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Giffey tritt als Bundesministerin zurückSie braucht jetzt einen Spindoktor

Bert Schulz
Kommentar von Bert Schulz

Die SPD-Politikerin bleibt Berliner Spitzenkandidatin. Doch die Affäre könnte sie entscheidende Prozentpunkte bei der Wahl am 26. September kosten.

Hände hoch, sie müssen zurücktreten: Franziska Giffey bei einer PK Foto: dpa

N un stolpert Bundesfamilienministerin Franziska Giffey also doch noch über den ihr wohl zu Unrecht verliehenen Doktortitel. Die 43-Jährige war etwas zu siegessicher, als sie 2019 ihren Rücktritt als Ministerin für den Fall anbot, dass die Freie Universität Berlin (FU) ihr den Doktorhut wieder abnimmt. Diese politische Ansage löst sie nun ein, allerdings nur notgedrungen.

Giffey hatte lange versucht, das zu verhindern, mit kräftiger Unterstützung ihrer Universität. Die hatte eigens für sie die Kategorie „Rüge“ erfunden – die die Hochschule dann später in einem zweiten Verfahren wieder kassieren musste. Dann hat Giffey, inzwischen SPD-Spitzenkandidatin für die Berliner Abgeordnetenhauswahl, angekündigt, den Titel nicht mehr tragen zu wollen. Doch das beendete die Überprüfung ihrer Promotionsarbeit nicht. Deren Ergebnis läuft nun auf den Entzug des Titels hinaus.

Seit mehr als zwei Jahren schwebt über der letzten Berliner SPD-Hoffnung dieses Damoklesschwert. Das dürfte ausgereicht haben, dass je­de*r Wäh­le­r*in von Giffeys Schwachpunkt gehört hat. Die spannende Frage ist nun: Welche Rolle wird der letztlich verlorene Titel, den viele Betrug nennen, im Wahlkampf spielen?

Sicher ist: Die politischen Geg­ne­r*in­nen von CDU über Linke bis zur AfD werden das Thema genüsslich auskosten und ihr bei jedem gemeinsamem Auftritt unter die Nase reiben. Giffey verliert zwar jetzt ihren Titel, im Wahlkampf aber wird er weiter an ihr haften. Offen ist, ob die politische Konkurrenz ganz offensiv Giffeys Affäre mit dem Dr. aufgreift – und ob sie es schafft, nicht zu überziehen und Giffey dadurch Mitleidspunkte zu verschaffen.

Derweil feiert Giffeys Partei den Rücktritt am Mittwoch als ehrenvoll und konsequent. Das ist natürlich heuchlerisch vor dem Hintergrund, dass in früheren Plagiatsfällen in anderen Parteien jede Konsequenz als nicht ausreichend angesehen wurde. Auch da stellt sich die Frage nach den moralischen Maßstäben und wie man sie sich zurechtbiegt.

Berlins SPD setzt voll auf Giffey

Die Berliner SPD beeilte sich am Mittwochvormittag zu betonen, dass sie an Giffey als Spitzenkandidatin festhalten wird. Sie hat auch niemand anderen, der die Partei vor dem kompletten Absturz retten könnte. In Umfragen liegen die Sozialdemokraten deutlich hinter den Grünen mit einer deutlich weniger bekannten Spitzenkandidatin und auch hinter der CDU.

Berlins SPD muss deswegen voll und ganz auf die Person Giffey setzen – das wird jetzt deutlich schwerer werden angesichts einer Politikerin, die für einen Titel mehr als geschummelt hat. Die Ex-Ministerin hat jetzt noch gut vier Monate Zeit, um sich von der Affäre zu lösen. Einen Doktor braucht sie dafür durchaus: einen wirklich guten Spindoktor, der der ganzen Geschichte den neuen Dreh gibt.

Gelingen kann das durchaus: Giffey verkörpert wie nur wenige Po­li­ti­ke­r*in­nen bei ihren Auftritten Bür­ge­r*in­nen­nä­he und Kümmerin. Sie wirkt selten wie eine von „denen da oben“ – ein deutlicher Gegensatz zu ihrem Verhalten beim Umgang mit dem Doktortitel, der für viele ein Inbegriff der Abgehobenheit ist. Die SPD muss diesen Widerspruch nun auflösen.

Wahrscheinlich wird die Doktoraffäre die SPD am 26. September indes jene Prozentpunkte kosten, die sie bräuchte, um in Berlin stärkste Partei zu werden und im Roten Rathaus zu bleiben. Und dann stellt sich die Frage nach der Zukunft der Spitzenkandidatin und Landeschefin noch mal ganz neu.

