piwik no script img

Gespräch über Planung im Kapitalismus„Niemand wird kommen, um uns zu retten“

Kapitalismus bedeutet Planwirtschaft, sagt die britische Ökonomin Grace Blakeley. Sie zählt zu den wichtigsten jüngeren Kapitalismuskritiker:innen.

Britische Journalistin und Autorin Grace Blakeley: „Der Markt regelt angeblich und wirkt ausgleichend. Aber das stimmt so nicht.“ Foto: Roberto Ricciuti/getty images

Rosa Budde
Ulrich Gutmair
Interview von Rosa Budde und Ulrich Gutmair

taz: Frau Blakeley, die Zeitung Daily Mail hat Sie einst „Moët-Marxistin“ genannt. Sind Sie das?

Viele Leute denken, Kapitalismus meint freie Märkte. Aber die gab es noch nie

Grace Blakeley: Das war, als ich 25 Jahre alt war. Ich kam gerade frisch von der Uni und habe in den Medien darüber gesprochen, dass Sparpolitik falsch ist. Nicht nur ethisch, sondern auch ökonomisch falsch. Ich konnte mit etablierten Öko­no­m:in­nen auf Augenhöhe diskutieren. Der Daily Mail gefiel meine Haltung nicht. Deswegen hat sie einen albernen Artikel über mich veröffentlicht, in dem steht, dass ich aus einer privilegierten Familie komme. Daraus habe ich nie ein Geheimnis gemacht. Also bin ich eine Moët-Marxistin? Nun ja, ich mag Champagner. Aber ich will Champagner für alle.

taz: Moët stimmt also schon mal. Bezeichnen Sie sich selbst als Sozialistin?

Blakeley: Unbedingt. Ich sehe mich in der Tradition demokratischer Sozialist:innen, die mit Marx beginnt. Marx war der Idee der menschlichen Freiheit verschrieben. Aber im Laufe der Zeit wurde seine Botschaft komplett verzerrt. Ein Grund, warum ich mein neues Buch geschrieben habe, war, dass ich es satt hatte, dass so viele Leute annehmen, linke Politik würde immer auf einen mächtigen, autoritären Staat hinauslaufen. Während der Coronapandemie sagten Jour­na­lis­t:in­nen zu mir: „Der Staat greift jetzt in die Wirtschaft ein, das ist Sozialismus. Sind Sie jetzt zufrieden?“ Nein, das ist kein Sozialismus! Der Staat greift einmal mehr ein, um die Interessen der Reichen zu fördern. Im Sozialismus geht es darum, die Menschen zu empowern. Es geht darum, die politische Demokratie auf den Bereich der Wirtschaft auszuweiten.

taz: In Deutschland kommt bei dem Wort Sozialismus schnell die Erinnerung an die Planwirtschaft der DDR auf. Da ist die Idee der menschlichen Freiheit nicht so recht aufgegangen.

Blakeley: Das ist genau mein Argument: Zentralisierte Planwirtschaft funktioniert nicht. Zentralisierte Planung sehen wir auch im Kapitalismus. Ich habe mir die Planwirtschaft in den Ostblockstaaten genauer angeschaut und bemerkt, dass sich das nicht so sehr von dem unterscheidet, was heute passiert, wenn etwa Elon Musk im Weißen Haus sitzt und sagt, wir geben jetzt mal Geld für dieses oder jenes aus. Das ist keine Demokratie, das ist Planung im Sinne von Privatinteressen.

Im Interview: Grace Blakeley

Grace Blakeley, geboren 1993, ist Autorin und Journalistin. Sie studierte Philosophie, Wirtschaft, Politik und Afrikastudien in Oxford. Auf Deutsch erschien 2023 „Stolen: So retten wir die Welt vor dem Finanzkapitalismus“. Ihr neues Buch „Die Geburt der Freiheit aus dem Geist des Sozialismus – Wie das Kapital die Demokratie zerstört“ ist soeben bei Klett-Cotta erschienen (Deutsch von Christian Alexander Herschmann u. a., 496 Seiten, 28 Euro).

taz: Der bürgerliche Staat ist die Organisation der Interessen des Kapitals.

Blakeley: Es heißt, es gäbe einen freien Markt, auf dem jeder neue Konkurrent theoretisch einen Marktanteil übernehmen könnte. Unternehmen stünden unter Konkurrenzdruck. Der Markt regelt angeblich und wirkt ausgleichend. Aber das stimmt so nicht. Monopolistische Unternehmen wie Google oder Amazon müssen sich nicht den Gegebenheiten des Marktes anpassen, sie schaffen selbst die Bedingungen des Marktes. Politische Entscheidungen werden im Sinne des Kapitals getroffen, nicht zugunsten eines besseren Lebens für die Bevölkerung. Ein Elon Musk kann entscheiden, dass er nicht in nachhaltige Energien, sondern in eine Rakete zum Mars investieren will. Damit trifft er als Milliardär eine persönliche Entscheidung für sich selbst – und die Wirtschaft richtet sich danach aus.

taz: Das Wirtschaftssystem, das wir in Deutschland haben, heißt ja offiziell …

Blakeley: … soziale Marktwirtschaft! Ich weiß. Als ich das erste Mal in Deutschland war, stand bei einem Vortrag jemand aus dem Publikum auf und sagte: „Wir haben keinen Kapitalismus in Deutschland, wir haben die soziale Marktwirtschaft.“ Das fand ich sehr lustig. Das zeigt aber auch das größte Missverständnis, was den Kapitalismus angeht. Viele Leute denken, Kapitalismus meint unregulierte freie Märkte. Aber die gab es noch nie, in keiner kapitalistischen Wirtschaft. Immer haben große Unternehmen mit der Politik kooperiert und, nun ja, planerisch eingegriffen.

taz: Wenn Sie in Ihrem neuen Buch „Die Geburt der Freiheit aus dem Geist des Sozialismus“ von den Planern des Kapitalismus sprechen, benutzen Sie häufig das Wort Eliten. Klingeln bei Ihnen keine Alarm­glocken im Kopf, wo übermächtige Eliten doch ein zentraler Bezugspunkt von Verschwörungsideologien sind?

Blakeley: Es ist sehr wichtig, sich Begriffe, die häufig in öffentlichen Diskursen verwendet werden, genau anzusehen. Ich habe dieses Buch geschrieben, um zu erklären, was Kapitalismus wirklich ist, abseits von dem Narrativ freier Konkurrenz auf einem angeblich freien Markt. Genauso erkläre ich, was Eliten wirklich sind: natürlich nicht das World Economic Forum oder Echsen, die die Welt regieren. In unserer kapitalistischen Gesellschaft gibt es aber eine klare Hierarchie, in der die wenigen, die die größten und mächtigsten Finanzinstitute und Unternehmen besitzen und hohe Positionen im Staat innehaben, viel mehr Macht haben als eine Durchschnittsperson. Diese Eliten kontrollieren nicht das ganze System, aber sie können darin planen. Politische Entscheidungen werden in ihrem Sinne getroffen.

taz: Die Kontrolle durch Parlamente ist ungenügend?

Blakeley: Eine Durchschnittsperson empfindet in einer kapitalistischen Planwirtschaft ständig ihre eigene Machtlosigkeit. Ich denke, es ist das bestimmende politische Gefühl unserer Zeit, dass die Welt nicht für mich da ist, dass die Wirtschaft nicht für mich funktioniert. Ich wähle eine Partei, die ins Amt kommt und ihr Wort bricht. Oder ich bitte meinen Chef um eine Gehaltserhöhung und er sagt nein, und ich kann nichts dagegen tun. Die Grunderfahrung, in einer kapitalistischen Planwirtschaft zu leben, ist, keine Macht zu haben. Das ist der Grund, warum sich so viele Menschen rechten Parteien zuwenden, die ihnen versprechen, sie wieder stark und mächtig zu machen.

taz: Das passt zu dem englischen Originaltitel Ihres Buches: „Vulture Capitalism“. Die direkte Übersetzung, Geier-Kapitalismus, funktioniert auf Deutsch nicht so richtig. Aber „Die Geburt der Freiheit aus dem Geist des Sozialismus“ ist schon sehr viel positiver als der ursprüngliche Titel. Warum?

Blakeley: Um ehrlich zu sein, „Vulture Capitalism“ fasst einen Großteil dessen, worum es in dem Buch geht, nämlich die Perfektion des Kapitalismus als System. Aber es unterschlägt den hoffnungsvollen Ton, den ich zum Ende hin anschlage. Das Buch hat eine optimistische Botschaft: Werdet aktiv!

taz: Wie denn?

Blakeley: Wir müssen uns organisieren. Niemand wird kommen, um uns zu retten. Zugegeben, das klingt erst mal pessimistisch. Aber historisch gesehen wurde progressive Politik noch nie von Po­li­ti­ke­r:in­nen gemacht: „Hey, wir geben euch, was ihr braucht.“ Politik zugunsten der Bevölkerung wurde immer erkämpft. Das Problem ist, dass in den vergangenen 40 Jahren soziale Kämpfe in den USA und in Großbritannien, aber auch in Deutschland und anderen Ländern stark geschwächt wurden. Die Ar­bei­ter:in­nen­be­we­gung wurde zu sehr institutionalisiert. Sie ist so nah am Staat und an den Unternehmen, dass sie die Interessen von Ar­bei­te­r:in­nen nicht mehr wirklich vertreten kann. Viele Menschen warten darauf, dass endlich die richtigen Po­li­ti­ke­r:in­nen an der Macht sind. Aber die werden nicht kommen. Wenn wir ein besseres Leben für alle wollen, dann müssen wir zusammenkommen und uns selbst dafür einsetzen. Und wir sollten sofort damit anfangen. In Gewerkschaften, in sozialen Bewegungen, in Kooperativen, in unserer Nachbarschaft. Wir müssen gefährlich werden. Bis wir eine neue Gesellschaft von unten aufbauen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

28 Kommentare

 / 
  • Champagner für Alle? Wie wärs stattdessen mit Bildung, korrekt bezahlter Arbeit, ein funktionierendes Gesundheitssystem und funktionstüchtiger Infrastruktur und bezahlbarem Wohnraum (Liste durchaus erweiterbar) für Alle? Ein Verständnis für das neoliberale Projekt, dessen Ideologie und dessen menschenverachtende Grundhaltung, daraus resultierend ein Staat der sich jeglicher Verantwortung entledigt und gesellschaftliche Probleme individualisiert, wäre ein erster Schritt. Stichworte: Kinderarmut, Arbeitslosigkeit, Selbstmordrate, psychosomatischen Erkrankungen, Verschuldung der Privathaushalte, etc.. Die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse sind nicht gottgegeben oder ein Naturereignis, sie sind gewollt und menschengemacht!



    Zunächst wäre doch ersteinmal eine Verständigung auf diese Erkenntnis und die Schärfung eines politischen Bewusstseins über diesen Sachverhalt vonnöten. Solidarität ist als politische Kraft vom System unerwünscht. Darüber hinaus gilt es ein positives Verständnis von Solidarität wiederzuentwickeln, verbunden mit einem humanistischen Menschenbild, aller Ausgrenzung und Übertragung der Probleme vor allem auf die sozial Benachteiligten zum Trotz.

  • "Niemand wird kommen, um uns zu retten" Das hat man früher noch mit Überzeugung gesungen: " Es rettet uns kein höh'res Wesen, kein Gott, kein Kaiser noch Tribun..."

  • Würden die Idealisten und Sozialist:innen nicht so viele Grammatik- und Orthografiefehler in ihren Kommentaren machen, dann wäre ich etwas zuversichtlicher, was die Politik von unten betrifft.

  • Es wird sich dadurch NICHTS ändern.



    Eine Revultion von unten mittels Politischen Ambintionen braucht rund 5% der Bevölkerung um anfangen zu können. 25-50% um eine wirkliche Veränderung herbei führen zu können.



    Die "Angst vor Veränderung" ist allerdings die größte Angst des Menschen. Nur Hoffnung und oder Verzweiflung lassen uns diese überwinden. Im Normalfall ist es die Verzweiflung die uns die Änderungen aufzwingt. Insolvenz ist hierbei das beste Beispiel. Schon ist es völlig normal auf 25-50% des Lohns zu verzichten um auch weiterhin eine Arbeit zu haben.



    HABEN, ist hierbei der entscheidende Punkt. Wobei ich eher BEZAHLTE Arbeit schreiben sollte. Denn an sich gibt es genug Arbeit. Allerdings unbezahlt.

    2018 hatte ich die Idee zum "Negativgeld". Dies ist nicht nur ein Zeitgeld. Sondern auch ein völlig neuartiges Steuersystem das mit einer 100% Grundversorgung daher kommt die von uns allen durch "direckte Demokratie" bestimmt wird.



    Ist das ein Utopie? Nach der Begriffserklärung ja. Denn es gibt sie noch nicht.



