Gericht entscheidet über Glyphosat: Eine halbe Tonne Honig verseucht

Ein Imker verlangt von einer Agrarfirma Schadenersatz für Glyphosat in seinem Produkt. Wer ist verantwortlich? Das entscheidet nun ein Pilotprozess.

Bienen schwärmen über Bienenkästen und einem gelb blühenden Rapsfeld

Bienenkästen im Rapsfeld Foto: Frank Bienewald/imago

FRANKFURT/ODER taz | Wer ist dafür verantwortlich, dass sich im Honig keine Pflanzenschutzmittel finden? Muss der Imker seine Stände weit entfernt von der Landwirtschaft aufstellen? Oder müssen Landwirte Rücksicht auf Imker nehmen? Das muss in einem Pilotprozess nun das Landgericht Frankfurt (Oder) klären.

Der Brandenburger Imker Sebastian Seusing stellte 2018 mit Billigung des Försters rund 90 Bienenstände für 29 Bienenvölker an einen Waldrand im Landkreis Barnim auf. Im April 2019 bemerkte Seusing, dass der blühende Löwenzahn, der auf einem benachbarten Feld wuchs, offensichtlich mit Pflanzenschutzmitteln besprüht worden war und einging.

Seusing ließ vorsichtshalber den Honig testen, den seine Bienen zuletzt produziert hatten. Tatsächlich war der Grenzwert für den Wirkstoff Glyphosat um das 150-fache überschritten. Der Imker musste deshalb 550 Kilogramm verunreinigten Honig vernichten. Er hatte dadurch Einnahmeausfall und Aufwand von etwa rund 14.500 Euro.

Den Schaden will Imker Seusing nun ersetzt bekommen. Er hat deshalb die Eigentümerin des benachbarten Feldes, eine niederländische Agrarfirma, verklagt. Diese hatte eingeräumt, dass sie den Löwenzahn mit dem glyphosathaltigen Bayer-Herbizid Durano TF besprüht hatte. Das Feld, auf dem bisher die Viehfutterpflanze Luzerne angebaut wurde, sollte für die Anpflanzung von Mais vorbereitet werden.

Durch die Instanzen

Unterstützt wird Imker Seusing von der Berliner Stiftung Aurelia, die sich für eine bienen- und imkerfreundliche Welt einsetzt. Die Stiftung will das Verfahren durch die Instanzen ziehen, um eine grundsätzliche Klärung der Verantwortlichkeiten zu erreichen. Die Gerichte sollen feststellen, dass es unzulässig ist, wenn Landwirte ihre Herbizide auf blühende Pflanzen spritzen und diese so von Bienen in den Honig eingebracht werden.

Auch Sebastian Seusing hat einen langen Atem. Da er die Berufsimkerei inzwischen aufgegeben hat, kann er offensiv Öffentlichkeitsarbeit betreiben – ohne Angst vor einem Imageverlust für seinen Honig. Von der Berliner Politik kann er ohnehin keine Hilfe erwarten. Auf Proteste von Imkern reagierte Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) bislang ablehnend. Für sie sind Probleme wie die von Imker Seusing „bedauerliche Einzelfälle“.

Die Stiftung Warentest fand jedoch 2018 in jedem dritten untersuchten Honig Spuren von Glyphosat, wenn auch unterhalb des Grenzwerts. Das niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit wies 2016 sogar in über 3 Prozent der untersuchten Honigproben Überschreitungen des Glyphosatgrenzwerts nach.

Verstoß gegen „gute fachliche Praxis“

Für Rechtsanwalt Georg Buchholz, der den Imker vertritt, ist das Besprühen von blühenden Pflanzen ein Verstoß gegen die „gute fachliche Praxis“ des Pflanzenschutzrechts. Der Imker habe daher Anspruch auf Schadenersatz, weil die Agrarfirma das Pflanzenschutzgesetz verletzt habe.

Das Gericht diskutierte nach Darstellung des Anwalts aber vor allem einen Schadenersatz-Anspruch wegen Verletzung des Eigentumsrechts des Imkers. In der Verhandlung sei es nicht zuletzt um die Frage gegangen, ob den Imker ein Mitverschulden trifft, weil er die Agrarfirma nicht über den Standort seiner Bienenvölker informierte. Nach Ansicht von Anwalt Buchholz hätte dagegen die Agrarfirma den Imker zumindest über die geplante Spritzaktion informieren müssen. Die Bienenstände seien „nicht zu übersehen“ gewesen.

Das Landgericht Frankfurt (Oder) will Mitte September entscheiden. Möglicherweise müssen aber auch noch weitere Beweise erhoben werden.

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