Gesetzentwurf zu neuem Posten im Bund: Polizeibeauftragter darf einiges
Unangekündigte Besuche und Akteneinsichten: Die Ampel gibt dem neuen Polizeibeauftragten weite Befugnisse. Die Union hält das Amt für „überflüssig“.
Der Beauftragte soll Fehlverhalten und strukturelle Mängel in der Polizei untersuchen, heißt es im Gesetzentwurf, welcher der taz vorliegt. Sowohl Bürger*innen als auch Beschäftigte der Bundespolizei, des BKA oder der Bundestagspolizei sollen ihm dies melden können. Mit dem Amt solle das „Vertrauen in die Polizei gestärkt“ werden, so der Entwurf.
Angesiedelt wird das Amt im Bundestag, der Polizeibeauftragte soll dort unabhängig und mit mehreren Mitarbeitenden arbeiten. Wie viele, wird derzeit noch in den Haushaltsberatungen verhandelt. Die Amtszeit beträgt fünf Jahre – eine einmalige Wiederwahl ist möglich.
Auch unangekündigte Besuche möglich
Der Gesetzentwurf wurde nicht in Ministerien, sondern von den Ampel-Fraktionen im Bundestag erarbeitet. Demnach soll der Beauftragte künftig auch bei laufenden Ermittlungen eigene Untersuchungen durchführen können – sofern die Ermittlungen dadurch nicht gefährdet werden. Hinweisgebenden kann er Anonymität zusagen. Auch kann er von Polizei und Behörden Stellungnahmen einholen oder Akten anfordern. Nur bei „zwingenden, darzulegenden Geheimhaltungsgründen“ darf dies verweigert werden – worüber letztlich die Bundesinnenministerin entscheiden würde. Zudem darf der Beauftragte Dienststellen auch ohne vorherige Anmeldung betreten oder bei größeren Polizeieinsätzen dabei sein.
Nach den Lesungen im Bundestag soll die Wahl von Grötsch Anfang 2024 erfolgen. Seinen ersten Bericht soll er im Juni 2024 vorlegen. Die Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Irene Mihalic sagte der taz, mit dem Amt setze man „ein zentrales innenpolitisches Vorhaben“ der Ampel um. Der Polizeibeauftragte könne strukturelle Probleme wie Racial Profiling oder rechtsextreme Chatgruppen aufklären und grundsätzlich bearbeiten. So werde „eine echte Fehlerkultur etabliert“.
Auch SPD-Innenpolitiker Sebastian Hartmann sagte, mit dem Amt schaffe man „etwas ganz Neues“ und setze „einen neuen Standard für eine moderne Polizei in unserem demokratischen Rechtsstaat“. Nicht nur auf deutscher, sondern auch europäischer Ebene gehe man damit „einen großen Schritt voran“ und könne „als Vorbild für demokratisch und extremismusresistente Polizeien dienen“.
Die Unions-Fraktionsvize Andrea Lindholz (CSU) nannte das Projekt dagegen „überflüssig“. Die Ampel offenbare damit ihr „grundsätzliches Misstrauen“ gegenüber der Polizei. „Die Polizei hat kein strukturelles Problem mit Rechtsextremismus und Radikalismus.“ Besorgniserregend seien vielmehr die zuletzt fast 40.000 Angriffe auf Polizeikräfte, so Lindholz zur taz.
In elf Bundesländern gibt es bereits Polizeibeauftragte oder entsprechende Beschwerdestellen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag