piwik no script img

Grüner WasserstoffKnapp und teuer

Bernward Janzing
Kommentar von Bernward Janzing

Die Energiewende erfordert die Erzeugung von Wasserstoff – doch billig kann das grüne Gas nicht werden, da der Markt die Preise treiben wird.

Ein Elektrolyseur zur Wasserstoffherstellung bei der Firma Sunfire in Dresden Foto: Sylvio Dittrich/imago

A n der Erzeugung von grünem Wasserstoff wird eine Energiewende-Wirtschaft nicht vorbeikommen. Allerdings wird der Druck von einer anderen Seite kommen, als viele heute glauben. Wenn die Kapazitäten zur Stromerzeugung aus Solar und Wind in Deutschland in den kommenden Jahren so massiv ausgebaut werden, wie es die Bundesregierung plant, dann wird es immer mehr Stunden im Jahr geben, in denen Strom anfällt, den beim besten Willen niemand mehr braucht. Es werden so große Strommengen sein, dass sie nur durch die Erzeugung von Gasen oder Flüssigkeiten genutzt und so gespeichert werden können. Mit Batterien oder Pumpspeichern muss bei diesen Dimensionen niemand mehr kommen.

Schon allein deshalb dürfte sich eine grüne Wasserstoffwirtschaft entwickeln. Die Zeiten, zu denen ein Elektrolyseur läuft und Wasserstoff erzeugt, wird der Markt an der Strombörse vorgeben: Nur während Stunden des Überflusses, wenn also die erneuerbaren Energien gerade üppig einspeisen und die Preise entsprechend niedrig sind (oder gar negativ, wie in diesem Jahr bereits während rund 200 Stunden), wird man sinnvollerweise Wasserstoff erzeugen können.

Weil man damit jedoch eine Infrastruktur schafft, die nur eine begrenzte Anzahl von Stunden im Jahr genutzt wird, ist klar: Billig kann der Wasserstoff nicht werden. Hinzu kommt, dass am Ende gar nicht so sehr die lokalen Erzeugungskosten den Preis bestimmen werden, sondern Angebot und Nachfrage auf dem Weltmarkt. Es dürfte sich ein Markt entwickeln ähnlich dem globalen Ölmarkt – auch dort hat der Preis bekanntlich wenig mit den Förderkosten in einzelnen Ländern zu tun.

Das heißt: Wenn sich sehr viele potenzielle Verbraucher – und danach sieht es derzeit aus – auf das absehbar knappe Angebot von grünem Wasserstoff stürzen, dürfte alleine dieses Phänomen dafür sorgen, dass das Gas nicht billig zu haben sein wird. Alles andere anzunehmen wäre naiv.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Bernward Janzing
Fachjournalist mit Schwerpunkt Energie und Umwelt seit 30 Jahren. Naturwissenschaftler - daher ein Freund sachlicher Analysen.
Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • Ob Wasserstoff teuer wird oder nicht, lässt sich schwer sagen. Doch wir wissen schon jetzt, "grünen Wasserstoff" wird es nicht geben. Wieso kam es zu dem Hype? Windbauern mussten ihre Anlagen abstellen, weil die Netze nicht aufnahmefähig waren. Wie sieht jetzt die Zukunft aus? Windparks werden nach Ausschreibung maximal wirtschaftlich dimensioniert. Es werden keine Anlagen nur für "grünen Wasserstoff" geplant. Unsere Modellrechnung: 100% Strom durch Windkraft. Die sind in der Lage 100% in Wasserstoff zu verwandeln. Leider lässt sich der nur zu etwa einem Drittel nutzen. Der maximale Ausbau für alle Zeiten beträgt also nur 30% der üblichen Last. Doch Strom ist nur ein Teil des Energiebedarfs. Für Industrie, Haushalte, Verkehr und Gewerbe beträgt der Stromanteil nur etwa 21%. 30% mal 21% ergibt knapp 7% von unserem Gesamtenergiebedarf kann per grünem Wasserstoff aus Deutschland gedeckt werden (maximal). Ansonsten müsste es Anlagen geben, die keinen Überschussstrom nutzen, sondern ausschließlich zur Produktion von Wasserstoff dienen. 7% - kann man da von Wasserstoffwirtschaft reden? Die Rechnung zeigt, tatsächlich wird es viel(!) weniger sein.

    • @mdarge:

      Meine Rechnung ist sehr grob. Doch Recherche im Netz bestätigt, die Nationale Wasserstoffstrategie geht nach einigen Studien von 82% importierten Wasserstoff aus. Nach meiner Rechnung laufen die Elektrolyseure 100% der Zeit, laut Artikel nur 200 Stunden (365*24=8760) 2,3% der Zeit. Doch wie ich geschrieben habe, ist die Stromwirschaft auf Effizienz getrimmt, negative Strompreise werden aktiv verhindert. Der Netzausbau von Südlink hilft dabei, ungenutzten Strom zu vermeiden. Dauerhaft macht es keinen Sinn, Erdgas durch Abspaltung von Kohlenstoff umzuwandeln, um ihn dann in Aiwangers Wasserstoff-Gastherme zu verbrennen. Als Energieträger wird Strom immer einen höheren Anteil behalten als Wasserstoff. Daher kann der Preis für Wasserstoff nicht durch die Decke gehen. Er wird aber ein Nischendasein behalten. Nur wo es nicht anders geht, wird man Wasserstoff verwenden.

  • "Nur während Stunden des Überflusses, wenn also die erneuerbaren Energien gerade üppig einspeisen und die Preise entsprechend niedrig sind (oder gar negativ, wie in diesem Jahr bereits während rund 200 Stunden), wird man sinnvollerweise Wasserstoff erzeugen können."



    Dann laufen die Elekrtolyseure nur "während (den) Stunden des Überflusses" und stehen für den Rest des Jahres Kapital- und Unterhaltskosten fressend herum...



    Negative Börsenstrompreise gibt es nur, solange noch Kraftwerke laufen, die man nicht beliebig herunterregeln kann, z. B. Atom- oder Kohlekraftwerke. Wenn die weg sind, gibt es auch keine negativen Strompreise mehr.



    "Das heißt: Wenn sich sehr viele potenzielle Verbraucher – und danach sieht es derzeit aus – auf das absehbar knappe Angebot von grünem Wasserstoff stürzen, dürfte alleine dieses Phänomen dafür sorgen, dass das Gas nicht billig zu haben sein wird. Alles andere anzunehmen wäre naiv."



    Besonders interessant wird es, falls sich Habecks Wärmepumpen durchsetzen sollten: Dann werden sich H2-fähige Gaskraftwerke im Winter auf den Wasserstoff stürzen. Alles andere anzunehmen wäre naiv.

  • Auch wenn es viele einfach nicht wahr haben wollen:

    Es ist der völlig überbordene und nur noch von Gier getriebene Kapitalismus der die Welt vernichten wird.

  • Es wird also immer deutlicher, dass der Staat die Energiewirtschaft übernehmen muss.

    • @JanD:

      Lach.

      Wer im "Staat" hat einen Plan und die Qualifikation dafür?

  • Brückentechnologie als Standortfrage.



    Ohne Subventionen wird es wohl auch hier nicht gehen:



    "Das Bundesministerium für Verkehr und Digitales fördert den Bau der Wasserstoff-Tankstelle in Lingen im Rahmen des nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie mit über 6 Mio. Euro. Die Förderrichtlinie wird von der NOW GmbH koordiniert und durch den Projektträger Jülich (PtJ) umgesetzt." Quelle westfalen.com Pressemitteilung



    Bei spiegel.de vor wenigen Tagen:



    "Verkaufsgespräche



    Legt Thyssenkrupp sein Stahlgeschäft in die Hände dieses Milliardärs?



    Dem neuen Chef von Thyssenkrupp fehlen Milliarden für den Öko-Umbau. Er sucht dringend einen Partner für die Stahlsparte, doch nur einer scheint sich anzubieten: der umstrittene tschechische Unternehmer Daniel Křetínský."



    Nur mit Leitungen ist es nicht getan:



    www.presseportal.de/pm/32019/5412533



    "Wasserstoff Infrastruktur



    Thyssengas erwirbt RWE-Erdgasleitung für Wasserstoff-Transport an der deutsch-niederländischen Grenze"

  • Der Wasserstoff wird häufiger aus südlichen Ländern mit mehr und damit länger andauerndem Sonnenschein kommen.

    In Deutschland wird man die auch mit Batteriespeichern nicht mehr nutzbaren Überschüsse, die nur für kürzere Zeit im Jahr eintreten, mit im Verhältnis zur Leistung preiswerteren Anlagen in (andere) chemische Grundprodukte oder in Wärme umsetzen; manchmal auch einfach ungenutzt lassen, wenn gleichzeitig noch der Wind weht.

    Wenn ein Solarpark heute z.B. die 50-fache Energieproduktion einer Anpflanzung für Biogas ermöglicht, aber 1/5 des Solarstroms ungenutzt bliebe, wäre man immer noch bei 40-fachen. Alles nicht so schlimm.

  • Immer wieder gut, einen Beitrag von Bernward Janzing zu lesen. Kein Labern, kein Geschwurbsel, sondern Analyse. Gratuliere!

    Während abertausende von Journalisten und Politikerinnen noch immer das Märchen erzählen dass Sonne und Wind keine Rechnung schicken. Und Windräder, Solarmodule, Netze und Elektrolyseure offenbar gratis vom Himmel fallen?

    Aber ja, grüner Wasserstoff wird vor allem eins sein: für Normalos unbezahlbar.

  • Das Tollste daran: Es werden die Scheichs sein, die es am einfachsten haben, Wasserstoff zu herzustellen. Sie haben Wind, Sonne und -da sie ja noch eine Zeitlang am Zapfhahn sitzen- viel mehr Kapital, um in Ruhe die Industrien aufzubauen für Grünen Stahl für die Welt, für Akkus, Chemie und die stärkste Wirtschaft, die sich überhaupt jemand vorstellen könnte. Nur: Wer kann sich diese Segnungen noch leisten, wenn alle anderen die Segnungen nicht mehr entgelten können. Zumindest stellen sich die Lindnerschen Wahlversprechen als reine Lügen dar, um noch solange gewissenlos weiterwurschteln zu dürfen, bis zum bitteren Ende. Man sollte die FDP und andere Klimalügner einfach verbieten.

  • Eine tolle Erkenntnis. Gratuliere.

    Hoffentlich liest das jemand von den Wasserstoffjüngern aus dem BMWK.