piwik no script img

Greenpeace-Recherche zu Fast FashionJacken, die tausendfach giftiger sind als erlaubt

Schon wieder fällt der Billigmodenshop Shein durch schadstoffbelastete Kleidung auf. Ein Anti-Fast-Fashion-Gesetz wie in Frankreich könnte helfen.

Fast-Fashion-Firmen kopieren Modetrends und bringen sie innerhalb von kürzester Zeit zu niedrigen Preisen auf den Markt Foto: Thorsten Wagner/imago

Fast ein Drittel der Kleidung auf der Ultra-Fast-Fashion-Plattform Shein enthält übermäßig viele schädliche Chemikalien. Das ist das Ergebnis einer am Donnerstag veröffentlichten Greenpeace-Recherche. Die NGO kaufte dafür 56 Kleidungsstücke in 8 Ländern. Davon überschritten 18 die Grenzwerte der europäischen Chemikalienverordnung (REACH) teils extrem.

Fast-Fashion-Firmen kopieren Modetrends und bringen sie innerhalb von kürzester Zeit zu niedrigen Preisen auf den Markt. Bei Shein gibt es täglich tausende neue Designs. „Shein treibt das Fast-Fashion-System aus Überangebot, Profitgier und Vermüllung der Welt auf die Spitze“, sagte Moritz Jäger-Roschko, Greenpeace-Experte für Kreislaufwirtschaft.

Insgesamt wies Greenpeace 11 grenzwertüberschreitende Chemikalien aus 5 Chemikaliengruppen nach, darunter weichmachende Phthalate, wasserabweisende per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) und Schwermetalle wie Blei, Cadmium und Nickel. Die unterschiedlichen Chemikalien gefährden potentiell das Wachstum von Kindern, die Fruchtbarkeit, das Hormonsystem und werden mit Krebs in Verbindung gebracht.

Gemäß Greenpeace schadet das den Ar­bei­te­r*in­nen in den Produktionsländern und auch den Verbraucher*innen, weil sich die Chemikalien durch Schweiß aus der Kleidung lösen. Die Schadstoffe gelangen auch in die Umwelt. Besonders PFAS, sogenannte Ewigkeitschemikalien, verbreiten sich schnell in Ökosystemen und lagern sich schwer abbaubar in der Natur und im menschlichen Körper an.

Selbstverpflichtung wirkt nicht

Eine graugrüne Regenjacke überschritt die Grenzwerte für bestimmte PFAS um das 3.269-Fache. Insgesamt enthielten 7 Outdoorjacken zu viele Ewigkeitschemikalien, darunter eine Kinderjacke. 14 Produkte sprengten Phthalat-Grenzwerte, 6 um das Hundertfache oder mehr.

Shein kündigte der taz gegenüber an, die betroffenen Produkte vorsorglich weltweit aus dem Verkehr zu ziehen und die Angelegenheit weiter zu untersuchen. Das Unternehmen betonte, mit internationalen Agenturen für die Produkttestung zusammenzuarbeiten.

Bereits 2022 hatte Greenpeace in 7 von 47 getesteten Shein-Produkten gefährliche Chemikalien oberhalb der Grenzwerte nachgewiesen, andere Untersuchungen kamen zu ähnlichen Ergebnissen. Das Unternehmen zog die jeweiligen Produkte zurück und veröffentlichte 2024 eine Liste (MRSL) für Zulieferer, die schädliche Chemikalien entlang der Herstellung beschränken soll.

Sheins Selbstverpflichtung versage aufgrund des Geschäftsmodells, das auf „Masse, Geschwindigkeit und günstige Preise“ setze, so Jäger-Roschko von Greenpeace. Außerdem nutze das Unternehmen eine Lücke der EU-Chemikalienverordnung aus. Da der Onlineshop direkt aus Asien an EU-Konsument*innen liefert, unterliege Shein der Vorschrift nur eingeschränkt und müsse keine rechtlichen Konsequenzen bei Verstößen fürchten.

Greenpeace will Anti-Fast-Fashion-Gesetz

Laut Greenpeace tauchen nach früheren Tests entfernte Produkte zudem in nahezu identischer Form wieder auf – inklusive der Schadstoffe. Das gilt zum Beispiel für ein blau-lila Meerjungfrauenkleid für Mädchen.

