Gesetzespläne in Österreich: Ein Ablenkungsspiel
Österreichs Kanzler Kurz will den Straftatbestand „politischer Islam“ einführen – und damit vor allem das eigene eklatante Versagen überspielen.
Lebenslanger Maßnahmenvollzug für Terroristen, zusätzliche Überwachungsmöglichkeiten für „Gefährder“, Fußfesseln für entlassene Islamisten und die Kriminalisierung des politischen Islam. All das gehört zu einem neuen Antiterrorpaket, das Österreichs Regierung am Mittwoch in Schlagworten vorstellte. Alles soll bis Dezember verfassungskonform formuliert werden, versicherte Justizministerin Alma Zadić von den Grünen. So sicher ist das aber nicht.
Hintergrund des Gesetzespakets ist der Terroranschlag Anfang November in Wien. An einem Montagabend erschoss ein islamistischer Attentäter vier Menschen und verletzte rund 20 weitere. Inzwischen ist klar, dass der Anschlag hätte verhindert werden können, hätten die österreichischen Behörden nicht eklatant versagt. Der in Österreich geborene und aufgewachsene 20-Jährige war nach einem gescheiterten Versuch, sich in Syrien dem „IS“ anzuschließen, zu 22 Monaten Haft verurteilt worden. Im vergangenen Dezember dann aber vorzeitig entlassen worden.
Zwar musste er an einem Deradikalisierungsprogramm teilnehmen und bekam einen Bewährungshelfer. Trotzdem traf er sich im Sommer mit Gesinnungsgenossen aus Deutschland und der Schweiz und versuchte danach, in der Slowakei Munition zu kaufen. Die Geheimdienste der drei Länder informierten das österreichische Innenministerium. Trotz des flagranten Verstoßes gegen die Bewährungsauflagen wurde der Mann weder festgenommen noch weiterobserviert.
Nach der Tat suchte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) die Schuldigen zunächst bei der Justiz (die von seinem Ministerium nicht über die Umtriebe des Haftentlassenen informiert worden war), dann bei seinem Vorgänger Herbert Kickl (FPÖ), der den Geheimdienst BVT kaputtgemacht habe. Er suchte sie überall, nur nicht bei sich selbst. Rufe nach seinem Rücktritt wies er zurück.
Bevor dann nun eine am Donnerstag vorgestellte unabhängige Kommission ermitteln konnte, was schief gelaufen ist, beeilt sich die Regierung jetzt, Härte gegenüber islamischen Extremisten zu zeigen. Letzte Woche wurden zwei Moscheen in Wien geschlossen. Am Dienstag durchsuchte die Polizei Häuser und Büros von Organisationen und Personen, die der Muslimbruderschaft nahestehen sollen. Für Verhaftungen reichten die gefundenen Dokumente und Bargeld in Höhe von rund 25 Millionen Euro nicht aus.
Juristen melden Zweifel an
Nun eben ein neues Gesetz. Doch das steht schon auf wackeligen Beinen, bevor es ausformuliert ist. Juristen bezweifeln, dass man den Tatbestand der Anhängerschaft zum politischen Islam wasserdicht definieren kann. Einen Maßnahmenvollzug nach verbüßter Haftstrafe kennt das österreichische Strafgesetz bisher nur für „geistig abnorme Rechtsbrecher“, also unberechenbare psychisch Erkrankte. Islamistische Täter mögen fanatisch sein, in den seltensten Fällen aber psychisch krank. Entzug der Staatsbürgerschaft und des Führerscheins, wie sie in der präsentierten Ideensammlung vorgeschlagen werden, riechen eher nach Rache, als nach Bemühung um Resozialisierung, die das österreichische Strafrecht anstrebt.
Aus der Opposition gibt es Kritik an dem geplanten Gesetzespaket. Die rechte FPÖ findet die Pläne zu lasch. SPÖ-Vizefraktionschef Jörg Leichtfried will das Paket erst bewerten, wenn konkrete Vorschläge für Gesetzesveränderungen vorliegen. Doch er sieht die Verantwortung der Kette von Fehlern beim Innenminister.
Eigentlich müsste das Paket auch den Grünen gegen den Strich gehen. Ihre bisherige Position war, das Geld nicht für den Maßnahmenvollzug einzusetzen, sondern Bewährungshilfe- und Deradikalisierungsvereine mit erforderlichen Mitteln auszustatten, um damit islamistisch motivierte Straftaten zu verhindern. Doch jetzt sitzen sie mit der ÖVP in der Regierung.
Selbst wenn das Gesetzespaket durchkommen sollte, der islamistische Attentäter von Anfang November hätte damit nicht aufgehalten werden können, wohl aber durch Ausschöpfen der bereits vorhandenen Mittel. Es liegt also nahe, dass die Regierung mit ihrem Aktionismus in erster Linie von dem Behördenversagen ablenken will.
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