Grüne in Baden-Württemberg: Nur Außenseiterchancen
Cem Özdemir will im beginnenden Wahlkampf alles geben. Doch die Grünen haben es in 15 Jahren versäumt, sich in der Fläche zu verankern.
C em Özdemir wäre ein erfahrener, kompetenter Ministerpräsident in schwierigen Zeiten, daran gibt es kaum einen Zweifel. Und die Grünen in Baden-Württemberg werden sich wohl flügelübergreifend für ihn in den Wahlkampf werfen. Für bürgerliche Wähler ist er mittig genug, sein Lebenslauf steht für Aufstieg und soziale Gerechtigkeit.
Das kommt gut an im Land. Wenn die Grünen am 8. März trotzdem nicht wieder in die Villa Reitzenstein einziehen, liegt das am wenigsten am Kandidaten. Grüner Wahlkampf in ungewissen Zeiten ist schwer. Klimaschutz und Energiewende lockt nur noch die Stammwähler an die Urne.
Aber Winfried Kretschmann und die baden-württembergischen Grünen haben es in bald 15 Regierungsjahren auch verpasst, mit der Vision einer grünen Volkspartei echte Wurzeln zu schlagen. Nur 10 von 1.101 Bürgermeistern sind heute Grüne. Fahrlässig hat die Partei OB-Posten in Freiburg und Stuttgart aus der Hand gegeben.
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Mit wenigen Ausnahmen konnten sie sich in der Fläche nicht verankern. Landräte stellen sie überhaupt nicht. Ein Kommunal-Förderungsprogramm kam spät und zeigt noch keine Wirkung. Der bekannteste grüne Kommunalpolitiker, Boris Palmer, ist keiner mehr. Was er sich in allererster Linie selbst zuzuschreiben hat, aber schlecht für die Partei ist.
Winfried Kretschmann konnte alle diese Defizite als Person überstrahlen. Dazu kamen bei seiner Wahl Sondereffekte wie die Auseinandersetzungen um Stuttgart 21 und die Katastrophe von Fukushima 2011. 2016 war es die AfD, die in das Wählerreservoir der CDU einbrach und damit eine grün geführte Regierungsmehrheit sicherte.
Nach harten Jahren als Juniorpartner ist die CDU heute so einig und gut vorbereitet wie selten. Sie führt seit Monaten in den Regionen dezentral Wahlkampf und nutzt dabei ihre Verankerung in der Fläche. Cem Özdemir sagte auf dem Landesparteitag, er führe heute den Wahlkampf seines Lebens. Das wird auch nötig sein, denn er hat im Moment nur Außenseiterchancen, Nachfolger von Kretschmann zu werden.
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