Grüne und die CO2-Speicherung: Der richtige Tabubruch
Die Grünen sind jetzt für Speicherung und Nutzung von Kohlendioxid. Das tut der grünen Seele weh, ist aber notwendig.
D er Angriff der Realität auf die eigenen Vorstellungen kann hart sein. Die Frage ist, wie man darauf reagiert: Auch wenn sie seit Jahrzehnten Hintertüren beim Klimaschutz anprangern, haben die Grünen jetzt beschlossen, sich der Abscheidung, Speicherung und Nutzung des Klimagases Kohlendioxids zu öffnen. Das tut der grünen Seele weh und bringt Ärger mit manchen Klimaschutz-Aktivistïnnen. Aber es ist der richtige Weg. Denn er folgt dem Grundsatz, den Grüne und die Klimabewegung gern als Slogan nutzen: „Listen to the Science!“
Und der größte Teil der Wissenschaft sagt: Ohne CCS wird das nichts mit den Klimazielen: Die Speicherung sei vor allem bei Industrieprozessen wie beim Zement notwendig. Das sagen auch die Pläne zur deutschen Klimaneutralität. Das Klimagift direkt aus der Luft zu filtern oder in Biomassekraftwerken als CO2-Speicher zu nutzen, gehört zu den Ideen, wie wir die Pariser Klimaziele halbwegs einhalten können.
Dabei bringt CCS eine Menge Probleme: Es ist nur in kleinem Maßstab erprobt, es gibt bisher kein Geschäftsmodell dafür, die Arbeit an den nötigen Leitungen, Regeln und Lagerstätten hat gerade erst begonnen. Anders als vor einem Jahrzehnt, als ein Gesetz CCS in Deutschland praktisch verbot, soll die Technik jetzt nicht mehr die Kohle am Leben halten – sondern die Klimakatastrophe verhindern helfen. Deshalb arbeitet auch das Klimaschutzministerium an neuen Gesetzen und Strategien zum Thema.
Die Regeln für die umstrittene Technik müssen wasserdicht sein: CCS darf nicht den Ausstieg etwa aus dem Klimakiller Gas hinauszögern und den nötigen Ausbau der Erneuerbaren bremsen. Der Wachstumsmarkt CO2-Speicher muss in der EU reguliert werden. Aber wer diesen Wandel gestalten will, muss sich ihm stellen. Deshalb ist es richtig, wenn die Grünen dieses Tabu brechen. Man würde sich wünschen, dass FDP, SPD und Union ähnlich flexibel mit ihren Tabus wie „Technologieoffenheit“, „kein Tempolimit“ oder klimaschädlichen Subventionen umgingen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist