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Gesinnungsprüfung in BayernNicht zu links, um Beamter zu sein

Benedikt Glasl darf Lehrer werden. Nicht selbstverständlich, wenn man in Bayern lebt und Mitglied in einem linken Verband war.

Lehrer werden in Bayern auf ihre Gesinnung überprüft Foto: dpa

München taz | Als sein Anwalt ihm am Mittwochmittag die frohe Kunde übermitteln wollte, tat Benedikt Glasl gerade das, worin der bayerische Verfassungsschutz ursprünglich mal eine Gefahr für die Gesellschaft sah: Er unterrichtete die Schüler der Mittelschule an der Guardinistraße in München-Hadern. So erfuhr der 34-Jährige erst beim Abhören seiner Mailbox, dass seiner weiteren Laufbahn als Lehrer und seiner Verbeamtung nun plötzlich nichts mehr im Wege steht.

Eigentlich sollte der Fall erst in der kommenden Woche geklärt werden – vor Gericht. Doch dem kam der Freistaat Bayern, den Glasl vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht verklagt hatte, nun zuvor: Er stimmte zu, dass Glasl zum 1. August verbeamtet wird, und erkannte ihm Schadenersatz zu. Glasl war sehr überrascht.

Bei der Vorgeschichte ist das kein Wunder. Es ist noch kein Jahr her – Glasl wollte gerade sein Referendariat antreten – da wurde ihm beschieden, dass Zweifel an seiner Verfassungstreue bestünden. Der Grund: Glasl engagierte sich früher im Kampf gegen die Studiengebühren und war in dieser Zeit Mitglied beim Studentenverband SDS und der Linksjugend Solid. So einer als bayerischer Beamter? Für den Verfassungsschutz unvorstellbar.

Glasl weist jede verfassungsfeindliche Gesinnung weit von sich. Bei seiner Mitgliedschaft in den beiden Organisationen sei es ihm in erster Linie um die Hochschulgebühren gegangen. Seine Schule stand zwar die ganze Zeit solidarisch hinter ihm, doch für die Behörden war dies irrelevant. Glasl setzte sein Referendariat sechs Monate lang als unbezahlte Hospitation fort, vor die Schüler durfte er allerdings nur unter Beobachtung treten. Anfang des Jahres wollte man den angehenden Lehrer dann ganz aus der Schule werfen – ein Ansinnen, das Glasls Anwalt verhindern konnte. Daraufhin stellte man Glasl zumindest ein Angestelltenverhältnis in Aussicht.

Behörde wollte sich aus der Affäre ziehen

Dadurch dass der Freistaat ihm nun Schadenersatz gewährt, habe dieser ein klares Schuldeingeständnis abgelegt, sagt Glasl. Denn die Voraussetzungen für Schadenersatz seien klar geregelt. Dazu gehöre, dass die Maßnahme rechtswidrig und das Handeln schuldhaft gewesen sein muss. Nächste Woche findet das Sommerfest der Schule statt, da werde dann ausgiebig gefeiert.

Und doch: Wenn es zum Prozess gekommen wäre, hätte ihm das noch besser gefallen. „Ein Gerichtsurteil wäre für die Sache besser gewesen.“ Davon hätten dann vielleicht auch andere profitieren können, die in Zukunft bei ähnlich gelagerten Fällen ins Visier des Verfassungsschutzes geraten. Doch das habe man offenbar vermeiden wollen. „Es sieht nicht so aus, als ob das Verfahren jetzt reformiert würde.“

Zwischenzeitlich habe er schon immer mal wieder überlegt, ob er nicht einfach hinwerfen sollte. Sein Ruf stand auf dem Spiel, er wurde diffamiert, lebte zeitweise von Hartz IV

Vor gut einem Monat, erzählt Glasl, hätte die Regierung von Oberbayern sogar noch mal einen Anlauf genommen, die Sache auf für sie weniger peinliche Weise aus der Welt zu schaffen: Man habe ihm eine neue Anhörung angeboten, diesmal im Beisein des Verfassungsschutzes. Das hätte der Behörde die Möglichkeit gegeben, unter Berufung auf die neue Prüfung ohne Gesichtsverlust einzulenken. Glasl und sein Anwalt lehnten ab.

Zwischenzeitlich habe er schon immer mal wieder überlegt, ob er nicht einfach hinwerfen sollte. Sein Ruf stand auf dem Spiel, er wurde diffamiert, lebte zeitweise von Hartz IV. Lohnt es sich wirklich, all das auf sich zu nehmen? Doch im Rückblick, sagt Glasl, sei er fast froh um die Erfahrung. „Ich habe gelernt, dass man nicht umfallen darf – auch wenn der Wind einem noch so kräftig entgegen bläst.“

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8 Kommentare

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  • Seit der Regierung Brandt (Mehr Demokratie wagen) gibt es Berufsverbote. Da musste man nicht in Bayern leben. Meines Wissens waren davon ausschließlich Linke betroffen.

  • In unserer Zeit kann man gar nicht links genug sein.

    • @Ansgar Reb:

      Wie weit links würden Sie denn gehen? RAF?



      Ich bion der Meinung, in der jetzigen Zeit kann man gar nicht liberal genug sein, gern auch links und liberal :-), den die liberale Rechte sind in Gefahr, auch hier.

  • Der Artikel offenbart neben wohl berechtigter Kritik am vorliegenden Einzelfall aber zumindest tiefes Unwissen über das Beamtenrecht.

    Auch wenn der Artikel selbstverständlich dahingehend keine Äußerung getan hat, stelle ich ganz stark in Zweifel, dass "der" Freistaat Kritiker von Studiengebühren energisch verfolgt.

  • Taz-Artikelzitat: (...) „Ein Gerichtsurteil wäre für die Sache besser gewesen.“ Davon hätten dann vielleicht auch andere profitieren können, die in Zukunft bei ähnlich gelagerten Fällen ins Visier des Verfassungsschutzes geraten. (…)

    Offensichtlich operiert hier der Bayerische Freistaat über die “Grauzone“ hinaus und scheut dann einen Urteilsspruch und einen damit verbundenen möglichen “Präzedenzfall“.



    Hierbei kommen zwangsläufig Erinnerungen an Christine Schanderl zurück, die als Schülerin mit einer Plakette “Stoppt Strauß“ bei Demonstrationen im Freistaat auftrat (der Fall wurde zum Albtraum für die CSU) und das noch Jahre später zu spüren bekam.

  • "... wenn man in Bayern lebt und Mitglied in einem linken Verband war."

    Also "war".

    Bei den Angepassten ist der Kapital- und Staatsschutz stets großzügig.



    Das sind die besten ideologischen Helfer fürs Kapital.

    Das gilt so auch für 99,99 Prozent aller Beamten.



    Um den Rest kümmert sich das BfV und der BStU.

  • Ich hab das Gefühl, von weit recht kommende Lehrer sind akzeptiert, aber ein Hauch von "linker" Kampf für seine Rechte, schlimmstenfalls noch gegen die Interessen des Staates, und schon wird man geschasst.



    Und vieles lässt sich ja so leicht als "links" diffamieren, sei' dass man nur um irgendwelche banalen Rechte kämpft.



    Ein Zufall, dass man nicht für Rechte kämpfen sollte, wenn man ein bischen Links ist?

    • @Mitch Miller:

      Das hängt wohl auch damit zusammen, dass derlei Schnüffelbehörden ihre faschistische Vergangenheit meist nur notdürftig gekittet haben. Alles NSDAP Parteigänger oder Schlimmeres, aber es gab eben zu viele. Dann der Kalte Krieg mit Links als Feindbild, als hätte man vergessen, dass man gerade von Rechts den Holocaus angezettelt hätte. Wirklich geschichtsvergessen diese Nachkriegskonflikte. Jedenfalls braucht es Jahrzente, bis sich solche Kulturen und ideologische Prägungen ändern, sofern nicht von oben der Wille da ist, mal ordentlich aufzuräumen. Aber dieser Wille ist nicht erkennbar, die Zeichen stehen von staatlicher Seite auf Schlussstrich, das illustriert gerade wieder sehr fein das Ende des NSU Prozesses, wo es unfassbar nahe liegt, dass der Staat in Hessen sogar unmittelbar an der Mordserie beteiligt war.