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Gleichberechtigung im BundestagWo bleibt die Parität im Parlament?

Männer und Frauen sind im Bundestag nicht gleichermaßen vertreten. Um das zu ändern, fordert eine Initiative ein Paritätsgesetz.

Applaus für das Manifest zur Parität in deutschen Parlamenten Foto: Henning Schacht/Deutscher Bundestag

Die Stimmung unter den Frauen im großen Protokollsaal des Reichstags ist kampfeslustig. Sie und die wenigen Männer begrüßen sich, machen Fotos, jubeln sich zu. Unter ihnen Politikerinnen aller demokratischen Parteien, Verfassungsrechtlerinnen, Schauspielerinnen und Wissenschaftlerinnen. Alle wollen sie, dass Gleichberechtigung mit einem neuen Gesetz verankert wird, einem Paritätsgesetz: Ebenso viele Frauen wie Männer sollen im Bundestag sitzen. Dafür hat die Initiative #ParitätJetzt um die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) am Mittwoch ihr Manifest an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) übergeben.

Man habe „kein Verständnis für männerdominierte Parlamente im 75. Jahr des Grundgesetzes“, heißt es im Manifest, das 89 Verbände und Netzwerke, darunter der Deutsche Frauenrat, unterzeichneten. „Sie sind verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen.“ Tatsächlich sind Männer seit jeher im Bundestag in der Überzahl: Aktuell halten Frauen nur knapp 35 Prozent der Mandate. Seit 1990 stagniert der Frauenanteil, zuvor war er noch geringer.

Dieses Unverständnis bekräftigte auch Bärbel Bas in ihrer Begrüßungsrede. Nur mit einer gleichberechtigten Mehrheit im Parlament könnten Themen wie gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Kitaplätze, Carearbeit, Frauengesundheit oder die Altersarmut bei Frauen adäquat addressiert werden. Die Forderungen der 135 Erst­un­ter­zeich­ne­r:in­nen seien ein wichtiges Mittel, um öffentlichen Druck aufzubauen. Auch dieser öffentliche Druck habe dazu beigetragen, dass sie heute Bundestagspräsidentin sei, so Bas. „Machen wir uns nichts vor.“

In­itia­to­r:in­nen fordern Wahlrechtsänderung

Die In­itia­to­r:in­nen fordern deshalb eine Wahlrechtsänderung mit einer „paritätsgedeckten Mandatszuteilung“: Alle zweitstimmengedeckten Sitze einer Partei müssten dann paritätisch an Frauen und Männer gehen. Diverse Personen wären von der Regel ausgenommen. Nachdem das Bundesverfassungsgericht im Juli die jüngste Wahlrechtsreform für verfassungsmäßig erklärt hatte, sind die Ini­tiatorinnen selbstbewusst, dass dies auch bei einer solchen Ergänzung der Fall wäre.

Sie verweisen auf Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetz: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. „Fünf Worte reichen aus, um die Welt ins Wanken zu bringen“, sagte Süssmuth in ihrer Rede, nachdem sie unter stehendem Beifall begrüßt wurde. Bereits 1949 argumentierte die deutsche Vorkämpferin für Frauenrechte, Elisabeth Selbert, der Grundgesetzartikel sei ein „imperativer Auftrag an den Gesetzgeber“, Gleichberechtigung zu verwirklichen.

75 Jahre später gibt es nun einen neuen Vorstoß, die Gleichberechtigung auch dort umzusetzen, wo Gesetze gemacht werden: in den Parlamenten. Aus früheren Diskussionen, etwa zur Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe, ist bekannt: Wenn es um Fragen der Gleichberechtigung geht, haben Par­la­men­ta­rie­r:in­nen oft erst etwas erreicht, wenn sie sich fraktionsübergreifend zusammengeschlossen haben.

„Auch für Selbstverständlichkeiten muss man kämpfen“

Das hochkarätig besetzte Publikum im Reichstag zeigte das am Mittwoch bereits. „Es ist das Selbstverständlichste der Welt, dass Frauen genauso stark in den Parlamenten vertreten sein müssen, wie Männer“, findet der ehemaligen Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD). Doch auch für Selbstverständlichkeiten müsse man leider kämpfen. Thierse gehört zu den wenigen Männern unter den Erst­un­ter­zeich­ne­r:in­nen des Manifests. Soziologin Jutta Allmendinger feierte die Initiative als den Anfang dessen, „auf das wir seit 30 Jahren hinarbeiten“.

Auch Karin Prien (CDU), Bildungsministerin in Schleswig-Holstein, gehört zu den Erstunterzeichnerinnen. Denn „überall dort, wo Frauenrechte bedroht sind, ist auch die Demokratie bedroht“. Auch in ihrer eigenen Partei habe man nun erstmals die Quote eingeführt, so Prien. Doch für die Durchsetzung von Gleichberechtigung brauche es auch dort immer wieder erneute Anstrengung.

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17 Kommentare

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  • Um Frauen aus der Politik fern zu halten gibt es noch viele andere Tricks: Sitzungen der Parteigremien, wenn Frauen auf ihre Kinder aufzupassen haben, zwischenmenschliches Benehmen der Parteifreunde, das abstoßend wirkt.



    Wenn eine Frau nur deshalb kandidiert, weil sie Quotenfrau ist, wirkt das unglaubwürdig.

    • @Christoph Strebel:

      "Sitzung der Parteigremien, wenn Frauen auf ihre Kinder aufzupassen haben."

      Geil. Wo sind denn da.doe Väter?

