Gerichtsprozess wegen Braunkohleprotest: „Mönch“ von Lützerath verteidigt sich
Der französische Aktivist Loic S. erklärt, warum er sich des „Polisistenshüppsens“ schuldig gemacht habe. Da schmunzelt selbst der Richter.
Angeklagt vor dem Amtsgericht Erkelenz ist Loic S., 29, französischer Staatsbürger aus der Nähe von Nancy, wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte am 14. Januar 2023 bei der großen Rettungsdemo für das Braunkohledorf Lützerath. Verkleidet als Franziskanermönch war er dabei gewesen und hatte mutmaßlich Polizeibeamte in den Schlamm geschubst. Die launigen Videos waren weltweit millionenfach geklickt worden.
S. hatte dem Stern Anfang 2024 ein großes Interview gegeben und dadurch seine Identität offenbart. Das war nach Auskunft der Staatsanwaltschaft der Hebel für die deutschen Behörden. Und natürlich war er gekommen in das Nachbarstädtchen von Mönch(!)engladbach.
S. sprach auf Französisch lang, bestimmt, starkstimmig, straight, sehr flüssig. Als einmal „Polisisten shüppsen“ durchklang, schmunzelte selbst der ernste Richter. Es ging dem Angeklagten um Widerstandspflicht, Klimakatastrophe, „die beispiellose Polizeigewalt“ damals. S. zitierte Gandhi, La Fontaine, Mandela, Jack London, Tolstoi, den obersten richtigen deutschen Franziskaner, Mönch Bruder Markus.
„Ich werte das mal als Geständnis“
Und er hatte eine Vision ganz im Franziskanerpazifismus: Bei 30.000 Demonstrierenden damals und 1.500 Polizeikräften „hätten 20 Leute immer einen Polizisten umarmen müssen und sie hätten keine Chance gehabt, so auf uns einzuprügeln“.
80 Minuten Verteidigungs- und Anklagerede wider die prügelnde Staatsgewalt damals in Lützerath. Schmaler Kommentar des Richters Michael Floeth: „Ich werte das mal als Geständnis.“ Kurzes Getuschel auf der Anklagebank. „Ja.“ – „Dann könnten wir das heute zu Ende bringen.“
Nein, sagt Anwältin Carolin Kaufmann, man wolle die angeblich verletzten Schupspolizisten als Zeugen anhören. Also, zweiter Termin 5. Februar. Dann womöglich auch mit Urteil.
An die 50 Menschen hatten nicht in den kleinen Gerichtssaal gepasst, darunter gut ein halbes Dutzend in Solidaritätskostümen als Franziskanermönche und -mönchinnen. Für die zog Loic S. unter Applaus nachher vor dem Gebäude seine Mönchscamouflage noch einmal an und trug sein Statement umjubelt erneut vor über die „Mobilisation historique“, vor zwei Jahren vor dem gewesenen Lützerath.
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