    Mal schauen wie das nach der nächsten Weltfinanzkriese wird. Schaffen wir es dann endlich das Kreditgeld zu überwinden?

  • Interessante Ökonomin. könnte man direkt teilen.



    Kenne den erlebten Sozialismus.



    Sie trifft duchaus größtenteils in Schwarze., allerdings im Sozialismus "private" Interessen?



    Jedoch hadere ich mit den Schlußfolgerungen, mit dem



    Organisieren kann man nicht allzuviel erreichen, siehe Sahra Wagenknecht.



    ...und mit sich selbst helfen, da sind nur Teilerfolge möglich.



    Es braucht sehr viel Enthusiasmus...



    ...und es gibt zuviele Egoisten...

  • Mir fiel da dieser uralte Witz ein, den ich mal hörte. Ich glaube, bei Dalli, Dalli und Hans Rosenthal. Hat mich als Kind lange beschäftigt, was damit gemeint ist.

    Was bedeutet Kapitalismus? Die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Und wie ist es im Sozialismus? Genau andersherum.

    Kleiner Hinweis an die Interviewer: „Vulture Capitalism“ lässt sich statt mit Geier-Kapitalismus natürlich sehr gut mit „Raubtierkapitalismus übersetzen. Das ist ja inzwischen ein gängiger Begriff im Deutschen.

  • Gutes niveauvolles Interview - Dankeschön 👍👍

  • So ganz kann ich dem Artikel nicht folgen, also letzlich wird hier ein echter sozialistischer Kapitalismus gefordert mit maximaler Konsummöglichkeit für jedes Individuum? Also eben: "Champagner für alle" ?

    Aber wäre das nicht der endgültige Untergang der Menschheit? Ich weiß nicht ob es bei den Menschen immer noch nicht angekommen ist, aber eine Gesellschaft in der wir maximal alles Konsumieren was geht, also den Planeten bis auf seinen Grundgerüst aussaugen, dass kann doch gar nicht funktionieren.

    Letztens las ich einen Artikel indem es darum ging, auf eine Kriegswirtschaft umzustellen, nicht im Sinne des Krieges, sondern tatsächlich um eine Planwirtschaft zu gestalten, die den Konsum eben nur noch auf das notwendigste beschränkt. Mir ist durchaus bewusst, dass dies die wenigsten Menschen wollen, aber wenn die Menschheit überleben will, nunja was bleibt da groß übrig?

    Sollte ich den Artikel falsch verstanden haben, tut es mir leid, aber so stellt es sich für mich da.

    Wir haben einfach keine Technologie, die uns maximalen Konsum und gleichzeitig eine funktionierende Umwelt garantiert.

    MfG

    • @Impe:

      Also, ich formuliere meine Antwort auf Ihren Kommentar mal etwas zynisch: wenn dieser Planet schon ausgebeutet und zerstört wird, ist es doch besser, ALLE partizipieren daran als nur einige wenige Reiche.



      Aber im Grunde sind das - aus zeitgemäßer sozialistischer Perspektive - nur Scheinalternativen: heute geht es darum, der Frage nach der gerechten Verteilung der noch vorhandenen Ressourcen die nach dem Erhalt eben dieser Ressourcen hinzuzufügen - und das sehr dringlich! Und Antworten zu finden - und das ebenso schnell -, wie beides miteinander in Einklang gebracht werden kann.



      Es ist vor aller Augen ersichtlich: der Kapitalismus/Neoliberalismus kann keine Antworten auf diese Fragen finden, aber ob der Sozialismus sie findet? Nicht 1989/90 hat der Sozialismus versagt - meine These -, sondern JETZT wird sich erweisen, ob er scheitert oder für die Menschheit zu einem Modell der Zukunft werden kann.

  • Ich dachte unser Wirtschaftssystem sei der Neoliberalismus einhergehend mit einem aktivierenden Staat. Fürs Erste geht es mir da wie Cocmic. Alter Wein in neuen Schläuchen und die Hausaufgaben nicht gemacht. Das ganze frisch, keck und frei publiziert verkauft dann sogar noch Bücher. Na ja...passt doch perfekt in unsere Zeit

  • Mmmmh, wie ich finde eine Aneinanderreihung von althergebrachten Binsanweisheiten. Das ist die derzeit mit wichtigste Kapitalismuskritikerin? Ich bin leider wenig beeindruckt.

    • @Cosmic:

      Es ist schön, wenn Sie die im Artikel erwähnten Aussagen schon vorher begriffen haben.

      Wenn ich mir allerdings das Ergebnis der letzten Bundestagswahl anschaue, komme ich zu dem Schluss, dass das was Sie als "Binsenweisheiten" bezeichnen, für viele Wahlberechtigte sogar noch zu kompliziert ist.

      • @Truhe:

        Es sind einerseits Binsenweisheiten und andererseits weit überwiegend Kritikpunkte, die nur Unzufriedenheit bis Wut erzeugen, ohne zu inspirieren ("Wir müssen uns organisieren!" ist halt auch etwas abgegriffen). So gehen dann auch die Wahlen aus: Zornig und uninspiriert.

        Das Problem an der Überwindung des Kapitalismus war doch nie, das niemand die Kritik an ihm teilt, sondern dass es an real lebensfähigen Alternativen mangelt. "Champagner für Alle!" mag die Parole lauten, aber mit oder ohne Planwirtschaft hat es in sozialistischen Erperimenten bislang dann doch eher nur für mittelgutes Leitungswasser gereicht (außer für die sozialistischen Eliten, die sich irgendwie auch immer ganz schnell bildeten), während der Kapitalismus wenigstens "Mal 'nen Sekt für die Meisten" hervorbringt.

      • @Truhe:

        Fein Formuliert 😉

  • Der Artikel ist insofern interessant, als er in sich selbst komplett widersprüchlich ist, was das Dilemma der Erkärung der Umverteilungsmechanismen sehr gut illustriert. Am Ende ist es so. dass der Mensch an sich auf seinen eigenen Erhalt und die Maximierung seiner und der Sicherheit der ihm Angehörigen achtet. Das erfolgt auch durch Gewinnmaximierung. Ein Gewinnversprechen durch Vermögende an Entscheider führt zu mehr Gewinn bei den Vermögenden. Will sagen: das, was wir sehen, liegt in der menschlichen Natur. Der sozialistische Ansatz liegt nicht in der menschlichen Natur.

    • @Herr Weh:

      Der Mensch lebt in der Konvergenzzone zwischen seiner Natur und seiner Kultur. Der sozialistische Ansatz mag wenig bis gar nicht in der menschlischen Natur liegen, das heisst jedoch nicht, dass er unnütz wäre.

    • @Herr Weh:

      Es geht bei Marx weniger um die menschliche Natur, dessen Egoismus (und auch Atruismus) er anerkennt, sondern um die gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen der Egoismus bestimmter Gruppen nur auf Kosten anderer Gruppen durchgesetzt werden kann. Gemäß Marx wären aber Verhältnisse möglich, in denen die verschiedenen Gruppenegoismen keine Gegensätze mehr wären, sofern jene Gruppen keine Klassen mehr sind:

      "An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist." - Manifest der Kommunistischen Partei, II. Marx/Engels, MEW 4, S. 482

      de.wikiquote.org/wiki/Karl_Marx

      So wie ich es verstehe: Es ist genug für Alle da und falls nicht, kann es produziert werden, wenn nicht bestimmte exklusive Gruppen darüber bestimmen, was wie für wen produziert und verteilt wird.

      Den Gedanken, dass die Freiheit der einen die Voraussetzung für die Freiheit aller anderen ist, finde ich smart, weil er wir gesagt, einen ganz anderen Fokus setzt.

      • @Uns Uwe:

        Wenn etwas für alle da ist, wird es uninteressant. Die 300 qm-Penthouse-Wohnung mit Spreeblick oder auch Champagner ist nur deshalb reizvoll, weil wenige es sich leisten können. Wenn jeder sich das leisten könnte, will das keiner mehr haben. Dann ist die Penthouse-Wohnung die heutige 60 qm-Plattenbau-Wohnung.

    • @Herr Weh:

      Menschenrechte liegen auch nicht in der menschlichen Natur. Die Bewahrung liegt nicht im Sinne des Erhaltes des eigenen Individuums und nahestehender Menschen. Sondern aller Menschen.

      Gut zu wissen, dass wir uns hier langsam entfernen von unserer Intelligenz. Sie war Garant, um uns auch außerhalb unserer Natur zu bewegen und uns weiterzuentwickeln.

  • Wie kommt man zusammen, um politisch etwas zu verändern? Man gründet oder geht in eine Partei. Aber umso länger man in der Politik ist, umso mehr wird man betriebsblind und verliert den Kontakt zum gewöhnlichen Volk.