  • Man könnte Männer und Frauen in getrennten Wahlkreisen ihr aktives Wahlrecht ausüben lassen. Dann gibt es für den Bundestag jeweils 149 Wahlkreise für Männer und 149 für Frauen. Ebenso gibt es dann 32 statt 16 Landeslisten.



    Dann können die Parteien entscheiden, ob sie Männer in Frauen- Wahlkreisen kandidieren lassen wollen.



    Aber so etwas wie auch vieles andere muss man politisch wollen.

  • "....dass Frauen genauso stark in den Parlamenten vertreten sein müssen, wie ...."



    Ich dachte immer das entscheidet das Wahlvolk in einer Demokratie.

    • @maxwaldo:

      Im einer Demokratie. Sie sagen es.

  • Gilt die Parität dann auch für andere gesellschaftlich relevante relevante Gruppen, wie zB Industriearbeiter, Landwirte oder Handwerker?

    • @Carcano:

      Selbstverständlich. Sie müssen die Zusammensetzung der gut 80Mio Einwohner runterskalieren auf die knapp 600 Abgeordneten. Eine mapping Aufgabe. Mit Wahlen kommen Sie da natürlich nicht weiter. Es braucht ein Gremium, welches die Mitglieder des Parlaments bestimmt.

  • Ich möchte widersprechen. Natürlich ist ein männerdominiertes Parlament mit dem Grundgesetz vereinbar. Denn laut Grundgesetz bestimmt der Wählerwille. Und wenn der lieber Klaus als Dorothea im Parlament sehen möchte, dann ist das so. Die Wahlentscheidung des Volkes (das übrigens dank längerer Lebenserwartung zur Mehrheit aus Frauen besteht) ist zu akzeptieren. Keine Kommission, keine gesetzliche Vorschrift darf dort eingreifen.

  • Das die Zusammensetzung der Parlamente für die Sozialstruktur der Gesellschaft nicht repräsentativ ist, wurde immer wieder festgestellt und schon oft bemängelt. Daraus hat man aber nie Konsequenzen gezogen. Die Auswahl einer Elite wurde bereits mit der 1. Französischen Republik und der Gründung der USA eingeführt, um die 'einfachen Leute', den besitzlosen und ungebildeten Pöbel, von der liberalen Regierungsführung effektiv auszuschließen. Solange MandatsträgerInnen erst in Parteien und dann in allgemeinen Wahlen gewählt werden, wird sich an deren elitärer Auswahl auch nichts ändern. Geschlecht und Geschlechtsidentität sind dabei nur ein geringeres Problem.

  • "Nachdem das Bundesverfassungsgericht im Juli die jüngste Wahlrechtsreform für verfassungsmäßig erklärt hatte, ..." Habe ich was nicht mitbekommen? Das Bundesverfassungsgericht hat doch das Streichen der Grundmandatsklausel als verfassungswidrig eingestuft.

    • @Nisse:

      Nein, hat es nicht. Das ist ein verbreitetes Missverständnis. Die Streichung der Grundmandateklausel wurde vielmehr ausdrücklich für verfassungsMÄSSIG erklärt (vgl. Leitsatz 4 der Entscheidung v. 30.07.24)

  • Ja, Männer und Frauen sind gleichberechtigt, Punkt. Das ist gut und richtig so. Beide haben dürfen wählen, beider Stimmen sind gleichviel wert.

    Aber wo bitte leitet sich daraus ab, dass Sitze in einem Parlament quotiert sein müssen? Das ist schlicht nicht der Fall, dass Ergebnis einer freien Fall kann schlechterdings verfassungsrechtlich bedenklich sein, auch wenn am Ende mehr Männer als Frauen gewählt werden sollten (gilt auch umgekehrt). Vielmehr wird, wie schon in auf Länderebene mehrfach entschieden, die freie Wahl durch eine Quotierung eingeschränkt und diese daher für nicht verfassungskonform erklärt.

    Quoten konsequent zu Ende gedacht würden bedeuten, dass wir überhaupt nicht mehr wählen brauchen, da das Parlament einfach als Abbild des Durchschnitts der Bevölkerung berufen werden könnte. Aber genau das so das Parlament nicht sein und würde es auch nicht werden, wenn Geschlechterparität herrschte. Jede Wette, dass wir auch dann noch überproportional viele Akademiker im Allgemeinen und Juristen im Speziellen dort sitzen hätten.

  • "Alle zweitstimmengedeckten Sitze einer Partei müssten dann paritätisch an Frauen und Männer gehen"



    Bei den Zweitstimmen sind 41% Frauen in das Bundesparlament gekommen. Also soweit ist das nicht von einer Parität entfernt.



    Bei den Erststimmen waren nur 26% Frauen. Das müsste eigentlich das Ziel sein.



    Grundsätzlich ist es aber fraglich, ob man einer Geschlechterrepräsentation haben muss, aber viele andere (Nicht-)Repräsentationen ausblendet.

    • @fly:

      "Grundsätzlich ist es aber fraglich, ob man einer Geschlechterrepräsentation haben muss, aber viele andere (Nicht-)Repräsentationen ausblendet." Die Parlamente sollen nicht einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung abbilden, sondern aus gewählten Repräsentanten bestehen. Ich fühle mich nicht unbedingt von jemandem am besten vertreten, der in der gleichen Lebenssituation ist wie ich. Ich will frei entscheiden, wer mich vertritt.

  • Ich dachte, der Bundestag würde gewählt.

  • Erst einmal sollte es um die Qualifizierung eines Politikers gehen und nicht um das Geschlecht.

    • @Dirk Osygus:

      Nein, erst einmal soll es darum gehen, ob er oder sie von einer Mehrheit gewählt wurde. Wenn die Menschen einen Deppen wählen, haben sie es nicht anders verdient.