Gescheiterte Tarifverhandlungen: Es reicht einfach noch nicht
Im Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst haben die Verhandler:innen sich bemüht. Aber angesichts der Inflation ist das Arbeitgeberangebot nicht hinnehmbar.
I n der Nacht zum Donnerstag ist ein unbefristeter Streik im öffentlichen Dienst näher gerückt. Ein kleiner Vorgeschmack davon, was das bedeuten würde, haben die punktuellen Warnstreiks von der Kita bis zur Müllabfuhr in den vergangenen Wochen und der eintägige bundesweite Mobilitätsausstand Anfang der Woche geliefert. Nein, für die Bürgerinnen und Bürger sind das keine schönen Aussichten. Doch noch ist es nicht soweit. Aber die Aufgabe der beiden Schlichter, bis Mitte April eine Verständigung zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern zu erreichen und damit einen schmerzhaften Arbeitskampf noch zu verhindern, wird keine einfache sein. Denn die Differenz zwischen dem Anspruch der Beschäftigten und dem Angebot der Arbeitgeber scheint nach wie vor verdammt groß.
Immerhin eines kann den Verhandler:innen, die seit Montag in Potsdam zusammen am Tisch saßen, nicht vorgeworfen werden: dass sie nicht ernsthaft miteinander gerungen hätten. Dass sich Verdi und der Deutsche Beamtenbund trotzdem gezwungen gesehen haben, das Scheitern der Gespräche zu verkünden, ist gleichwohl verständlich. Denn auch wenn der Bund und die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) ihr Angebot nachgebessert haben, ist es immer noch allzu weit von den gewerkschaftlichen Forderungen entfernt. Vor allem jedoch würde es nicht dafür sorgen, die Reallohnverluste, die die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes seit 2021 erlitten haben, auch nur ansatzweise auszugleichen.
Dabei klingt das Arbeitgeberangebot auf den ersten Blick gar nicht schlecht: eine Lohnerhöhung um 8 Prozent bei einem Mindestbetrag von 300 Euro sowie steuerfreie Einmalzahlungen von insgesamt 3.000 Euro. Das ist jedoch eine Mogelpackung. Denn der Vorschlag des Bundes und der VKA bezieht sich nicht alleine auf dieses Jahr und enthält überdies diverse Zeitversetzungen und Rechentricks. Umgerechnet liegt der anvisierte Mindestbetrag für 2023 real nicht bei 300, sondern nur bei knapp 212 Euro – die Inflationsausgleichsprämie sogar schon mit einberechnet. Das ist nicht einmal die Hälfte der 500 Euro, die die Gewerkschaften fordern. Angesichts der dramatisch gestiegenen Lebenshaltungskosten ist es nachvollziehbar, dass sie sich damit nicht abfinden wollen.
Jetzt steht Innenministerin Nancy Faeser als Verhandlungsführerin des Bundes in einer besonderen Verantwortung. Denn ein verbessertes Tarifangebot in der Schlichtung könnte, ja sollte verbunden werden mit Maßnahmen der Bundesregierung, die hohen Lebenshaltungskosten zu senken. Zum Beispiel durch eine Streichung der Mehrwehrtsteuer auf Grundnahrungsmittel, wie das gerade Portugal vormacht. Das würde es den Gewerkschaften leichter machen, einem Kompromiss zuzustimmen. Und es käme allen Menschen mit kleineren Einkommen zugute, nicht nur denen im öffentlichen Dienst.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren