Grün-Wasch-Aktion in Hamburg: Wie der Mensch, so sein Hemd
Die Umweltstiftung WWF wirbt für niedrigere Wassertemperaturen beim Waschen. Aber warum ausgerechnet mit dem Waschmittelriesen Procter & Gamble?
Hinter der Aktion – Teil einer im Juli eröffneten Kampagne namens „#Wirdrehenrunter“ – stecken die Umweltstiftung WWF und die Waschmittelmarke Ariel, genauer: der globale Konsumgüterkonzern Procter & Gamble. „Viele Menschen glauben, wenn man besonders warm wäscht, wird es hygienischer“, sagte im Vorfeld WWF-Vorstand Christoph Heinrich der deutschen Presseagentur. „Wir wollen verdeutlichen, wie hygienisch und energiesparend Waschgänge bei niedrigen Temperaturen sind.“
Im Durchschnitt 43,18 Grad
Es brauche unglaublich viel Energie, um das Wasser beim Waschen zu erhitzen, so Heinrich weiter. Werde die Temperatur von 60 Grad auf 30 Grad gesenkt, reduziere das die CO2-Emissionen um bis zu 60 Prozent. Offen ließ er, wie groß der Einspareffekt bei einer Ausgangstemperatur von 43,18 Grad ist: So warm nämlich waschen die Deutschen derzeit im Durchschnitt, das hatte eine eigens beauftragte Erhebung ergeben.
Initiativen zum Runterdrehen gab es in der Vergangenheit immer wieder mal, nun setzen die Initiatoren darauf, dass Energiesparen und Klimaschutz derzeit wichtige Themen in der Gesellschaft seien. Dass etwa Schwimmbäder die Wassertemperatur drosseln, war eben noch unvorstellbar – und warum sollen es Hemden besser haben als jene, die sie tragen?
Alles natürlich in Grenzen: „Wir erläutern, warum Waschen bei 30 Grad gut funktioniert“, so Gabriele Hässig, Geschäftsführerin Kommunikation und Nachhaltigkeit bei Procter & Gamble. Aber: „Wir sagen auch, wann es nicht geht – etwa wenn Sie zuhause einen Norovirus-Fall haben oder jemand sehr immungeschädigt ist.“
Nun hängt die Waschleistung nach Angaben des Industrieverbands Körperpflege- und Waschmittel von vier Faktoren ab: Waschmittelleistung, Waschtemperatur, Waschdauer und Mechanik – das ist unter anderem die Trommelbewegung. „Wird einer dieser Faktoren verändert, muss der Anteil mindestens eines anderen Faktors entsprechend erhöht werden, um dieselbe Waschleistung zu erzielen.“
Geht es nur um neues Waschmittel?
Laufen die Gratismaschinen also länger – und zu welcher Energiebilanz führt das? Oder geht es dem Ariel-Konzern am Ende ganz banal darum, einen besonders potenten Wäscheweißmacher unter die Leute zu bringen, einen mit den Schmutz zersetzenden Enzymen drin?
Und was ist überhaupt damit, dass der WWF für „#Wirdrehenrunter“ mit einem globalen Konsumriesen wie Procter & Gamble in die Trommel steigt? Eine gewisse Flexibilität – oder ist’s Pragmatismus? – legt die Stiftung auch anderer Stelle an den Tag, etwa finden sich per WWF-Logo marketingbegrünte Artikel längst auch in Discounterregalen. Und vor einigen Jahren kooperierte man sogar mit jenem großen Buchverlag weiter, der ein höchst umstrittenes „Schwarzbuch WWF“ veröffentlicht hatte – das die Stiftung vor Gericht teilweise ändern ließ. Was ist ein Enzymwaschmittel gegen eine spezialisierte Anwaltskanzlei?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Schraubenzieher-Attacke in Regionalzug
Rassistisch, lebensbedrohlich – aber kein Mordversuch