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Größter Pensionsfonds zieht Geld abOsloer Nahostkonflikt

Norwegische Fonds verkaufen Beteiligungen an Firmen, die mit israelischen Siedlungen zu tun haben. Vor allem die Begründung sorgt für Diskussionen.

Grund für den Verkauf von Beteiligungen: Menschenrechtsverletzungen Foto: Atef Safadi/EPA-EFE

Stockholm taz | Norwegens größter Pensionsfonds KLP hat sich von bisherigen Beteiligungen an 16 Unternehmen getrennt, weil diese in israelischen Siedlungen im Westjordanland aktiv sind. Die Begründung: Bei den Siedlungen in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten handle es sich um „Konfliktregionen“. Wer sich hier wirtschaftlich engagiere, laufe Gefahr, an Verstößen gegen internationales Recht und Menschenrechtsverletzungen beteiligt zu sein. Es widerspreche den ethischen Richtlinien des Fonds, Anteile solcher Unternehmen zu halten.

KLP verwaltet die Pensionsgelder der Öffentlich-Angestellten im Kommunal- und Gesundheitssektor Norwegens und hat ein Gesamtvermögen von rund 750 Milliarden Norwegischen Kronen (72 Milliarden Euro).

Man habe Unternehmen aus dem Bankwesen, dem Bau- und Infrastruktursektor und der Telekom ausgeschlossen, erklärte Kiran Aziz, die als Analytikerin in der Kapitalverwaltung des Fonds arbeitet. Das seien etwa Firmen, die Strom, Treibstoff oder Überwachungsdienste für die externen Grenzen der israelischen Siedlungen bereitstellen: „Wir finden, dass diese Firmen eine wichtige Rolle bei der Erhaltung und Fortführung dieser Siedlungen spielen.“ Banken habe man ausgeschlossen, weil sie den Bau der Siedlungen finanzierten, Baufirmen wegen der Lieferung von Materialien, Telekom-Konzerne, weil sie Infrastruktur böten.

Insgesamt habe KLP Aktien und Anleihen im Wert von 275 Millionen Kronen verkauft, auch von Konzernen wie Alstom und Motorola. Dabei habe man zunächst das Gespräch gesucht, die Unternehmen hätten aber nicht auf Kontaktversuche reagiert, so Aziz.

Ölfonds stieg aus zwei Firmen aus

Zuvor hatte sich bereits der Auslandspensionsfonds, besser bekannt als Norwegens Ölfonds, der weltweit größte Staatsfonds, mit der gleichen Frage beschäftigt – und schließlich ebenfalls die Anteile an zwei Unternehmen wegen ihrer Verbindungen zu israelischen Siedlungen verkauft. Begründet hatte er das mit einem Bericht des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte von Februar 2020. Dieser nennt 112 Unternehmen, die in den nach internationalem Recht illegalen Siedlungsgebieten aktiv sind.

Nach dem Bericht hatte der Ethikrat des Ölfonds die eigenen Beteiligungen untersucht und der Fondsverwaltung im Dezember den Ausschluss von zwei israelischen Firmen nahegelegt, die Industrieanlagen in Siedlungen im Westjordanland bauen oder vermieten. Dem war die Fondsverwaltung, die Nationalbank, im Mai gefolgt. Es gebe ein Risiko, dass diese Unternehmen „zu systematischen Menschenrechtsverletzungen beitragen“, hieß es.

Reaktionen gespalten

Die KLP-Entscheidung sei ein „enorm wichtiger Beschluss zur Unterstützung des Völkerrrechts und dem Kampf für die Menschenrechte“, sagt Henriette Killi Westhrin, Generalsekretärin der Norsk Folkehjelp, der humanitären Solidaritätsorganisation der norwegischen Gewerkschaften. Gleichzeitig bedauert sie die Reaktion des Ölfonds als „zu zurückhaltend“. Er müsse mehr Firmen ausschließen: Nach einer Norsk-Folkehjelp-Untersuchung sei der Staatsfonds an 64 Unternehmen beteiligt, die „mit ihren Aktivitäten die völkerrechtswidrige Besetzung Palästinas fördern“ würden.

Kritik kommt dagegen von Miff (Med Israel for fred), einem norwegischen Verband, der nach eigenen Angaben „Israel-Freunde mit unterschiedlichen politischen Ansichten“ vertritt. Die Entscheidungen beruhten auf „einer Fehlinterpretation des internationalen Rechts“. Der von den Fonds zur Begründung herangezogene Artikel 49 der vierten Genfer Konvention „schließt nicht das Recht des jüdischen Volkes aus, sich in Judäa und Samaria niederzulassen“.

