Gewalt gegen Frauen: Kein sicheres Leben
In den vergangenen Wochen jagte eine Nachricht über misogyne Gewalt die nächste und zeigt: Das Leben von Frauen ist noch immer weniger wert.
![Kerzen und Blumen stehen und liegen in Berlin-Zehlendorf am Tatort Kerzen und Blumen stehen und liegen in Berlin-Zehlendorf am Tatort](https://taz.de/picture/7230372/14/36317250-1.jpeg)
D ie vergangenen Wochen waren keine guten für Frauen. Eigentlich jedes Mal, wenn ich auf mein Handy gucke, erreicht mich eine neue Schreckensnachricht. Und jedes Mal liefert sie die Gewissheit, dass das Leben für Frauen kein sicheres ist.
In Kenia wird die Olympia-Läuferin Rebecca Cheptegei am 1. September in ihrem Zuhause von ihrem Ex-Freund mit Benzin übergossen und angezündet. Die Nachbar_innen finden sie brennend und bringen sie in ein nahegelegenes Krankenhaus, doch sie können den Femizid nicht verhindern. Die 33-jährige Uganderin stirbt wenige Tage später an ihren Brandverletzungen.
In Frankreich wird vor einigen Tagen der Öffentlichkeit ein Verbrechen im Detail bekannt, dessen Grausamkeiten schon ein paar Jahre zurückliegen. Neun Jahre lang wurde Gisèle P. von ihrem Ehemann betäubt und dann entweder von ihm selbst vergewaltigt oder fremden Männern zur Vergewaltigung angeboten. Der Polizei liegen rund 200 Videos vor, in denen diese Vergewaltigungen zu sehen sind. In 92 Fällen sollen fremde Männer die Täter gewesen sein, sie sind Klempner, Journalisten, Unternehmer, Kraftfahrer, sie sind Ehemänner und Väter. Der Ex-Mann Dominique P. ist geständig, von den anderen Männern nur ein Bruchteil.
Gisèle P. wusste von der grausamen sexualisierten Gewalt jahrelang nichts, da sie während der Taten bewusstlos war. Erst durch die polizeilichen Ermittlungen hat sie davon erfahren – und möchte nun, dass die ganze Welt davon erfährt.
Kein ausreichender Schutz
Deswegen findet der Prozess in Avignon nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und die 72-Jährige tritt mit Namen und Gesicht vor die Kameras. Sie sagt: „Ich spreche für all die Frauen, die unter Drogen gesetzt werden und es nicht wissen, ich tue das im Namen all der Frauen, die es vielleicht nie wissen werden.“
In Berlin-Zehlendorf wurde Ende August eine Frau von ihrem Ex-Mann mit einem Messer angegriffen und getötet. Schon in den Jahren zuvor habe es mehrere Vorfälle von häuslicher Gewalt gegen sie gegeben, die Frau soll eine Gewaltschutzverfügung und ein Näherungsverbot erwirkt haben. Beides, wie sich nun zeigt, kein ausreichender Schutz. Gegen den Täter wurde Haftbefehl wegen Mordes „aus niedrigen Beweggründen“ erlassen.
In Berlin-Lichtenberg ist nur zwei Tage später wieder eine Frau im Hausflur eines Mehrfamilienhauses mit einem Messer niedergestochen worden. Wieder ist der Tatverdächtige der Ex-Partner. Und wieder soll es im Vorhinein zu häuslicher Gewalt gekommen sein.
Allein die Aufzählung dieser vier internationalen und nationalen Fälle zeigt, wie dringlich das Problem der Gewalt gegen Frauen ist. Dabei sind sie nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was täglich passiert. Es gibt so viel mehr Schläge und Tritte, Vergewaltigungen und Tötungen, von denen niemand etwas mitbekommt. In Deutschland wird mittlerweile fast jeden zweiten Tag eine Frau von ihrem (Ex-)Partner getötet.
Was die Fälle aber noch zeigen: Wie untätig die Politik ist. Lösungen, wie Gewalt gegen Frauen begegnet werden kann, sind längst bekannt: Es braucht intensive präventive Täterarbeit, um Gewalt zu verhindern, runde Tische mit Expert_innen, um Gewalt zu begegnen und ausreichend Schutzräume für Gewaltbetroffene.
Keine Reaktion nach Femiziden
Frauenarmut muss bekämpft und bezahlbarer Wohnraum bereitgestellt werden. Dass sich hier in den letzten Jahren so wenig getan hat, ist einzig politischer Unwille. Denn Gewalt gegen Frauen gehört zu unserem Alltag, viele haben den grausamen Ist-Zustand einfach akzeptiert. Nach den meisten Femiziden gibt es in Deutschland keine Reaktion, in manchen Fällen leere Versprechungen. So auch jetzt.
Bundeskanzler Olaf Scholz schweigt. Die Berliner Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) fordert den Einsatz von elektronischen Fußfesseln für Täter. Die Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) verspricht zumindest, ein Gewalthilfegesetz vorzubereiten. Ob dafür dann letztlich das nötige Geld da ist, wird sich zeigen. In der Vergangenheit hat es immer gefehlt.
Es waren keine guten Wochen für Frauen. Es ist kein gutes Leben für Frauen. Und ich wünschte so sehr, es wäre anders.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten