Gesetzentwurf zum Biosprit: Streit um blühende Landschaften

Die Beimischung von Biokraftstoffen zum Autobenzin soll auslaufen. Das will Umweltministerin Steffi Lemke. Doch die FDP ist dagegen.

Von Autos befahrene Straße in einem gelben Rapsfeld

Straße im Rapsfeld Nauen. Dieser soll nach dem Willen der Umweltministerin nicht mehr im Tank landen Foto: Jochen Eckel/imago

BERLIN taz | Getreide wird zu Brot verarbeitet, um Menschen zu ernähren – so lautet die alltägliche Annahme. Doch ein guter Teil der hierzulande angebauten Ähren dient dazu, Auto­treibstoff zu produzieren, damit der Verkehr rollt. Dem will die grüne Bundesumweltministerin Steffi Lemke einen Riegel vorschieben. Bis 2030 soll die Beimischung von Treibstoff aus Pflanzen beendet werden, schlägt sie in einem neuen Gesetzentwurf vor. Das lehnt die FDP ab.

Ohnehin haben sich die drei Parteien der Bundesregierung in der Verkehrs- und Klimapolitik verhakt. Im Vordergrund steht die Auseinandersetzung darüber, dass der Autoverkehr mehr klimaschädliche Kohlendioxidemissionen verursacht als zulässig. FDP-Bundesverkehrsminister Volker Wissing macht bisher keine ausreichenden Vorschläge, um das Problem zu lösen. Stattdessen will er weitere Autobahnen bauen lassen. Mit Lemkes Gesetzentwurf kommt ein neuer Konflikt hinzu.

Damit der Ausstoß von Treibhausgasen sinkt, können die Mineralölkonzerne ihrem Benzin momentan sogenannte Biokraftstoffe aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen beimischen. Das sind beispielsweise Öl aus Raps oder Bioethanol aus Getreide. 4,4 Prozent ihrer Minderungsverpflichtung für Treibhausgase dürfen die Treibstoffhersteller so erfüllen. Die grüne Umweltministerin schlägt nun vor, diese Variante bis 2030 abzuschaffen.

Das Umweltministerium begründet seine Initiative unter anderem mit dem Preisanstieg für Nahrungsmittel nach dem russischen Angriff auf die Ukraine. Der Anbau von Pflanzen für die Treibstoffproduktion verknappe die zur Verfügung stehende Landwirtschaftsfläche und erhöhe die Preise zusätzlich, heißt es im Gesetzentwurf. Werde diese Art der Nutzung dagegen zurückgedrängt, „verringert sich der Druck auf die Preise für Nahrungsmittel und Agrarflächen“.

Die Klimaschutzwirkung von Biokraftstoff ist zweifelhaft, so Lemke

Lemkes zweites Argument: „Die Klimaschutzwirkung von Biokraftstoffen aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen ist stark anzuzweifeln.“ Einerseits reduzierten diese Treibstoffe zwar den Ausstoß von klimaschädlichen Abgasen des Verkehrs, andererseits führten sie jedoch dazu, dass dann zusätzliche Flächen für die Nahrungs- und Futtermittelproduktion erschlossen würden – auch in ökologisch wertvollen Regenwäldern. Dadurch beschleunige sich die Erwärmung der Erdatmosphäre.

Allerdings bietet das Umweltministerium auch „Kompensationen“ für das beabsichtigte Auslaufen der Beimischung an. Um ihre Verpflichtungen zur Reduktion der Treibhausgase dennoch zu erfüllen, sollen sich die Mineralölfirmen beispielsweise den Bau von Stromtankstellen stärker anrechnen lassen können. Die Logik: Auch Ökostrom ersetzt fossiles Benzin und verbessert die Klimabilanz des Verkehrs.

Trotzdem ist die FDP nicht zufrieden mit dem Angebot. „Der Vorschlag von Umweltministerin Lemke läuft dem Klimaschutz zuwider“, sagte FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler. „Die vorgeschlagenen Kompensationen sind Augenwischerei.“

Köhlers Punkt: Die stärkere Anrechnung von Stromtankstellen steht erst mal nur auf dem Papier, schließlich werde nur der Anrechnungsfaktor erhöht. Mehr Stromtankstellen gibt es dadurch zunächst nicht, und bis die Au­to­fah­re­r:in­nen mehr Kilometer mit Strom zurücklegen, kann einige Zeit vergehen. Das heißt: Der Kohlendioxidausstoß, an dem sich der Erfolg von Verkehrsminister Wissings Politik bemisst, sinkt erst mal nicht. Wissings Job, den Klimagasausstoß im Verkehr zu verringern, wäre erschwert.

Bauernverband kritisiert Bruch mit Förderung von Biosprit

Diese Sichtweise sei nicht von der Hand zu weisen, sagte auch Ulf Neuling, Experte der Organisation Agora Verkehrswende: Anfangs verringere die höhere Anrechnung die tatsächlichen Emissionen des Verkehrs nicht. Aber: „Sie sollte als Anreiz wirken, damit Mineralölunternehmen etwa mehr Stromtankstellen bauen. In der Folge wird die Abgasmenge zurückgehen.“

Grundsätzlich findet Neuling den Gesetzentwurf des Umweltministeriums plausibel: „Es gibt nachvollziehbare Gründe, sich von Biokraftstoffen aus Nahrungs- und Futterpflanzen zu verabschieden, denn inzwischen haben wir effektivere und effizientere Maßnahmen für Klimaschutz im Verkehr – wie beispielsweise die Elektromobilität.“ Die Bundesregierung müsse aber auch daran arbeiten, „dass die anfänglichen Mehremissionen beim Ausstieg aus den Biokraftstoffen tatsächlich ausgeglichen werden“, sagte Neuling.

Auch Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir unterstützt den Vorschlag seiner grünen Kollegin Lemke. Verbände wie der Deutsche Naturschutzring, der Bundesverband für Umwelt- und Naturschutz und Greenpeace kritisieren die Verbrennung von Pflanzen in Motoren seit Langem.

Auf der Seite der FDP steht unter anderem der Deutsche Bauernverband. „Wir möchten den Beitrag der Biokraftstoffe erhalten und lehnen einen Ausstieg bis 2030 klar ab“, sagte ein Sprecher. Er bezifferte den Umsatz der Landwirte mit Pflanzen für Biokraftstoffe auf etwa zwei Milliarden Euro jährlich – größenordnungsmäßig fünf Prozent des gesamten Agrarumsatzes.

Den Vorstoß von Umweltministerin Steffi Lemke betrachtet der Verband als Bruch mit einer jahrelangen Politik, die den Anbau von Energiepflanzen förderte. Sollte Lemke sich durchsetzen, blieben für die Agrosprit-Herstellung im Wesentlichen nur noch Pflanzenabfälle übrig.

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