    Zudem nutzen die obersten 10.000 die Konkurrenz der Staaten um ihr Kapital. Ein schönes Beispiel sind die USA, die trotz brummender Wirtschaft, jährlich Billionenschulden machen, weil diejenigen, die Millionen und Milliarden verdienen, zu wenig besteuert werden. Gleichzeitig locken sie das Kapital und sagen "Kommt zu uns, hier gibt es weniger Steuern" und verhindern so in anderen Länden, dass diese das große Kapital stärker besteuern.

    • @Martin_meint:

      "Wie kommt man zusammen, um politisch etwas zu verändern? Man gründet oder geht in eine Partei."



      Ihre wichtigste Aussage ist in meinen Augen, dass genau das keine Chance auf Erfolg hat und da gehe ich zu 100% mit.

  • Dieses Gespräch ist nun wenig erhellend - was ist denn nun die Lösung? Der Sozialismus, der in der Praxis bisher ausschließlich versagt hat? Die Zentrale Planwirtschaft erfolgte in der DDR übrigens auf den Umstand, dass sozialistisches Wirtschaften ohne überhaupt garnicht funktionierte.



    "Eine Durchschnittsperson empfindet in einer kapitalistischen Planwirtschaft ständig ihre eigene Machtlosigkeit." - Als gelernter DDR-Bürger weiß ich: Das ist im Sozialismus noch viel schlimmer.

    • @Samvim:

      Was war denn an der DDR sozialistisch? Die DDR war eine Diktatur, woran sich auch nichts ändert, weil die selbsternannte Elite diese Diktatur als "sozialistisch" bezeichnet hat (gilt genauso für die UdSSR). Ich persönlich würde ja auch nicht die Koreanische Volksdemokratische Republik (offizieller Name von Nordkorea) als Demokratie bezeichnen, weil das im Namen steht.

      Egal mit welchen Phantasie-Begriffen Diktatoren ihre Diktatur bezeichnen, sollte man erstmal die Realität betrachten und reflektieren.

      Kein Diktator wird seine Diktatur als solche bezeichnen. Dazu ein Beispiel hierzulande: die AfD sagt ja auch nicht offen, dass sie eine Diktatur errichten wollen, nachdem sie in einer demokratischen Wahl die Mehrheit erhalten haben. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es auch nach der Machtergreifung weiter "Wahlen" geben wird, nur werden die dann nichts verändern können, da keine demokratischen Menschen mehr zur Wahl stehen, denn die sitzen dann im Gulag.

      • @Truhe:

        Sie verwechseln Sozialismus mit Liberalismus.



        Stalin und Co gehören genauso zum Sozialismus wie Hexenverbrennungen zum Christentum.



        Man kann sich ideologisch nicht immer nur die Rosinen heraus picken.

      • @Truhe:

        👍👍

      • @Truhe:

        Sozialistisch an der DDR war aber mindestens der Grad der Gleichheit. Die rechten Diktaturen in den 30er Jahren waren zB viel ungleicher, letztlich wie kapitalistische Ökonomien.



        Die DDR hatte einen Einkommens-Gini von 0,18. Skandinavien hat einen von 0,28 und Brasilien von 0,5.

      • @Truhe:

        Sozialismus ist nach Marx u.a. die Diktatur des Proletariats... Im Artikel geht es (mutmaßlich) um sozialistisches Wirtschaften, für das aber die Zwangszustände in den sozialistischen Ländern notwendig waren und sind, weil es sonst überhaupt nicht funktioniert.



        Und auf die Frage, was an der DDR sozialistisch war, gibt es nur ein Antwort: Alles

    • @Samvim:

      Als jemand, der noch tiefer im "Ostblock" den ersten Teil seines Lebens zugebeacht hat und vor allem seit der Jugend den Vergleich hat, stimme ich Ihnen komplett zu. Es ist zum Schlapplachen: die Machtlosigkeit im Kapitalismus?! Davon sollte wirklich niemand schwadronieren, der unter Machtlosigkeit versteht, dass die Lachshäppchen alle sind. Der neue marxistische Autoritarismus wird aus einer romantisch verklärten Laune irgendwelcher Salonträumer über uns kommen... Nur mal als kleine Warnung: nicht einmal für Leute im Zentralkomitee gibt es genug Moët!