Frankreich bringt aufgrund solcher wiederholter Billigmodenskandale ein Anti-Fast-Fashion-Gesetz auf den Weg, das aktuell aber nur Ultra-Fast-Fashion-Plattformen betrifft. Das Gesetz sieht eine Abgabe für besonders kurzlebige und umweltschädliche Kleidungsstücke vor, die bis 2030 bis zu 10 Euro betragen könnte. Da Shein den Konsum durch In­flu­en­cer*­in­nen­mar­ke­ting ankurbelt, soll es außerdem ein Fast-Fashion Werbeverbot geben.

Greenpeace fordert Deutschland auf, ein ähnliches Anti-Fast-Fashion-Gesetz einzuführen. Dieses soll jedoch für alle Fast-Fashion-Firmen gelten und zudem zirkuläre Geschäftsmodelle wie Second Hand, Tauschbörsen und Reparaturangebote fördern. Die NGO plädiert außerdem dafür, das Schlupfloch des EU-Chemikalienrechts zu schließen und bei wiederholten Verstößen Sperrungen zu ermöglichen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

19 Kommentare

 / 
  • Dass fast-fashion eine der für den Kapitalismus typischen destruktiven Erscheinungen darstellt, dass es sinnvoll wäre Kleidung 'nachhaltig' zu machen?



    Ja.



    Auffällig ist aber, dass sich der gegenwärtige Diskurs 'zufällig' exakt an der geostrategischen Linie des NATO-Blocks ausrichtet.



    Der 'Kampf' gilt nicht etwa eigenen fast-fashion Ketten, dem eigenen ausgiebigen fast-fashion Marketing, sondern macht sich derzeit 'zufällig' fast ausschließlich an chinesischen Konzernen fest.



    Im hybriden Krieg gegen aufstrebende Nicht-NATO Staaten (insbesondere China wurde ja zum 'systemischen Rivalen' erklärt) wird längst eine Offensive gegen die unliebsam gewordene Konkurrenz in diversen Bereichen auch außerhalb von fast-fashion (Autos, IT-Technik, etc etc) gefahren.



    Lieber ein dreckiger deutscher Verbrenner als ein technisch und preislich attraktives Angebot chinesischer e-Autos?



    Lieber Amazon&TEDI als Temu?



    Die Debatte hat so zugleich einen heuchlerischen Anteil, zumal vollkommen ausgeblendet wird, dass in Zeiten von sich stetig ausbreitender Massen Prekarisierung die günstigen chinesischen Produkte beim 'unteren' Viertel der Gesellschaft ein wenig Erleichterung bringen.

    • @Anne in Pink:

      Den Gesundheitssystem wird das wohl kaum Erleichterung bringen.

    • @Anne in Pink:

      Nein, Amazon und Tedi müssen ebenfalls von Bürgern boykottiert und zerschlagen werden.



      Einzig Sozialkaufhäuser und Secondhand-Shops sollen eine Möglichkeit sein, Textilien zu erwerben.

      Warum meine Idee trotzdem keinen Anklang finden wird? Kleidung ist Statussymbol, alle zwei Wochen etwas bei H&M kaufen gehört zur Sozialisierung, Kleidung wegwerfen soll notwendig bleiben. Der Mensch muss die Veränderung nur wollen.

    • @Anne in Pink:

      Erleichterung? Mit ist neu, dass schwere Vergiftungen Erleichterung bringen. In dem gesamten Komplex geht's um Profit, unserer aller Religion und da werden störende Faktoren einfach ignoriert. So läuft das....

    • @Anne in Pink:

      Sind ...







      "Eine graugrüne Regenjacke überschritt die Grenzwerte für bestimmte PFAS um das 3.269-Fache. Insgesamt enthielten 7 Outdoorjacken zu viele Ewigkeitschemikalien, darunter eine Kinderjacke. 14 Produkte sprengten Phthalat-Grenzwerte, 6 um das Hundertfache oder mehr."











      für das "untere Viertel" für Sie also noch gut genug?

  • Der Staat könnte mehr tun aber die Konsumenten auch einfach weniger Schrott kaufen. Ganz ohne staatliche Vorgabe. Da sollte man niemanden aus der Verantwortung lassen.

  • Kann man denen aufgrund der vielen Verstösse nicht einfach die Erlaubnis entziehen, hierzulande Geschäfte zu machen?

  • Geiz ist geil,



    und scheint leider geil zu bleiben, Qualität war früher.

  • Im Kapitalismus hilft kein "Anti-Fast-Fashion-Gesetz", obwohl ich es selbstverständlich begrüße. Lieferkettengesetz nur in anderer Farbe, und selbst das hat versagt.

    Es braucht einen konsequenten Boykott der Bürger. So konsequent, dass die Konzernchefs von Shein es mit eigenen Augen (tiefrote Zahlen) miterleben müssen, dass ihr Geschäftskonzept unerwünscht ist.

    Wir verbieten seit Jahrzehnten, dass wir einfach so Schwefelsäure, Chlor oder Senfgas kaufen können. Ein Shein-Verbot ist daher die logische Konsequenz, doch den Konzern niederschmettern können nur die Konsumenten, wenn sie in zerissenen Klamotten (also gerademal 5 Jahre alt) auf der Straße laufen.

    • @Troll Eulenspiegel:

      "Es braucht einen konsequenten Boykott der Bürger."



      Es sind aber genau die genannten Bürger, welche immer mehr und mehr bei Shein kaufen. Also das Gegenteil von Boykott. Geiz ist geil siegt halt doch immer noch.

  • 10€ Extra-Gebühr schön und gut. Aber sollte man nicht bei denen ansetzen, die so etwas in Europa in Verkehr bringen. Bei direkt versendenden Shops wie Shein dann eben die Person, die es bestellt hat. Wenn die ersten paar Käufer_innen im Knast sitzen, weil sie illegal umweltschädliche Produkte nach Europa eingeführt haben, werden die anderen sich das noch mal überlegen. Hart? Ja. Aber wenn P&C, Breuniger und Karstadt illegale Produkte nach Europa importieren, machen wir sie ja auch haftbar.

    • @PBiel:

      Und der Kunde, der die Sachen bei Shein kauft, weiß auch vorher, dass ein einzelnes Produkt gegen Umweltstandards verstößt?



      Im Gegensatz von großen Ketten mit normalerweise einer Qualitätskontrolle ist das einfach nicht möglich.

      Ihr Vorschlag ist schlicht Quatsch.

  • Nur Shein trifft doch überhaupt keine Verantwortung. Imporeur (und damit verantwortlich) ist der jeweilige Kunde. Das betrifft sämtliche Verantwortlichkeiten nach Produkthaftungsgesetz & Co.

    • @DiMa:

      Shein schreibt auf seiner Seite aber, dass sie auch Warenlager innerhalb der EU haben.

  • ...& wer schafft gerade unser Verbraucherschützendes - Lieferkettengesetz, zum Wohle von Industrie-, Wirtschafts-, & Kapitalstrukturen, ab ?



    Glückwunsch !

    • @Alex_der_Wunderer:

      Das Lieferkettengesetz schützt in solchen Fällen den Verbraucher durch seine Nichtgeltung.

      Shein ist da nämlich raus, weil sie weder in der EU sitzen noch irgendwelche Waren innerhalb der EU handhaben - da kann im Gesetz drinstehen, was will. Verantwortlich ist in solchen Fällen der Importeur, und das ist beim Geschäftsmodell Temu / Shein etc der Verbraucher. Für den Endverbraucher gilt aber das Lieferkettengesetz nicht.

      Aber danke, dass Sie an Symbolpolitik glauben... 😁

      • @FriedrichHecker:

        & wenn Sie als Händler Ihre Ware von Shein beziehen...

        • @Alex_der_Wunderer:

          Dann wirds teuer! Als Gewerbetreibender zählt die Freigrenze nicht und Sie müssen Einführzoll von 35% entrichten und zusätzlich 19% Mehrwertsteuer,



          Deshalb leidet auch der Handel unter dem Geschäftsmodel.

    • @Alex_der_Wunderer:

      Und gilt/galt das Lieferkettengesetz jemals für Shein (bevor Sie googlen verrate ich Ihnen, dass es nie der Fall war)? Was ändert sich dann durch die Einschränkung für Shein (bevor Sie darüber nachdenken, verrate ich Ihnen, dass sich hierdurch nichts ändert)?

      Glückwunsch!