Kritik an Giffeys Wohnungsbündnis: Bündnis für Deregulierung

Das Wohnungsbündnis mit den Privaten könnte fatale Folgen für sozialen Neubau und Mieterrechte haben. Das befürchtet die Linke-Politikerin Gennburg.

2 rote Mappen mit Berlin-Siegel werden von den Händen Franziska Giffey und Andreas Geisels gehalten

Außen hui, innen pfui Foto: dpa

BERLIN taz | Im Juni wurde das Wohnungsbündnis des Senats mit Teilen der privaten Wohnungswirtschaft geschlossen. Es könnte zu einer Deregulierung bei Neubauvorhaben führen und außerdem Regulierungsmöglichkeiten beschneiden. Die im Bündnis versprochenen Mieterschutzmaßnahmen drohen dabei hintenrunterzufallen. Diese Befürchtung äußert die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion Katalin Gennburg angesichts der Antwort auf eine von ihr eingebrachte Kleine Anfrage zu den Bündnisvereinbarungen, die der taz exklusiv vorliegt.

60.000 Wohnungen sollen private Unternehmen bis 2026 bauen. Um diese Zahl zu erreichen, wurde im Wohnungsbündnis das Ziel formuliert, vermehrt einfache Genehmigungen nach Paragraf 34 des Baugesetzbuches zu erteilen. Dies bedeutet den Verzicht auf das Aufstellen von Bebauungsplänen, in denen formale Vorgaben definiert werden. Blumig heißt es in dem Papier dazu, dass „auch in diesen Fällen sozialer Wohnungsbau angestrebt werden soll“.

Gennburg wollte nun wissen, wie der Senat garantieren will, dass dennoch günstiger Wohnraum entsteht. Antwort: „Eine verbindliche Sicherung des Sozialwohnungsbaus ist im Zusammenhang von Befreiungen von bestehendem Planungsrecht und Projekten nach § 34 BauGB rechtlich nicht direkt möglich.“ Dieser könne nur auf Grundlage einer „Einigung der Bündnispartnerinnen“ und „auf freiwilliger Basis erfolgen“.

Gennburg nennt dies einen „Offenbarungseid“ und spricht von einer „Abkehr von sozialer Stadtentwicklung und von der Konzentration auf soziales Bauen“. Sie warnt auch, dass Bezirke darauf verzichten müssten, die soziale Infrastruktur im Umfeld von Neubauvorhaben zu gestalten. „Die Folgen davon sind über die nächsten 100 Jahre spürbar“, sagt Gennburg.

Weniger Regeln im Milieuschutz

Ein Rückschritt droht auch in den Milieuschutzgebieten. Bislang können Bezirke hier teure Sanierungen zulasten der Mie­te­r*in­nen unterbinden. Das Bündnis hatte sich dagegen auf die Gründung einer Arbeitsgruppe Milieuschutz „unter Beteiligung der wohnungswirtschaftlichen Verbände“ geeinigt, um „mögliche Erleichterungen für die Genehmigungspraxis“ zu prüfen.

In der Antwort auf die Anfrage wird nun konkretisiert, dass „Maßnahmen zur Herstellung von Barrierefreiheit (Aufzüge etc.) und zur energetischen Optimierung der Gebäude besondere inhaltliche Schwerpunkte darstellen werden“. Laut Gennburg droht hier eine „Deregulierung“ und die „Beschneidung einer der letzten verbliebenen Kompetenzen der Bezirke“.

Bei den zwei im Bündnis beschlossenen zentralen mietbegrenzenden Maßnahmen ist die Umsetzung ungewiss. So sollten für WBS-Berechtigte Mieterhöhungen bis Ende 2023 auf 2 Prozent begrenzt werden und sollte auf Mieterhöhungen verzichtet werden, die zu einer Belastung von mehr als 30 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens führen. Der Senat sieht sich anscheinend außerstande dies zu kontrollieren und verweist lediglich darauf, dass die Unternehmen diese Versprechen „in geeigneter Weise in Mieterhöhungsverlangen umsetzen“.

Das Problem: Weder der Senat noch die Unternehmen wissen, was Mie­te­r*in­nen verdienen und ob sie WBS-berechtigt sind. Gennburg bezweifelt, dass die Unternehmen alles tun, um die Schutzregeln tatsächlich umzusetzen. Das Pochen auf ihre Rechte sei für Mie­te­r*in­nen dabei zu voraussetzungsreich. „In der Praxis wird es diejenigen, die am dringendsten eine Entlastung bei der Miete brauchen, nicht erreichen“, sagt sie.

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