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12 Kommentare

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  • 5. Mose 12, 29 "Wenn der Herr, dein Gott, vor dir her die Heiden ausrottet, dass du hinkommst, ihr Land einzunehmen, und es eingenommen hast und darin wohnst"

    Wem "gehörte" zuerst jenes Land? - Juden UND Arabern, Isaak UND Ismail Sowie, im Zweifelsfall, doch den (..später christo-)paganen Heiden!

  • Ist das Verhalten nun "antisemitisch/antisraelisch" oder nicht?

  • Wer allen Ernstes "Judäa & Samaria" für das Palästinensergebiet benutzt, ist nicht besser als Jene, die immer noch "Schlesien bleibt unser" brüllen.

    • @Linksman:

      Judäa und Samaria vergessen zu machen wollte schon Kaiser Hadrian. Es wird auch 2.000 Jahre später nicht gelingen. Im übrigen haben die Araber diese Region in ihrem zweiten Versuch, Israel zu vernichten, 1967 verloren, weswegen andersherum ein Schuh draus wird: wer heute das Rückkehrrecht für "die Palästinenser" fordert, ist mit dem "Schlesien bleibt unser" zu vergleichen.

  • IV. Genfer Abkommen von 1949



    Art 49 Absatz 6



    "Die Besatzungsmacht darf nicht Teile ihrer eigenen Zivilbevölkerung in das von ihr besetzte Gebiet verschleppen oder verschicken."



    Genfer Abkommen vom 12. August 1949 zum Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten.



    ?

    • @Realdemokrat:

      Der Artikel trifft auf die Situation allerdings nicht zu - und zwar aus zweierlei Gründen:

      1. Verschleppt Israel nicht seine Zivilbevölkerung in das Gebiet, sondern es siedeln sich Menschen dort freiwillig an. Im übrigen häufig auch dort, von wo ihre Vorfahren 1948 beim ersten Versuch der arabischen Liga, Israel zu vernichten, vertrieben wurden.

      2. Von einer "Besatzung" kann nicht die Rede sein, denn für den Tatbestand müsste man das Gebiet eines anderen Staates besetzen. Da die Palästinenser allerdings seit über 70 Jahren einen eigenen Staat ablehnen, solange Israel existiert, stellt sich die Frage, wessen Staatsgebiet angeblich "besetzt" wird. Jordanien hatte das Westjordanland von 1948 bis 1967 annektiert, aber später in seinen Friedensverhandlungen darauf verzichtet. Die PLO hatte bei ihrer Gründung 1964 ebenfalls explizit darauf verzichtet, das Westjordanland zu kontrollieren (unter der Annahme, dies würde weiterhin von Jordanien kontrolliert werden).

      Kurz: die Palästinenser können jederzeit an die Oslo-Verträge anschließen und sich endlich mal an den Verhandlungen beteiligen. Solange sie immer nur "nein" sagen, wird sich nichts ändern.

      !

    • @Realdemokrat:

      Wer wurde denn verschleppt oder verschickt?

      • @Jim Hawkins:

        Durch Anpreisungen von Wohnungen, finanzieller und logistischer Unterstützung wurden sie sehr wohl "verschickt". Man warb um sie um sie zu verschicken.

        Dazu verhindert man eben nicht die Neuansiedlungen von "wilden Siedlern". So what.

        • @Daniel Drogan:

          Na schön.

          Machen wir ein Gedankenspiel. Israel würde dieses furchtbare Verbrechen beenden, alle Siedlungen abbauen und sich aus dem Terrain zurückziehen.

          So wie es im Gazastreifen gemacht wurde.

          What's next?

          Lässt die Hamas Abbas weiterwursteln oder sich den Brocken



          einverleiben, um dann eine größere Abschussrampe zu haben. Und noch mehr Leute brutal unterdrücken kann.

          Was meinen Sie?

  • Chapeau! - Keine Chance für die Unterstützung/Mitarbeit an Vorhaben, die Menschenverachtung widerspiegeln.

  • Norwegens gutem Beispiel folgen, auch wenn es vielleicht noch ein bisschen zu zaghaft ist.

  • „schließt nicht das Recht des jüdischen Volkes aus, sich in Judäa und Samaria niederzulassen“

    Die hat aber jemand sehr alte Ansichten...