Gewerkschaftsbrandbrief an Klaus Ernst: „Gegen unsere IG Metall und unsere Werte“
Führende bayerische IG-Metall-Mitglieder legen dem BSW-Politiker den Gewerkschaftsaustritt nahe. Er habe sich entschieden, „die Seiten zu wechseln“.
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Der 70-jährige Klaus Ernst ist Landesvorsitzender und Spitzenkandidat des BSW in Bayern. Einst galt er als geachteter, wenn auch nicht unumstrittener Gewerkschafter. 1972 eingetreten, arbeitete sich der gelernte Elektromechaniker bis zum Ersten Bevollmächtigten der IG Metall in Schweinfurt hoch. 2005 zog er für die Linkspartei in den Bundestag ein. Während seiner Zeit bei der Linken galt er als wichtiges Bindeglied zu den Gewerkschaften. Im Oktober 2023 gehörte Ernst dann zu den neun Linken-Abgeordneten, die gemeinsam mit Sahra Wagenknecht aus der Partei und der Fraktion austraten, um eine eigene „linkskonservative“ Partei zu gründen. Der IG Metall gehört er hingegen bis heute an.
Wenn das Gespräch auf Ernst kam, rollten viele Gewerkschafter:innen schon seit einiger Zeit wegen dessen Russlandnähe und den eher steinzeitlichen industrie- und klimapolitischen Vorstellungen, die er vertritt, nur noch genervt mit den Augen. Zum offenen Bruch ist es nun gekommen, weil das BSW im Bundestag zusammen mit der AfD und der FDP für das „Zustrombegrenzungsgesetz“ der Union gestimmt hatte.
„Der Tritt nach unten war und ist in unserem Land immer noch weitverbreitet“, beklagen 28 Bevollmächtigte der IG Metall aus Bayern in ihrem Brief, der der taz vorliegt. Ihre Gewerkschaft stehe jedoch für die Solidarität mit Migrant:innen und beweise Haltung gegen rassistische Politik. Die Entscheidung von Ernst und dem BSW sei daher „eben auch eine gegen unsere IG Metall und unsere Werte“. Sie hätten sich nicht vorstellen können, „wie weit ihr im BSW, und vor allem auch du als Kollege unserer Organisation zu gehen bereit seid“.
Scharf prangern die Gewerkschafter:innen an, dass das BSW auch weiterhin gemeinsame Abstimmungen mit der AfD nicht ausschließt. „Die Normalisierung dieser faschistischen Partei hat durch euch und dich einen weiteren großen Schub erhalten“, heißt es in ihrem Brief an Ernst. „So bitter es für uns ist: Wir müssen verzweifelt mit ansehen, dass du dich entschieden hast, die Seiten zu wechseln“, konstatieren die Gewerkschafter:innen. Sie würden sich deshalb fragen, „ob die IG Metall noch der richtige Platz für dich sein kann“.
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Bereits Anfang Februar hatten mehrere Ver.di-Gewerkschafter, die bis dahin im bayerischen Landesvorstand des BSW aktiv waren, ihren Austritt aus der Partei erklärt. Auch sie kritisierten den migrationsfeindlichen Kurs des BSW und die Kooperation mit der AfD beim „Zustrombegrenzungsgesetz“. In den Umfragen rangiert das BSW derzeit zwischen 4 und 5,5 Prozent und muss um seinen Einzug in den Bundestag bangen.
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