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Bert Schulz
Ex-Leiter taz.Berlin
Jahrgang 1974, war bis Juni 2023 Leiter der Berlin-Redaktion der taz. Zuvor war er viele Jahre Chef vom Dienst in dieser Redaktion. Er lebt seit 1998 in Berlin und hat Politikwissenschaft an der Freien Universität studiert.
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11 Kommentare

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  • Ich bin mir nicht sicher, ob ihr das am Ende nicht eher nutzt als schadet.

    Wahrscheinlich wäre das Thema ein besserer Angriffspunkt, wenn sie Ministerin geblieben wäre, möglicherweise laufen sich entsprechende Angriffe jetzt tot oder werden als unsachlich wahrgenommen.

    Gleichzeitig führt die SPD die ganzen Unionsminister vor, die wegen schwereren und für ihre politische Arbeit relevanteren Vorwürfen eigentlich viel eher zurücktreten müssten.

    Giffey steht jetzt nicht mehr als Teil der Bundesregierung im Wahlkampf, aus der sie eh ausscheiden wollte, so ist sie unabhängiger und wird eventuell Berlin-bezogener wahrgenommen.

    Und wenn die SPD es jetzt geschickt macht, setzt sie einen interessanten neuen Kopf (warum eigentlich nicht mal einen Mann?) ins "Gedöns-Ministerium", der vor der Wahl Familienthemen neue Impulse geben kann, für das was die SPD ohne Union in dem Bereich machen will.

  • Ich glaube, die SPD sollte jetzt noch mehr regionale "Umweltinstitute" gründen. So ein Spitzenpersonal verlangt nach Integration.

  • Nach bestem Wissen und Gewissen..

    Bisher (19. Mai 2021, 15:45:42 (UTC+2)) wurden auf 76 von 205 Seiten Plagiatsfundstellen dokumentiert. Dies entspricht einem Anteil von 37,1 % aller Seiten. Davon enthalten 11 Seiten 50 % - 75 % Plagiatstext und 1 Seite mehr als 75 % Plagiatstext.



    vroniplag.wikia.org/de/wiki/Dcl

    Hat irgendein führender SPD Politiker*in Kritik geübt an dem "kleinen Schusselchen"?



    Wenn ich heute Rolf Mützenich oder Michael Roth höre kommt die große Freude auf.



    daraus folgt..



    Den Rest sollten die Wählerinnen und Wähler klären.

  • Könnte, könnte, Fahrradkette!

  • 1G
    14390 (Profil gelöscht)

    Ein Minister, "der eine eigene Regel für sich beansprucht, die sich außerhalb des Werte- und Rechtssystems der Bundesrepublik Deutschland bewegen, der höhlt dieses Werte- und Rechtssystem scheibchenweise aus, weil er sich nämlich über Recht, Gesetz und Regeln setzt.“ - mit diesen Worten forderte der SPD-Bundesvorsitzenden Gabriel 2011 Bundeskanzlerin Merkel auf, den Bundesverteidigungsminister Freiherr von und zu Guttenberg, den er im Zuge der Plagiatsaffaire einen "politischen Hochstapler" nannte, zu entlassen. Für Genossen gelten offensichtlich andere Maßstäbe.

    • @14390 (Profil gelöscht):

      Ihren Kommentar verstehe ich nicht, Frau Giffey hat doch genau das gemacht, was Gabriel gefordert hat, sie ist als Ministerin zurückgetreten.

    • @14390 (Profil gelöscht):

      Ja wie? Möchten Sie etwa, dass Frau Giffey sich in Zukunft auch ähnlich zweifelhaften Unternehmungen andient, wie es zu Guttenberg mit Wirecard tat?

  • Ja wie? - Was der Schavan die Dotoressa h.c. mazapan



    Könnt der Giffey glatt die Dotoressa h.c. berliner weiße - san!



    Die Berliner Bier-Akademie => ein Bierseminar & alles klar.



    Jòò. Das Recht zur Promotion - gegen Spende!



    Hat die Akamie doch schon - gleich nache Wende!

  • Es gibt zwei Punkte die in der ganzen Affäre einen äußerst üblen Nachgeschmack haben und die Sie ja auch richtig erwähnt haben. Zum einen die Nummer mit der Rüge, die offen erkennbar eine Gefälligkeit war, die einer Schavan oder einem Gutenberg nie zuteilgeworden wäre. Und das bei Fällen in anderen Parteien die Forderungen nicht maximal genug sein konnten.

    Insofern ist der Rücktritt zwar Folgerichtig, aber konsequent ist er natürlich nicht, er ist erzwungen!

    • @insLot:

      Vor allem hat der Rückzug nichts mit Einsicht oder gar Reue zu tun, er folgt lediglich rein taktischen Motiven.

  • Richtig so, Schavan und von Guttenberg sind auch genau deswegen zurückgetreten. Warum sollten bei einer SPD Politikerin andere Maßstäbe angelegt werden.