei den Parteien durchweg auf Interesse. Für ihn keine Überraschung: „Zwei Drittel der Haushalte profitieren von der Pro-Kopf-Rückzahlung einer solchen CO2-Abgabe.“

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12 Kommentare

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  • Verschmutzungszertifikate funktionieren ganz anders (umweltpolitisch gesehen: gar nicht).

    Da gibt es nämlich keinen festen, kalkulierbaren Preis, sondern eine pseudo-feste (faktisch massiv politischer Einflussnahme unterliegende) Menge möglicher Gesamtemissionen.

    Und diese wird in der Praxis nie unterschritten, weil bei CO2-Einsparungen der Preisverfall der Zertifikate dazu führt, dass es billiger wird, diese Papiere zu kaufen, als in umweltschonende Technologie/Verfahren zu investieren.

  • Die Initative Bedingungsloses Grundeinkommen Rhein-Main hat dazu ein Flugblatt entwickelt, siehe http://bgerheinmain.blogsport.de/2015/11/17/klimawandel-begrenzen-seine-folgen-sozial-gestalten/

  • Für Staaten wo der Korruptionskoeffizient nicht so episch gross ist wie bei uns in Brasilien scheint mir das ein ausgezeichneter, gerechter, notwendiger und umsetzbarer Schritt zu sein. Und genau am zuletzt genannten Wort – umsetzbar – würde es (zumindest) in Brasilien nicht funktionieren. Denn die abgekupferten Beträge würden in die ewig selben Taschen fliessen, die mit den Papier- und Regierungspropagandabegünstigten nicht ident sind. So wie bei der Armenfamilienbeihilfe, den Stipendien für arme Studierende (usw.), die allzuoft nie bei den Armen ankommen, sondern den Reichtum der 1001 Lokal(polit)mafias vergrössern. Und die Armutsbekämpfung zu Pinocchiofestspielen verkommen liessen. Abgesehen davon, dass sich die grössten CO²-Ausstosser per saftigen Geschenken an die „richtigen“ Beamten aus ihrer Papierpflicht rauskaufen würden, bevor auch nur ein einziger Umverteilungs-Cent rollt.

  • Da kann ja keiner ernsthaft etwas gegen CO2-Emissionen haben, oder? Je höher die Emissionen umso höher die Dividende für Jedermann. Und die Industrie freut sich. So billig war es noch nie Kritiker mundtot zu machen. Eine win-win-Situation für alle, außer für die Umwelt. Den wahren Preis zahlen dann unsere Nachkommen und ärmere Länder.

    • @SKa:

      Das träfe zu, wenn der Anspruch wäre, aus CO2-Emissionensabgaben ALLEINE ein _existenzsicherndes_ Grundeinkommen zu finanzieren. Was aber nicht der Fall ist.

      Auf der Seite der Emittenten gibt es allerdings ein klares Preissignal zur Vermeidung von CO2-Emissionen, diese wollen ja nicht möglichst viel Geld verlieren.

      Außerdem sind die Einnahmen natürlich nicht nur von der Höhe der Emissionen abhängig, sondern auch von der Höhe des Steuersatzes - und der lässt sich ja schrittweise anheben, was wegen der Anreizwirkung sicherlich geboten ist.

  • Die Idee der Umverteilung wäre gut, wenn da nicht der Staat wäre, der auch dafür noch zusätzliche Steuern kassiert. Jede Umverteilung bedeutet deshalb in der Summe eine Preiserhöhung, und bezahlen tut's über den einen oder den anderen Umweg zuletzt immer nur derjenige, der ohnehin schon nichts mehr hat.

    • @wxyz:

      Bei der Idee wirksamer CO2-Preis + pro-Kopf-Rückerstattung der Einnahmen (Klimadividende) geht es nicht um das Thema Umverteilung sondern um das Thema Dekarbonisierung bis 2050. Die Klimadividende stellt aber sicher, dass jeder das gleiche Recht auf das knappe Gut CO2 hat.

  • Es ist der falsche Ansatz. Somit kann sich jeder, vorausgesetz er hat das Geld, alles erkaufen. Das hilft der Umwelt nicht, denn es ist nur eine Frage des Geldes. Das sich die Gemeinden, Städte...sogar der Staat daran erfreut, ist logisch. Denn es spült Geld in die Kassen. Mit umweltgerechtem Handeln hat es nichts zu tun.

    Hans-Ulrich Grefe

    • @Grefe Hans-Ulrich:

      Der CO2-Preis muss so lange steigen, bis wir die Klimaziele einhalten. Der Umwelt ist also auf jeden Fall geholfen. Die Rückverteilung der Einnahmen aus einer CO2-Bepreisung (egal, ob CO2-Steuer oder Auktionserlöse Emissionshandel) macht die Sache gerecht. Wer weiterhin trotzdem SUV fährt zahlt drauf. Wer wenig CO2-Emissionen verbraucht - wie z.B. Menschen mit geringem Einkommen - profitieren davon.

  • Gab es die Verschmutzungszertifikate denn nicht schon vor einigen Jahren?

    • @Ansgar Reb:

      Verschmutzungszertifikate funktionieren ganz anders (umweltpolitisch gesehen: gar nicht).

      Da gibt es nämlich keinen festen, kalkulierbaren Preis, sondern eine pseudo-feste (faktisch massiv politischer Einflussnahme unterliegende) Menge möglicher Gesamtemissionen.

      Und diese wird in der Praxis nie unterschritten, weil bei CO2-Einsparungen der Preisverfall der Zertifikate dazu führt, dass es billiger wird, diese Papiere zu kaufen, als in umweltschonende Technologie/Verfahren zu investieren.

    • @Ansgar Reb:

      Ja es gibt in der EU für ca. die Hälfte der CO2-Emissionen den Emissionshandel. Aber die Politik hat sich noch nicht getraut in wirklich anzuwenden - auch aus Angst vor dem Wähler. Wenn die Versteigerungserlöse pro Kopf an die EU-Bürger ausbezahlt werden; vielleicht finden sie dann den Mut. Wir als Bürger sollten jedenfalls einen wirksamen CO2-Preis fordern, dann können wir entscheiden, wo wir CO2 einsparen wollen. Und die Einnahmen wollen wir 1:1 pro Kopf zurück. Bei der CO2-Bepreisung geht es nicht um Einnahmen für den Staat sondern um die effiziente Begrenzung des Klimawandels.